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Aktuell Flüchtlinge

Reutlinger Landrat und die Dekane der großen Kirchen bitten um Hilfe

Während der russische Angriffskrieg auf die Ukraine kein Ende findet, fliehen immer weiter Menschen vor den Bomben und den Folgen des Krieges. Auch in Reutlingen und der Region werden deshalb weiter Unterbringungsmöglichkeiten gesucht.

Dekan Norbert Braun, Dekan Michael Karwounopoulos, Landrat Dr. Ulrich Fiedler, Dekan Hermann Friedl und Dekan Marcus Keinath (vo
Dekan Norbert Braun, Dekan Michael Karwounopoulos, Landrat Dr. Ulrich Fiedler, Dekan Hermann Friedl und Dekan Marcus Keinath (von links) rufen gemeinsam dazu auf, Unterkünfte für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Foto: Landratsamt Reutlingen
Dekan Norbert Braun, Dekan Michael Karwounopoulos, Landrat Dr. Ulrich Fiedler, Dekan Hermann Friedl und Dekan Marcus Keinath (von links) rufen gemeinsam dazu auf, Unterkünfte für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen.
Foto: Landratsamt Reutlingen

REUTLINGEN. Der Landrat des Kreises Reutlingen, Dr. Ulrich Fiedler, und die Dekane der evangelischen und katholischen Kirche in der Region haben sich zusammengetan und einen Aufruf gestartet. Darin heißt es: 

Täglich erreichen uns schreckliche Nachrichten und Bilder aus der Ukraine. Mehrere Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, sind auf der Flucht vor dem grausamen Krieg und seinen Folgen. Weiterhin suchen auch Geflüchtete aus anderen Ländern bei uns Schutz vor Gewalt und Verfolgung, für die die Kommunen dringend Unterkünfte benötigen.  

Die Dekane der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden starten deshalb zusammen mit Landrat Dr. Ulrich Fiedler einen Aufruf: Gesucht werden Immobilienobjekte, die für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden können.  

Flüchtlingssituation im Landkreis 

Derzeit befinden sich bereits mehr als 2.800 ukrainische Geflüchtete im Landkreis Reutlingen. Hinzukommen etwa 600 Asylbewerber, die im Jahr 2022 bislang im Landkreis aufgenommen wurden. Und die Zahl der Geflüchteten wird weiter ansteigen. Der Kreis bereitet sich darauf vor, dass die Zuweisungszahlen deutlich zunehmen werden. Erwartet werden Zugänge vergleichbar zu September als bis zu 90 ukrainische Geflüchtete pro Woche aufgenommen wurden.  

»Die Flüchtlingsunterbringung ist eine gewaltige Kraftanstrengung und das schon seit Monaten. Inbesondere bei steigenden Zuweisungen werden wir die Geflüchten nicht mehr versorgen können und benötigen daher dringend weitere Unterbringungsmöglichkeiten. Plätze werden sowohl für die vorläufige Unterbringung des Landkreises als auch in der Anschlussunterbringung der Städte und Gemeinden händeringend gesucht«, betont Landrat Dr. Ulrich Fiedler. »Mit unseren Städten und Gemeinden stehen wir bei der Flüchtlingsunterbringung in ständigem Austausch und arbeiten hier hervorragend zusammen.« 

Nach den sehr hohen Zugangszahlen sind zuletzt deutlich weniger Geflüchtete aus der Ukraine im Landkreis angekommen. Grund dafür ist das Verteilungssystem des Bundes. Dies bedeutet jedoch für den Landkreis nur eine vorübergehende Erleichterung. Denn Baden-Württemberg hat im Ländervergleich bislang mehr als 7.000 Personen zu wenig aufgenommen. Dieses Minus wird Baden-Württemberg zukünftig ausgleichen müssen. Hinzu kommt, dass der Bund bedingt durch die kalten Temperaturen und die Versorgungslage in der Ukraine von weiter deutlich steigenden Flüchtlingszahlen ausgeht. Dabei nimmt der Anteil der ukrainischen Geflüchteten in kommunaler Unterbringung immer weiter zu. Während zu Beginn des Krieges noch etwa zwei Drittel privat untergebracht waren, leben mittlerweile mehr als die Hälfte der ukrainischen Geflüchteten in Unterkünften des Landkreises oder der Städte und Gemeinden. 

Dekane unterstützen Suche nach Objekten für Unterbringung 

Ausgehend von dieser Lage ist bei einem Treffen des Landrats mit den Dekanen Hermann Friedl (Katholisches Dekanat Reutlingen-Zwiefalten), Marcus Keinath (Evangelisches Dekanatamt Reutlingen), Michael Karwounopoulos (Evangelisches Dekanatamt Bad Urach) und Norbert Braun (Evangelisches Dekanatamt Münsingen) die Idee für den gemeinsamen Aufruf entstanden. 

Dekan Norbert Braun ermutigt die Bürgerinnen und Bürger zu helfen: »,Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an‘. Das sagt der Auferstandene der Gemeinde in Laodizea. Offenbarung 3,20. Die Menschen dort waren durch die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wohlhabend und reich. Gleichzeitig zeigten sie jedoch kein klares christliches Profil. Das machte sie in Gottes Augen arm und ,ungenießbar‘. Darum will Christus zu ihnen kommen. Ob sie ihm die Tür aufgemacht haben, ist nicht überliefert. Wichtiger ist allerdings auch die Frage: Machen wir die Türen auf, damit er zu uns kommen kann? Vielleicht in der Gestalt eines Bedürftigen? Ich denke, wir sollten ihn nicht draußen stehen lassen und uns daran erinnern, dass er einmal gesagt hat: ,Wer dieses Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.‘ Lukas 9,48. Eine Gemeinschaft, die das tut, wird nicht arm, sondern reich.«  

Mit Blick auf Weihnachten erklärt Dekan Marcus Keinath: »Der Satz aus der Weihnachtsgeschichte ‚und sie fanden keinen Raum in der Herberge‘ macht immer wieder betroffen. So wie damals bei Maria und Josef darf es bei uns in diesem Winter nicht sein. Die Not der Geflüchteten ist ohnehin schon groß genug. Ich bin dankbar für alle Möglichkeiten zur Unterbringung, die in den nächsten Wochen und Monaten zusätzlich auch in unseren Kirchengemeinden ermöglicht werden können, so dass es heißen darf: ‚Und sie – die Geflüchteten – finden Raum in vielen Herbergen!‘«  

Dekan Hermann Friedl verweist auf das Ökumenische Hausgebet, zu dem die christlichen Gemeinden im Advent einladen: »Das jährlich am Montag nach dem 2. Advent stattfindende Ökumenische Hausgebet wird ganz bewusst nicht in den Kirchen abgehalten, sondern in den Wohnungen und Häusern der Gläubigen. Bekannte, Nachbarn, Flüchtlinge und Menschen auf der Straße versammeln sich um «Das Licht der Welt» (Johannes 8,12) - Jesus Christus. Nicht selten werden dabei aus scheinbar Fremden Freunde. Es ist eine konfessionsübergreifende Initiative für gesellschaftlichen Zusammenhalt und gelebte christliche Werte und ein nötiger Zündfunke, Menschen auf der Flucht kurz- und mittelfristig ebenfalls heimatlichen Raum zu bieten und unsägliche Kälte- und Hungersnot zu lindern.«  

»Angesichts des nahenden Winters bitte ich die Kirchengemeinden in unserem Kirchenbezirk um Hilfe bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen. Wir wollen als Kirche zeigen, dass uns die Not der unter Flucht und Vertreibung leidenden Menschen nicht gleichgültig ist. Die Kirchengemeinden vor Ort werden gebeten, zu prüfen, wer Quartiere anbieten kann, sei es in privaten oder gemeindeeigenen Räumen«, ergänzt Dekan Michael Karwounopoulos.  

Landrat Dr. Ulrich Fiedler unterstreicht: »Es freut mich sehr, dass die Dekane unsere Suche mit dem gemeinsamen Aufruf unterstützen und auch eigene Liegenschaften zur Verfügung stellen möchten. Dafür sowie für die Unterstützung, die aus den Reihen der Pfarrgemeinden und kirchlichen Einrichtungen bereits geleistet wird, danke ich ganz herzlich. Großartig, wie viele Menschen sich auch aus den unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft engagieren. Das ist gerade in der aktuellen Situation keine Selbstverständlichkeit.«  

Welche Objekte werden gesucht?  

Um weitere Unterbringungskapazitäten zu schaffen, kommen verschiedenste Objekte in Betracht - von Wohnungen bis Lagerflächen. Ideal sind Wohngebäude, beispielsweise Herbergen oder Gaststätten, die ohne größere bauliche Veränderungen als Flüchtlingsunterkunft möglichst kurzfristig genutzt werden können. Gleichzeitig wird an mittel- und längerfristigen Lösungen gearbeitet. In Frage kommen dabei auch Lagerhallen oder Lagerflächen, die u.a. mittels Containern als Unterkünfte genutzt werden können. Da Container, Material sowie Kapazitäten bei Handwerkern und im Tiefbau sehr knapp sind, wird bei solchen Objekten ein längerer Vorlauf benötigt. Eine gewisse Infrastruktur mit Kanalisation und Stromanbindung sollte vorhanden sein sowie befestigter Untergrund. Weiterhin werden natürlich auch Wohnungen für Geflüchtete gesucht. 

Bürgerinnen und Bürger, die möglicherweise geeignete Objekte anbieten können, werden gebeten, sich bei ihrer Stadt bzw. Gemeinde oder beim Landratsamt Reutlingen zu melden (Frau Allgaier: ma.allgaier@kreis-reutlingen.de, 07121 480-1322 oder Frau Fröhlich: m.froehlich@kreis-reutlingen.de, 07121 480-1338). (pm)