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»Wohltat und Schande«

Vor dem Start der Vesperkirche am kommenden Sonntag werden noch letzte Vorbereitungen getroffen. Eingespieltes Team sorgt für reibungslose Abläufe

Die Vorbereitungen für die Vesperkirche laufen: Getränkespenden werden ins Lager geräumt. FOTO: LEISTER
Die Vorbereitungen für die Vesperkirche laufen: Getränkespenden werden ins Lager geräumt. FOTO: LEISTER
Die Vorbereitungen für die Vesperkirche laufen: Getränkespenden werden ins Lager geräumt. FOTO: LEISTER

REUTLINGEN. »Da wird mir wieder ganz familiär zumute«, sagte Jörg Mutschler gestern Vormittag zu einem Zeitpunkt, als die 22. Reutlinger Vesperkirche schon eingeräumt und fast startklar war. Um 8.15 Uhr hatten die Helfer vom ökumenischen Leitungskreis sich in der Planie zusammen mit sechs Flüchtlingen getroffen, um eingelagerte Stühle, Tische und Gerätschaften zur Nikolaikirche zu transportieren. »Trotz Schneefalls und rutschiger Straßen gab es fast keine Beeinträchtigungen«, sagte Hans-Ulrich Röske.

Der Umbau der Citykirche (Nikolaiplatz 1) funktionierte also wieder reibungslos, eigentlich auch kein Wunder »angesichts eines großartigen eingespielten Teams, in dem jede und jeder weiß, was zu tun ist«, sagte Mutschler. »Das funktioniert wie bei einem alten VW, der läuft und läuft.« Unterstützung erhält der Vesperkirchenpfarrer in seiner geistlichen Tätigkeit in diesem Jahr von Dr. Joachim Rückle, der ab sofort in die Fußstapfen von Günter Klinger als Geschäftsführer des Diakonieverbands tritt.

Rückle wird am Sonntag während des Eröffnungsgottesdienstes die Predigt halten. »Für mich ist es was ganz Tolles, in meiner ersten Woche so tief hier einzutauchen«, betonte er. »Für mich ist es wichtig, den Zusammenhang darzustellen, dass die Menschenfreundlichkeit Gottes in der Vesperkirche sichtbar wird«, so Rückle. Die Vesperkirche ist laut Jörg Mutschler eine Wohltat für die Gäste: »Wer hier reinkommt, geht anders wieder heraus.« Aber, so Mutschler: »Das besondere Gasthaus am Rande der Wilhelmstraße ist auch ein Denkmal der Schande; dass nämlich die Armut auch in einer so reichen Stadt wie Reutlingen nicht sinkt, sondern weiter zunimmt.«

Bis zu 400 Mahlzeiten

Zu essen gibt es zum Auftakt der 22. Vesperkirche am Sonntag, 13. Januar, Kalbsbraten, Schupfnudeln, Gemüse und Joghurt (von Letzteren wurden erneut 5 000 Stück auf einmal gespendet). »Wir rechnen am Anfang wieder mit 230 Mahlzeiten pro Tag, die Zahl wird bis zum Schluss aber wohl wieder auf 400 täglich ansteigen«, meint Ulrich Soulier. Das Essen wird wie immer von der Bruderhaus-Diakonie-Großküche angeliefert – sollte Nachschlag erforderlich sein, sei auch das kein Problem, wie Mutschler erklärte. Die insgesamt fünf Fahrer um Röske beginnen morgens um 8 Uhr und sind dann auch zuständig, den Nachschlag zu holen oder Brot, Kuchen, Obst.

»Wir haben dieses Jahr 260 angemeldete ehrenamtliche Helfer«, sagte Gisela Braun. Dabei seien 60 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. »Eine Frau kommt sogar aus Regensburg angereist und eine aus Mittelfranken«. Und es werden auch wieder jede Menge Schüler mithelfen, obendrein Mitarbeiter und Azubis von Firmen.

Ebenfalls wie gewohnt werden Friseure vor Ort sein. Jeweils montags und mittwochs besteht die Möglichkeit, sich während der ersten beiden Wochen kostenlos frisieren zu lassen. Kostenlos sind wie vergangenes Jahr auch die Mahlzeiten, die Gäste werden an den Tischen bedient. »Das hat was mit Wertschätzung zu tun«, sagte Jörg Mutschler.

Kleine Kassen stehen auf den Tischen bereit, »das Essen finanziert sich rein über Spenden«. Günter Klinger freute sich gestern darüber, dass von den fast 100 000 benötigten Euro schon ein beträchtlicher Teil auf dem Konto der Vesperkirche eingegangen ist. »Es sieht wieder so aus, als ob wir ausreichend Spenden zusammenkriegen werden«, so Klinger.

Jeden Werktag bis auf mittwochs werden Ärzte in der Vesperkirche sein, um die Menschen zu untersuchen, mittwochs und freitags gibt es zudem eine Sozialberatung. Die Essenszeiten haben sich leicht verändert. Serviert wird zwischen 11 und 13.30 Uhr. »Und am Sonntag spricht zum letzten Mal Barbara Bosch in ihrer Funktion als Oberbürgermeisterin ein Grußwort«, freute sich Jörg Mutschler. (GEA)