REUTLINGEN. Die Jugend- und Drogenberatung des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation (bwlv) sei eine unverzichtbare Hilfe für suchtgefährdete und abhängigkeitserkrankte Menschen in der Stadt und dem Landkreis Reutlingen, sagt Jeanette Merges, Leiterin der Einrichtung in der Albstraße 70/1. Das hat sich nach den Worten von Nathalie Dennenmoser gerade in den zurückliegenden Monaten der Pandemie gezeigt: Mehr und mehr Klienten der Beratungsstelle »sind aus ihren sozialen Netzen gefallen, verelendet und vereinsamt«, so die stellvertretende Leiterin der Reutlinger Jugend- und Drogenberatung.
Als das Kontaktcafé in der Metzger-straße im vergangenen Juni endlich wieder öffnen konnte, war das wichtig für die Besucher. Der Andrang sei enorm. »So gut wie alle Stammbesucher sind geimpft«, beschreibt Dennenmoser. Auch das sei vor allem auf die Beziehungsarbeit der bwlv-Mitarbeiter zurückzuführen – »schließlich sind viele unserer Klienten chronisch mehrfach erkrankt und deshalb noch viel mehr einem Infektionsrisiko ausgesetzt«, erklärt Merges. Der Unterschied zu den Drogenabhängigen, die nicht in das Kontaktcafé kommen, sei augenfällig: »Wenn wir bei unserer regelmäßigen, aber viel zu seltenen Streetwork-Arbeit auf der Straße auf Abhängige treffen, begegnet uns oft eine Null-Bock- oder Mir-doch-egal-Haltung«, so Dennenmoser.
Minus wird größer
Genau dem werde im Kontaktcafé entgegengewirkt – durch Vertrauensaufbau und Beziehungsarbeit. »Deshalb bräuchten wir dringend mehr Kapazitäten, um konsequente Streetwork- und Präventionsarbeit betreiben zu können«, sagt Jeanette Merges. Die beiden Fachfrauen könnten beide Tätigkeiten nur sporadisch ausüben. »Und wir sind ja für den ganzen Landkreis zuständig, eine ganze zusätzliche Stelle wäre dringend vonnöten.« Aber: Da müssten die Geldgeber mitmachen. Die Arbeit der Beratungsstelle wird von Land, Stadt und Landkreis finanziert. Aufgrund der finanziellen Nöte wurden die Gelder der Stadt eingefroren – was bedeutet: Die dynamische Entwicklung der Gehälter der Mitarbeiterschar könne nicht finanziert werden, »das Minus, das wir mit uns rumschleppen, wird immer größer«, betont Merges.
Einigermaßen auskömmlich finanziert sei der Bereich des ambulant betreuten Wohnens (ABW): 2018 wurde der Bereich angegangen, »wir sind mit rund zehn Betreuten noch am Aufbau der Arbeit«, betont Dennenmoser. Aber: Die Erfolge würden sich schon deutlich zeigen, die Klienten fänden mit der Hilfe einen deutlich besseren Weg zurück ins Leben als ohne. Insgesamt hat die Jugend- und Drogenberatungsstelle in der Albstraße im vergangenen Jahr fast 760 Menschen betreut, darunter 76,5 Prozent männlich. »Dieses Jahr werden es auch nicht weniger sein«, prognostiziert die Beratungsstellen-Leiterin.
»Unsere Zielgruppe sind alle Menschen, die illegale Drogen konsumieren.« Zuständig ist die Beratungsstelle aber auch für Alkohol- und Medikamenten-Abhängige, Spielsüchtige bis 24 Jahre sowie deren Angehörige, Eltern, Partner.
»Soziale Nicht-Integration kostet Unsummen«, betont Merges. Laut einer Studie würde ein Euro, der in Integration investiert wird, 28 Euro an Folgekosten der Sucht verhindern. »Langfristig ist es immer günstiger, Leute frühzeitig zu unterstützen.« Überzeugt zeigen sich die Fachfrauen, dass ihre Arbeit auf der Straße, im Kontaktcafé, beim Betreuten Wohnen oder auch beim Projekt »Fit Kids« wirkt und hilft – »und das gilt nicht ›nur‹ für unsere Klienten, sondern auch volkswirtschaftlich betrachtet«, sind sich Jeanette Merges und Nathalie Dennenmoser einig. Am 10. November weist im Übrigen bundesweit ein »Aktionstag Suchtberatung« auf die Bedeutung der Beratung von Abhängigen hin. (GEA)