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Aktuell OB-Wahl

Von Fußgängerzonen und Friseuren

Kontroverse Meinungen zum Aufregerthema. Dabei ging es nicht nur um Autos, ÖPNV oder Stadtbahn

Fragerunde an der symbolischen Bushaltestelle: Welcher Kandidat schafft es bis zum nächsten Halt, dem Rathaus?
Fragerunde an der symbolischen Bushaltestelle: Welcher Kandidat schafft es bis zum nächsten Halt, dem Rathaus? Foto: Gea
Fragerunde an der symbolischen Bushaltestelle: Welcher Kandidat schafft es bis zum nächsten Halt, dem Rathaus?
Foto: Gea

REUTLINGEN. Was wäre ein Wahlpodium ohne das Aufregerthema Verkehr? Die Fragerunde wurde passend auf ein unbequemes Bushaltestellen-Bänkchen verlegt, darüber symbolträchtig ein Schild »Nächster Halt Rathaus«. Kaum hatte Moderatorin Gisela Sämann die Reizworte Pförtnerampel, Tempo 40 auf der Lederstraße oder Fahrradstraße ausgesprochen und die Frage an CDU-Kandidat Dr. Christian Schneider über die Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen gerichtet, kam Stimmung auf im Saal. Das Hinweisschild »Sei schlau, umfahr den Stau« auf der B 28 ärgere ihn. Lauter Beifall, Pfiffe. Das sei als Aufforderung zu verstehen, quasi einen Bogen um die Stadt zu machen, meinte Schneider. Ein schlechtes Signal an die Bürger einer »Großstadt, die um Attraktivität wirbt und den Einzelhandel fördern will«. Er setze auf Anreize, nicht Verbote, so Schneider weiter. Noch lauter wurde der Beifall, als er als »Negativbeispiel« die Charlottenstraße nannte und dafür plädierte, die Umwandlung zur Fahrradstraße rückgängig zu machen. »Man muss auch mal den Mut haben, Dinge zu ändern, wenn sie sich nicht bewährt haben.«

Gleich danach das nächste Reizthema: die Dietwegtrasse. Von SPD-Kandidat Thomas Keck kam ein »ja« zum Straßenbau und dazu ein »aber«, nämlich mit Tunnel. Ob er denn ernsthaft glaube, dass sich der Bund auf eine so kostspielige Lösung einlasse, bohrte GEA-Lokalchef Roland Hauser nach. »Der Bund muss, sonst ist die Straße nicht zu bauen.« Einmal mehr sprach sich Thomas Keck gegen einen Straßen-Albaufstieg aus, denn der gehe auf Kosten der Wasserquellen im Echaztal. »Ich halte das für ein Sakrileg«, zeigte Keck Kante und forderte, die Regionalstadtbahn bis Engstingen zu führen.

Die Dietwegtrasse schade der Umwelt und führe zum Verkehrschaos im Umland, begründete Grünen-Kandidatin Cindy Holmberg ihre Ablehnung. Man müsse sich auf einen Verkehrsmix konzentrieren und Geld in die Hand nehmen, um die Bezirksgemeinden besser ans Busnetz anzuschließen. »Wir brauchen neue Lösungen«, forderte sie. Und natürlich die Regionalstadtbahn. »Die Fördermittel sind da, wir sollten es angehen.«

Ein Gegner der Dietwegtrasse ist auch Andreas Zimmermann (Die Partei). »Das funktioniert nicht.« Auch eine Innenstadtbahn funktioniere nicht, »weil wir den Platz dafür nicht haben und Bäume gefällt werden müssten«. Es brauche »Hirnschmalz« und sinnvolle Lösungen – welche, verriet der Kandidat nicht.

Dr. Carl-Gustav Kalbfell (FDP) forderte eine Versachlichung des »hoch emotionalen« Themas Verkehr. Ob Dietwegtrasse, Seilbahn – »alle Fakten müssen auf den Tisch«. Der ÖPNV in Reutlingen werde                                          zwar attraktiver,                                                 Verbesserungs-                                             bedarf sehe er aber im Naldo-Bereich. Und, so Carl-Gustav Kalbfell: »Die Regionalstadtbahn braucht den engen Schulterschluss mit den Nachbarkommunen.«

»Man müsste eher die Parkgebühren senken«

Trotz beengter Sitzpositionen auf dem Bus-Bänkchen kam Bewegung in die Runde, als es um die autofreie Innenstadt ging, die Cindy Holmberg fordert. »Die Autos sollen in die Stadt, aber nicht in den Altstadtring«, präzisierte sie. Die Reutlinger sollten an der Echaz schlendern, sich in Cafés im Gerberviertel aufhalten können. Mit Park-Such-Verkehr funktioniere das nicht. Prompt zogen die Mitbewerber ihre Widerspruch-Jokerkarten. Die Einzelhändler in der Innenstadt, die ohnehin um Kunden kämpfen müssten, lehnten solche Pläne ab, so Carl-Gustav Kalbfell. »Man müsste eher die Parkgebühren senken.«

Reutlingen habe Potenzial für Fußgängerzonen, meinte Christian Schneider, die müsse man aber gemeinsam gut planen. »Wer hat schon Lust, in einer Fußgängerzone zu flanieren, in der nur ein Friseurladen neben dem anderen ist?«, fragte er ins johlende Publikum. Roland Hauser wehrte sich dagegen, alles über einen Kamm zu scheren. »Mein Friseur ist heute auch im Saal. Wir brauchen Sie!«

Andreas Zimmermann plädierte dafür, die Fußgängerzone auf die Metzgerstraße auszudehnen. Thomas Keck griff das Stichwort Parkgebühren auf. Sie »runter zu subventionieren« führe alle Bemühungen um einen leistungsfähigeren ÖPNV ad absurdum. »Wir müssen die Leute dazu bringen, ihr Heiligs Blechle in der Garage zu lassen.« (GEA)