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Sportmediziner Andreas Nieß gibt Bewegungs-Tipps

Frieren im Winter
Der Atem einer Joggerin zeichnet sich im Gegenlicht der aufgehenden Sonne ab. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Der Atem einer Joggerin zeichnet sich im Gegenlicht der aufgehenden Sonne ab. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

TÜBINGEN. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens zweieinhalb Stunden Bewegung in der Woche. Aber wie kann man das in der Coronakrise schaffen? GEA-Sportredakteur Denis Raiser hat nachgefragt bei Professor Andreas Nieß, Leiter der sportmedizinischen Abteilung der Uniklinik Tübingen.

GEA: Wie wichtig ist sportliche Aktivität im Corona-Alltag?

Andreas Nieß: Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass regelmäßige körperliche Bewegung sowohl in der Vorbeugung als auch in der Therapie bei verschiedenen Erkrankungen einen bedeutenden Stellenwert hat. Nicht nur in der jetzigen Situation ist wichtig: Sport wirkt sich positiv auf die Stimmungslage aus und begünstig bei moderater Dosierung auch die Immunfunktion. Umgekehrt gilt: Wenn man sich nun sportlich nicht mehr betätigt, baut sich die Muskulatur relativ schnell ab. Langfristig erhöht man sogar das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und teilweise auch Krebs.

Welche Sportarten bieten sich an?

Nieß: Notgedrungen sollte man zurzeit Individualsportarten bevorzugen. So wie das aktuell geregelt ist, ist es noch möglich, sich draußen zu betätigen. Geeignet sind Ausdauersportarten wie Walken, Joggen, Fahrrad fahren, aber auch zügige Spaziergänge. Dazu kann man zu Hause Gymnastik machen in Form von Kraft- oder Koordinationstraining.

Sollte auch Jogger oder Fahrradfahrer zwei Meter Abstand halten?

Nieß: Das ist jetzt ein Muss! In dieser Phase ist Kontaktvermeidung das beste Mittel, um einen Infekt zu vermeiden. Man sollte beim Radfahren oder Joggen zudem nicht dem Windschatten eines anderen folgen. Man kann nicht ausschließen, dass man von dessen Atem etwas abbekommt. Es gibt zwar noch keine gesicherten Erkenntnisse über das genaue Risiko, aber im Zweifelsfall sollte man Abstand halten. Auch bei Sportgeräten sollte man vorsichtig sein, auch wenn es hierzu noch keine abschließenden Erkenntnisse gibt, wie sich das Virus auf diesen Geräten hält. Aber es ist besser, wenn man keine Sportgeräte von einer Person nutzt, die nicht im eigenen Haushalt wohnt.

Wie kann man sich in den eigenen vier Wänden sportlich betätigen?

Nieß: Jetzt sind diejenigen im Vorteil, die noch ein Fahrrad-Ergometer oder andere Fitnessgeräte rumstehen haben. Aber ein Krafttraining kann man zu Hause auch gut mit dem eigenen Körpergewicht durchführen. Einfach in den Tagesablauf zu Hause 20 Minuten für Gymnastik einplanen, oder das ganze auf zweimal zehn Minuten aufteilen. Und dann noch dreißig Minuten nach draußen gehen und dort Spazieren, Walken, Joggen oder Fahrrad fahren oder eben das Ergometer zu Hause nutzen. Das sollte man jeden zweiten Tag so machen, am besten sogar täglich.

Wie intensiv darf man Sport treiben?

Nieß: Man sollte sich derzeit bei der Intensität an dem orientieren, was man bisher auch gemacht hat. Es ist jetzt nicht die Zeit, um in Aktionismus zu verfallen und plötzlich intensive Bewegungsformen auszuüben, die man nicht gewohnt ist. Das kann vor allem bei älteren Menschen zu Verletzungen oder Überbeanspruchung führen. Man sollte sich aktuell etwas zurückhalten und sich auf die einfachen Dinge konzentrieren.

Darf man Sport treiben, wenn man sich nicht ganz fit fühlt?

Nieß: Wenn man Symptome eines Infekts hat wie Fieber, Gliederschmerzen, Schwächegefühl, Husten, Halsschmerzen oder Bauchbeschwerden, sollte man generell keine den Kreislauf belastenden Aktivitäten machen. Leichte Gymnastik oder Atemübungen sind möglich. Bei Covid-19 gibt es erste Hinweise, dass dieses Virus in manchen Fällen auch den Herzmuskel befallen kann. Wenn man ein positives Testergebnis hat, sollte man zunächst auf intensive Übungen verzichten, auch wenn man keine Symptome zeigt. Bevor man hier nicht weitere Erkenntnisse hat, ist diesen Personen zu raten, sich von einem Arzt checken zu lassen, bevor sie wieder mit einer hohen sportlichen Belastung beginnen. (GEA)