REUTLINGEN. Erstmals wurde in Reutlingen eine Ausbildung »Gottesdienst und spirituelle Begleitung in Betreuung und Pflege« abgeschlossen und die Teilnehmenden für ihren Dienst in einer ökumenischen Feier in der Nikolaikirche eingesegnet. Hinter dem etwas sperrigen Titel verbirgt sich, dass Mitarbeitende in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe sowie der Sozialpsychiatrie befähigt werden, Andachten zu halten und über den christlichen Glauben ins Gespräch zu kommen.
In kleineren Formaten
In Zeiten des strengen Lockdowns war es nämlich kaum möglich, dort in bislang vertrauten Formaten Gottesdienste zu feiern. Weder konnte die Gesamteinrichtung alle Bewohner versammeln, noch waren Besucher von außen zugelassen. Die Gottesdienste wurden von den Bewohnerinnen und Bewohnern vermisst, so dass die Idee entstand, Mitarbeitende, die ohnehin in Pflege oder Betreuung in den Häusern arbeiten, fortzubilden, um in kleineren Formaten Gottesdienst zu feiern.
Evangelische und katholische Gesamtkirchengemeinde Reutlingen, Bruderhaus-Diakonie, Keppler-Stiftung und die Reutlinger Altenhilfe (RAH) fanden sich zu einer träger- und konfessionsübergreifenden Kooperation zusammen und begannen im Juni 2021 mit einem ersten Treffen. »Zwölf hoch motivierte Frauen und Männer«, so das einhellige Urteil des Leitungsteams, absolvierten die Fortbildung an zwei Wochenenden, zwei eintägigen Veranstaltungen und in einer Praxisphase.
Freude über die neuen Kräfte
Finanziert wurde das Ganze durch die Kirchengemeinden und die Landeskirche. Deren Vertreter bekundeten bei der Abschluss- und Segnungsfeier ihre Freude über die neuen Kräfte, die keineswegs »Aushilfen« in Krisenzeiten seien, sondern den Bewohnerinnen und Bewohnern neue Möglichkeiten der Begleitung im Glauben böten. Der evangelische Dekan Marcus Keinath griff dazu ein Bild von einem Engel aus der Marienkirche auf: Wie die Engel Sinnbild für die Zuwendung Gottes seien, sollten die nun Beauftragten die Zuwendung Gottes zu den ihnen anvertrauten Menschen tragen.
Keineswegs nur Kirchen und Kapellen, sondern jeder Ort sei heiliger Boden, an dem man einem Menschen von Angesicht zu Angesicht begegne, da man in ihm Gottes Angesicht sehen könne, sagte Pfarrer Matthias Dangel, Leiter der katholischen Pfarrei St. Lukas, zu den Orten, an denen man Gottesdienst feiern könne, »auch wenn es dort nicht nach Weihrauch riecht«.
Nicht nur in Kirchen
Der Theologische Vorstand der Bruderhaus-Diakonie Dr. Bernhard Mutschler brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Begeisterung für den Glauben nicht nur den Bewohnerinnen und Bewohnern der Einrichtungen zugutekomme, sondern auch auf die Kollegien überspringe. Pfarrerin Gudrun Ederer von der Fachstelle Gottesdienst der Evangelischen Landeskirche in Württemberg hob hervor, dass im Rahmen der Initiative »Ehrenamtliche feiern Andacht« der Landeskirche der Reutlinger Kurs Modellcharakter habe. Sie beglückwünschte die Beauftragten zu ihrer neuen Aufgabe.
Ausgearbeitet und begleitet hat den Kurs ein Leitungsteam der verschiedenen Kooperationspartner: Pfarrerin Sabine Großhennig, Evangelische Gesamtkirchengemeinde, Pfarrerin Katrin Zürn-Steffens, Bruderhaus-Diakonie, Sozialarbeiterin Katja Badstöber, Anlaufstelle Demenz und Sozialdienst im Gertrud-Luckner-Haus, und die beiden Diakone in der Reutlinger Altenheimseelsorge Uli Letzgus, katholisch, und Martin Schmid, evangelisch. (GEA)