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Stadt Reutlingen verwandelt Fundräder zu Schnäppchen

Zweimal im Jahr versteigert das Fundbüro des Bürgeramtes Reutlingen Fahrräder. Ein Ereignis mit hohem Unterhaltungswert bei niedrigen Verkaufspreisen.

Auktionator Holger Schlosser versteigert stehend auf einem ausrangierten Tisch. Bertram Metzger sorgt dafür, dass die Fahrräder
Auktionator Holger Schlosser versteigert stehend auf einem ausrangierten Tisch. Bertram Metzger sorgt dafür, dass die Fahrräder nicht umkippen. Foto: Stephan Zenke
Auktionator Holger Schlosser versteigert stehend auf einem ausrangierten Tisch. Bertram Metzger sorgt dafür, dass die Fahrräder nicht umkippen.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Nur einen Euro will Auktionator Holger Schlosser für das Damenfahrrad haben, da wäre man dämlich nicht zuzugreifen. »Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten«, ruft Schlosser in die Runde vor einer Wellblechhalle des Gönninger Bahnhöfles an der Tübinger Straße. Normalerweise ist der Mann mit der ovalen Brille und dem schwarzen Käppi Sachbearbeiter im Bürgeramt, aber an diesem Freitag ist nichts normal. Denn wenn das Fundbüro der Stadt Reutlingen Zweiräder versteigert, deren Besitzer sich innerhalb der gesetzlichen Frist von einem halben Jahr nicht gemeldet haben, wird's super preiswert und sagenhaft lustig.

Das Publikum ist kritisch und alles andere als im Kaufrausch.
Das Publikum ist kritisch und alles andere als im Kaufrausch. Foto: Stephan Zenke
Das Publikum ist kritisch und alles andere als im Kaufrausch.
Foto: Stephan Zenke

»Der Wolf ist zurück«, verkündet Schlosser, als ein ziemlich verbogener Drahtesel der Marke Wolf auf dem improvisierten Podest steht. Ein anderes Mal meint er, dass dieses Türkis des Fahrradrahmens bestens zu bunten Turnschuhen passe. Oder er liefert sich ein kleines Wortgeplänkel mit einem, der bei jedem Gebot laut »Ja« sagt, wo doch ein gehobener Arm reichen würde. »Junge, Du machst mich echt fertig«, ruft Schlosser, nachdem der Bieter ein Rad nach dem anderen ersteigert. »Die kommen als Spende in einem Container nach Afrika«, erklärt der eifrige Käufer.  Billiger geht's jedenfalls nicht.

Die allermeisten der rund 100 aufgefundenen Zweiräder gehen an diesem Freitag für um die 20 Euro weg, selbst ein E-Bike erzielt nicht mehr. Zahlreiche Drahtesel kosten weniger als ein Pappbecher Kaffee. Erstaunlicherweise erzielt der kleine bunte Kinderroller einen Endverkaufspreis von fünf Euro. Das ist es der Mammi der kleinen Lea wert, ein Lächeln auf das süße Gesicht ihres Töchterchens zu zaubern. Die Schnäppchen haben dabei einen Haken.

Nur Bargeld lacht. An der Kasse sitzen (von links) Gudrun Brendle, Anja Vaz und nicht sichtbar auch Damaris Hohloch.
Nur Bargeld lacht. An der Kasse sitzen (von links) Gudrun Brendle, Anja Vaz und nicht sichtbar auch Damaris Hohloch. Foto: Stephan Zenke
Nur Bargeld lacht. An der Kasse sitzen (von links) Gudrun Brendle, Anja Vaz und nicht sichtbar auch Damaris Hohloch.
Foto: Stephan Zenke

»Gekauft wie gesehen und ohne Garantie«, verkündet Auktionator Schlosser zu Beginn der Veranstaltung. Deswegen gibt's eine halbe Stunde vor der Versteigerung auch genügend Gelegenheit die Ware im Stand zu begutachten. Da wird geschoben, gedreht, gebremst und zur Probe gesessen - falls denn ein Sattel vorhanden ist. Wenn Auktionator Sommer dann wort- und gestenreich zur Tat schreitet, wissen nur Eingeweihte wieso er diesen Job seit Jahrzehnten macht: Weil er auch als Schauspieler auf der Bühne des Naturtheaters Reutlingen steht. In der vergangenen Saison konnte ihn das Publikum als fiesen kleinen Lord Farquaad beklatschen. Bei der Fahrrad-Versteigerung ist der Mann aber nicht fies, sondern überaus freundlich. So wie die Damen, die das alles organisiert haben.

Für die kleine Lea hat Mama einen schicken Tretroller ersteigert.
Für die kleine Lea hat Mama einen schicken Tretroller ersteigert. Foto: Stephan Zenke
Für die kleine Lea hat Mama einen schicken Tretroller ersteigert.
Foto: Stephan Zenke

An der Kasse sitzen mit Anja Vaz, Gudrun Brendle und Damaris Hohloch drei freundliche Mitarbeiterinnen des Bürgeramtes, die ein Herz für die rollenden Geschäfte haben. Maximal lächelnd kassieren sie minimale Summen, und stellen brav handschriftliche Quittungen aus. Zack, schlappe 40 Euro für ein Zündapp E-Bike. Klingeling, nur sieben Taler für ein blaues Herrenfahrrad, das ein junger Mann mit Rucksack nach Hause schieben darf. Das Klingeln kommt vom Versteigerer, der eine Fahrradklingel am Finger trägt. In gut zwei Stunden ist die Hundertschaft an Schnäppchen unters Volk gebracht. Der Erlös wandert in die Stadtkasse, den Ertrag hat die Bürgerschaft in Form von Fahrrädern fast zum Nulltarif. Wer diese Versteigerung verpasst hat, bekommt garantiert im kommenden Frühjahr die nächste Chance ein gutes Geschäft zu machen. (GEA)