REUTLINGEN. Zwischen »Atem anhalten« und »krassem Sprint« bewegt sich die Arbeit der Integrationsmanager des Landkreises während der Corona-Pandemie. Nachdem alle Behörden geschlossen waren, blieben die Integrationsmanager die einzigen Ansprechpartner derjenigen, die in den Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind, erklärte Anna Bentele, Sachgebietsleiterin Soziale Dienste in der Abteilung Unterbringung und Betreuung von Obdachlosen und Flüchtlingen, im Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschuss (VKAS). Die Integrationsmanager wurden zur Schnittstelle, die von den Geflüchteten wertgeschätzt wird. »Das Vertrauen ist gestiegen«, sagt Bentele.
Einzige Ansprechpartner
Die 18 Mitarbeiter, die auf 14 Stellenanteile verteilt sind, arbeiten derzeit im Schichtsystem. »An den Präsenztagen herrscht viel Druck«, sagt Bentele. Zwischen sechs und 30 Kontakte hat ein Mitarbeiter, der im Tandem mit dem Unterkunftsbetreuer zusammenarbeitet. Wird von zu Hause aus gearbeitet, sind es fünf bis zehn Kontakte.
Insgesamt hat sich die Zahl der Kontakte pro Mitarbeiter fast verdoppelt. Waren es 2017 noch fünf Kontakte am Tag, sind es heutzutage neun. Auf das Jahr gerechnet stieg die Zahl von 1 200 bis 1 400 auf 1 700 bis 2 400 Kontakte. »Wenn wir voll besetzt sind, ist die Arbeit machbar, wenn nicht, würden wir langfristig die Leute massiv verheizen«, sagte Bentele.
Themen, wie Geld und Leistungen, Kinder und häusliche Gewalt, Gesundheit, Wohnen, Arbeit, Sprache, Teilhabe, Weiterbildung beschäftigen die Menschen. Arbeit, Konflikte und Wohnung standen als Themen in den vergangenen Wochen im Vordergrund. Die Einschränkungen erhöhten die Konflikte in den Unterkünften. Zehn bis 15 Bewohner in der Erwin-Seiz-Straße haben ihre Arbeit verloren, weil sie zwei Mal für je zwei Wochen in Quarantäne mussten. Überraschend war, dass es so viele Auszüge wie schon lange nicht mehr gab, sagte Bentele. Es sei den Ehrenamtlichen – etwa 16 Gruppen engagieren sich – zu verdanken, dass die Wohnungen vergeben wurden.
Wichtig: Struktur
Mit der neuen Wohnung gehen die Menschen einen wichtigen Schritt in die Unabhängigkeit. Jedoch verlassen sie damit auch ein gut strukturiertes Umfeld, was gerade am Anfang eine gute Begleitung notwendig mache, betonte Stefan Milles, Abteilungsleiter Unterbringung und Betreuung von Obdachlosen und Flüchtlingen. Es kommen in dem Zusammenhang auch häufig Themen aus der Vergangenheit der Menschen auf, die sie in der Unterkunft verdrängt haben. Schwierig wird es dann, wenn sie eine Arbeit finden oder verlieren und dadurch Lücken bei den Mietzahlungen entstehen und sie im schlimmsten Fall die Wohnung verlieren. Bei Obdachlosigkeit ist die Herkunft zweitrangig, denn dann gehe es vorrangig um die Unterbringung, erklärte Milles. Die Unterbringung ist generell ein drängendes Thema für die Stadt. Die GWG Reutlingen nahm Verwaltungsbürgermeister Robert Hahn vorsorglich aus der Kritik: »Die GWG müht sich sehr und unterstützt uns«, betonte er. Es sei ihre Aufgabe, der breiten Bevölkerung Wohnraum zu vermitteln.
Mittelfristig muss die Stadt weitere Plätze schaffen, entweder wegen des baulichen Zustands der Gebäude oder endenden Mietverträge. Allein mit der ehemaligen Ypern-Kaserne wird für die städtebauliche Entwicklung eine Unterkunft mit 140 Plätzen wegfallen. Um bauliche Lösungen werde die Stadt nicht herumkommen, sagte Hahn.
Der Gemeinderat hat Ende vergangenen Jahres für die Tannenberger Straße die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen, um das Gebiet als allgemeines Wohngebiet nutzen zu können. Eine Gemeinschaftsunterkunft mit 60 Plätzen soll dort entstehen. (GEA)