REUTLINGEN. Böllern oder nicht Böllern – das ist in Zeiten von Feinstaubalarm und Klimawandel eine Frage, die sich vielen stellt. Einige Kommunen haben vor diesem Hintergrund erstmals die Reißleine gezogen und komplette, zumindest aber partielle Feuerwerksverbote ausgesprochen. Die Insel Sylt ist so ein Kandidat, aber auch Stuttgart, Braunschweig und Dortmund dulden längst nicht mehr überall in ihrem Stadtgebiet Raketen. Derweil die Deutsche Umwelthilfe auf eine grundsätzliche Änderung der Sprengstoffverordnung drängt und sich sogar beim Handel das Öko-Gewissen regt. Einige SB- und Baumärkte haben jedenfalls angekündigt, heuer keine Pyrotechnik mehr anbieten zu wollen. Wie aber halten es die Verbraucher mit Schall und Rauch zum Jahreswechsel? Lassen Sie’s weiterhin krachen? Der GEA holte auf der Wilhelmstraße Meinungsstichproben ein.
Unter anderem bei Erika Hamann, die ihr Geld nach eigenem Bekunden noch nie für »Knallkörper verpulvern wollte«. Augenzwinkernd sagt die 63-Jährige, dass sie »den Aberglauben an böse Geister längst überwunden« hat und deshalb locker darauf verzichten kann, die »wilde Jagd oder wen auch immer mit Raketen« zu vertreiben. »Wer jetzt noch böllert und dadurch die Umwelt schädigt, ist ignorant und verantwortungslos«, findet Hamann.
Was sie mit Rolf Marquart (53) eint. »Früher, als die Kinder klein waren, haben wir’s auch krachen lassen. Aber immer gemäßigt. Und seit gut zehn Jahren kaufen wir überhaupt keine Pyrotechnik mehr ein.« Aus ökologischen Gründen? »Weniger. Uns ist das Geld fürs Ballern schlichtweg zu schade. Dass wir durch unsere Haltung außerdem der Umwelt etwas Gutes tun, ist zwar ein positiver Nebeneffekt, aber – da will ich ehrlich sein – keineswegs die Hauptmotivation.«
Ganz anders Özlem und Can Kemal, die sich die Knallerei zum Jahreswechsel nicht vermiesen lassen wollen. »Dem Klimaschutz zuliebe verzichten wir auf andere Sachen.« Und auf was? »Wir haben kein Auto. Wir fahren Bus oder laufen. Darum haben wir auch überhaupt kein schlechtes Gewissen, wenn wir an Silvester Feuerwerk machen. Unsere Ökobilanz ist trotzdem besser als die von SUV-Fahrern oder Vielfliegern und so.«
Ob das auch auf den grünen Fußabdruck von Juan-Pablo Gomez zutrifft, sei dahingestellt. Fakt ist, dass der 24-Jährige Feuerwerk mag. »Ich schaue es mir gerne an, muss aber nicht unbedingt selber Raketen abfeuern.« Begrüßen würde es der Wahl-Tübinger, wenn die Stadt ein »zentrales Feuerwerk für ihre Bürger« ausrichten würde. Nach spanischem Vorbild, wie er betont. »Dass hier jeder selber Feuerwerk macht, ist für mich seltsam. Das ist auch nicht so schön, wie wenn Profis eine komponierte Show zünden.«
Eine solche wäre auch nach dem Geschmack von Franco Buscemi, der derlei feurige Veranstaltung aus Italien kennt. »Dort gibt es meines Wissens nirgendwo private Silvesterfeuerwerke, sondern ausschließlich von Städten organisierte.« Auf Sizilien, in Turin und Triest hat er derlei Feuerzauber schon miterlebt – und fand ihn klasse. Ob er’s am 31. Dezember selbst krachen lässt? Nur in Form eines »Kinderfeuerwerks« für seinen Sohn Fabio, also »in ganz kleinem Rahmen«. Denn Pyrotechnik »geht mega ins Geld, schadet der Umwelt und versetzt Tiere in Angst und Schrecken.« Kurz: Die Nachteile überwiegen.
Eine Auffassung, die Buscemi mit Mara Schnitzler teilt. »Für mich«, sagt sie, »wäre ein städtisches Event möglichst mit Lasern statt Raketen ein echter Kompromiss.« Prinzipiell könnte die Reutlingerin aber »locker ganz auf jedwede Knallerei verzichten. Die verpestet die Luft und verschmutzt die Straßen.«
Außerdem ist sie gefährlich. »Ich habe schon einmal gesehen, wie jemand durch Knallkörper verletzt wurde.« Spätestens seit diesem Moment rührt Cherrity Bayer (34) keine Pyrotechnik mehr an. Von generellen Verboten hält die Pfullingerin trotzdem nichts. Ihr Vorschlag: Feuerwerkskörper kontingentiert abgeben. »Wenn jeder nur 20 statt 100 Raketen kaufen darf, wäre das zielführend.«
Und Markus Heller? Der begründet seine Feuerwerks-Abstinenz damit, dass »ich aus dem Alter raus bin, in dem man Geld in Raketen und Böller investiert.« Der von pyrotechnischen Produkten verursachte Feinstaub interessiere ihn weniger. »Da haben wir ganz andere Probleme. Ich denke zum Beispiel an die ganzjährige Umweltbelastung durch den Verkehr.«
Derweil sich Simone und Marcus Wagner »noch niemals« fürs Silvesterfeuerwerk erwärmt haben. Beide finden sie’s unnötig wie den sprichwörtlichen Kropf. Einzige Ausnahme: »Für die Kinder haben wir früher Knallerbsen und Wunderkerzen gekauft.« (GEA)