TÜBINGEN. Jetzt geht's in die heiße Phase. Die Tigers Tübingen starten am Mittwochabend (20 Uhr, sportdeutschland.tv) in die Play-offs der 2. Basketball-Bundesliga. Die Raubkatzen sind in der Viertelfinal-Serie gegen den Tabellenzweiten Gladiators Trier der klare Underdog. Doch gelingt den Mannen um Tigers-Kapitän Till Jönke am Ende tatsächlich die große Überraschung? Zweitliga-Kommentator und Basketball-Experte Dominik von Burchard schätzt im GEA-Interview die Chancen für die Tübinger in der Meisterrunde ein.
GEA: Karlsruhe ist in der vergangenen Saison ebenfalls als Siebter und mit genau 20 Siegen in die Play-offs eingezogen. Am Ende stand der sensationelle Meistertitel. Können die Tigers Tübingen das Gleiche schaffen?
Dominik von Burchard: Grundsätzlich könnte man sagen: Warum nicht? Denn in den Play-offs ist immer alles möglich. Karlsruhe hat im vergangenen Jahr Gießen in der ersten Runde geschlagen. Das war auch nicht zu erwarten, doch Trier ist nochmal ein anderes Biest als Gegner. Sie haben am Samstag zwar deutlich gegen Düsseldorf verloren, aber ich glaube, dass das der Wachruf genau zur richtigen Zeit war. Ich gehe nicht davon aus, dass es eine solche Überraschung wie mit Karlsruhe nochmals geben wird. Auch, weil die Pro A in der Spitze mit Jena und Trier nochmals deutlich stärker ist als im Vorjahr. Sollten die Tigers das Viertelfinale gegen Trier für sich entscheiden, wäre das eine unfassbare Sensation.
Was könnte in diesem Viertelfinale besonders interessant werden?
Von Burchard: Das Trainer-Duell. Beide haben noch keine Play-off-Serie in der zweiten Liga als Headcoach bestritten. Triers Jacques Schneider wurde im Sommer vom Co-Trainer zum Chefcoach befördert und verfügt mit seinen 32 Jahren noch nicht viel an Erfahrung. Tübingens Eric Detlev ist zwar schon lange im Geschäft, aber auf diesem Niveau war er noch kein Headcoach. Und eine Play-off-Serie ist nochmal etwas ganz anderes. Detlev hat nach seiner Übernahme immer wieder gesagt, dass er den Spielern wieder mehr Freiheiten geben möchte. Der Knoten in der Offensive ist ja dann im Endeffekt auch geplatzt, was der Einzug in die Meisterrunde belegt. Ob das mit den Freiheiten auf dem Parkett allerdings etwas ist, was in einer möglichen Fünf-Spiele-Serie mit vielen taktischen Anpassungen nach den jeweiligen Duellen zum Vorteil für die Tigers wird, glaube ich nicht. Ich denke tatsächlich, das eher genau das Gegenteil der Fall sein könnte.
Zur Person
Dominik von Burchard (25) kommentiert seit 2023 für sportdeutschland.tv Spiele in der 2. Basketball-Bundesliga. Zudem ist er für die Spieltagszusammenfassungen auf dem Instagram-Kanal der Pro A verantwortlich. Gleichzeitig ist von Burchard für die inhaltliche Spieltagsvorbereitung beim Online-Streamingdienst Dyn für die Basketball-Bundesliga (BBL) zuständig. (ott)
Wie schätzen Sie die Entwicklung der Pro A in den vergangenen Jahren ein?
Von Burchard: Sehr gut. Das Niveau wird immer höher. Das sieht man auch daran, welche Spieler mittlerweile in die Liga kommen. Beispielsweise die einstigen beiden deutschen Nationalspieler und absolute Basketball-Größen Robin Benzing bei Gießen und Maik Zirbes in Trier. Gleichzeitig hat Jena etliche langjährige gestandene Bundesliga-Spieler in seinem Kader und ist vermutlich eine der besten Zweitliga-Mannschaften aller Zeiten. Die ersten zehn, elf Plätze waren über die gesamte Saison extrem umkämpft. Dadurch, dass die Spitze und Breite so gut war, haben die Kellerkinder immer wieder sehr deutliche Niederlagen kassiert. Teilweise war es erschreckend, wenn man gesehen hat, dass Jena wieder einen Gegner mit über 40 Punkten geschlagen hat. Der Ruf der Pro A, dass jeder jeden schlagen kann, ist zwar nicht weg, aber nicht mehr so extrem ausgeprägt wie in den letzten Jahren.
Welche Zweitliga-Spieler könnte man in der kommenden Saison in der Bundesliga sehen?
Von Burchard: Keith Braxton vom VfL Bochum. Er ist der Liga-Topscorer und klare MVP-Kandidat für mich. Er macht nicht nur 20 Punkte im Schnitt, sondern verteilt auch fünf Assists und holt sich sechs Rebounds pro Spiel. Er ist der nächste Bochumer Rohdiamant. Sie hatten bereits vor zwei Jahren TJ Crockett in ihren Reihen, der bei Braunschweig in der Bundesliga nun schon in der zweiten Saison ein Leistungsträger ist. Braxton ist für mich aber nochmal eine andere Hausnummer. Ich habe selten einen Spieler gesehen, der ein Spiel so lenken kann. Das ist wirklich sehr beeindruckend. Interessante Namen sind auch Abu Kigab von Karlsruhe oder Bayreuths Highlight-Maschine Demarcus Demonia. Perspektivisch könnte auch Seikou Jawara aus Münster den Sprung nach oben schaffen. Ein Spielertyp zwischen Genie und Wahnsinn. Aber definitiv ein spannender Mann, den man sich für die mittelfristige Zukunft merken muss.
Welche Tigers-Spieler haben aus ihrer Sicht das größte Potenzial?
Von Burchard: Da finde ich es gar nicht so leicht, Spieler zu finden, die für die Bundesliga in Frage kommen. Bei Samuel Idowu gibt es einige Sachen, die dafür sprechen. Zum Beispiel sein starker Drei-Punkte-Wurf oder seine Beweglichkeit. Aber mit seiner geringen Größe (1,98 Meter laut der Tigers-Homepage, Anm. d. Red.) dürfte es für ihn in der BBL schwer werden, auf der Center-Position zu bestehen. Wenn Idowu eine Chance in der Bundesliga bekommen sollte, dann weil ein Club genau solch ein Spielerprofil in seinem Kader haben will. In diesem Fall dann womöglich auch eher auf der Position des Power Forwards. Er ist trotzdem ein spannender Spieler, weil er ein moderner Big Man ist, der mit seinem Wurf das Feld breit machen kann und so Räume für die anderen Spieler öffnet.
Könnte Tübingens Topscorer Kenny Cooper in der Bundesliga bestehen?
Von Burchard: Schwierig. Gefühlt muss man seine Saison in zwei Hälften unterteilen. Nach der Verletzung hat er zwar hin und wieder zweistellig gepunktet, häufig hat er aber auch gar nichts getroffen. In den letzten acht Spielen hat Cooper deutlich unter 30 Prozent Dreier getroffen. Wenn du ein Spieler bist, der abhängig von seinem eigenen Wurf ist, dann könnte er in der Bundesliga und insbesondere gegen deutlich bessere Verteidiger Probleme bekommen. Da müsste man wohl eher nochmal ein Jahr abwarten. Ich glaube nicht, dass die Bundesligisten einen solch hohen Gamble mit einem solchen Spielertypen eingehen.
»Ich glaube, dass es immer noch unterschätzt wird, wie schwierig es ist wieder hochzukommen«
Warum schafft es eigentlich fast kein Absteiger direkt wieder aufzusteigen?
Von Burchard: Ich glaube, dass es immer noch unterschätzt wird, wie schwierig es ist wieder hochzukommen. Wie gesagt: Die Qualität der Pro A ist deutlich gestiegen. Zudem kann in den Play-offs wie im Vorjahr alles passieren. Die größte Gefahr besteht darin, dass man sich als Mannschaft zu sicher ist und sich zu sehr schon mit dem Aufstieg beschäftigt, obwohl man es sportlich überhaupt noch nicht geschafft hat. Gleichzeitig hat man in den meisten Fällen nicht dieses absolute Top-Niveau im Kader, um den Leistungsschwankungen komplett aus dem Weg zu gehen. Das Level an Wettbewerb ist dafür einfach zu hoch, dass das nicht bestraft wird. Vor allem in den Play-offs. Aber: Frankfurt hat im Vorjahr gezeigt, dass ein direkter Wiederaufstieg tatsächlich möglich ist.
Wem trauen Sie eine Überraschung in den Play-offs zu?
Von Burchard: Den Eisbären Bremerhaven. Ich sehe sie sogar als Geheimfavorit auf den Meistertitel. Sie spielen Teambasketball par excellence. Wenn man sich die einzelnen Spieler anschaut, darunter auch einige Jüngere, dann könnte man nicht denken, dass sie so gut sind. An oberster Stelle kommt dabei der Trainer. Was Steven Esterkamp an der Seitenlinie macht, ist wirklich beeindruckend. Er ist für mich ganz klar der Kandidat für den Trainer des Jahres. Bremerhaven ist am Ende sogar noch Vierter geworden, sie haben Trier und Jena geschlagen und sind jetzt eigentlich in der besten Verfassung der Saison. Das Viertelfinale gegen Gießen dürfte die spannendste Serie werden.
Sie müssen sich zum Schluss festlegen: Wer wird Meister? Wer steigt auf? Und wie geht das Viertelfinal-Duell der Tigers Tübingen aus?
Von Burchard: Ich tippe auf Jena als Meister und denke, dass Trier ebenfalls im Finale stehen wird. Für mich sind das einfach ganz klar die besten Mannschaften mit Blick auf die Kaderstärke. Bei Jena ist es sogar noch wahrscheinlicher in meinen Augen. Und die Tigers? Ich denke, dass es am Ende eine 0:3-Niederlage gegen Trier wird. Für mich wäre es aber schon eine Überraschung, wenn Tübingen ein Spiel gewinnen sollte. (GEA)