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Null Gedränge zum Start des 9-Euro-Tickets in Reutlingen

Am ersten Gültigkeitstag des 9-Euro-Tickets gibt's am Reutlinger Hauptbahnhof kein Gedränge an der Bahnsteigkante. Der Verkehr läuft so wie an jedem anderen Mittwoch. Was sagen die Reisenden zur günstigen Fahrkarte für Busse und Bahnen?

Mit dem 9-Euro-Ticket beim Schulausflug unterwegs. Stolz zeigt ein Schüler der Freien Evangelischen Schule seine Fahrkarte.
Mit dem 9-Euro-Ticket beim Schulausflug unterwegs. Stolz zeigt ein Schüler der Freien Evangelischen Schule seine Fahrkarte. Foto: Stephan Zenke
Mit dem 9-Euro-Ticket beim Schulausflug unterwegs. Stolz zeigt ein Schüler der Freien Evangelischen Schule seine Fahrkarte.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Den Preis für den unauffälligsten Start hat das Ticket zum Sonderpreis in Reutlingen gewonnen. Am Mittwochmorgen, dem ersten Gültigkeitstag des 9-Euro-Tickets, präsentiert sich der Hauptbahnhof so wie immer. Nichts macht die Reisenden auf das besondere Angebot aufmerksam, es gibt weder Gedränge an der Bahnsteigkante noch Warteschlangen vor dem Reisezentrum.

»Ich habe mir das 9-Euro-Ticket privat geholt. Aus Spaß, um zu sehen, was man am Wochenende so alles machen kann«, sagt eine namenlose Geschäftsfrau mit Rollkoffer in der einen und Kaffeebecher in der anderen Hand am Reutlinger Bahnsteig 1. Sie komme aus Frankfurt, besuche geschäftlich den Großraum Stuttgart, und sei aktuell gerade nach Plochingen unterwegs. Normalerweise ist sie mit »einem schönen Mix aus Bahn und Auto unterwegs«. Die Karte zum Super-Schnäppchenpreis findet sie gut, »das sollte bleiben. Gerade bei den Spritpreisen jetzt«.

Das ganz normale Gedrängel am Mittwochmorgen auf dem Bahnsteig 2 des Reutlinger Hauptbahnhofes.
Das ganz normale Gedrängel am Mittwochmorgen auf dem Bahnsteig 2 des Reutlinger Hauptbahnhofes. Foto: Stephan Zenke
Das ganz normale Gedrängel am Mittwochmorgen auf dem Bahnsteig 2 des Reutlinger Hauptbahnhofes.
Foto: Stephan Zenke

Der Bahnsteig ist wie immer zum Berufsverkehr gut mit Reisenden gefüllt, aber keinesfalls überfüllt. Zwischen den Zügen in Richtung Stuttgart oder Tübingen herrscht die übliche gähnende Leere. Doch dann wird's kurz mal etwas lebendiger am Gleis, als die Klassen 6 A und & B der Freien Evangelischen Schule mit Begleitpersonal auftauchen. Die Mädchen und Jungen starten bestens gelaunt zu einem Ausflug in die Experimenta nach Heilbronn. »Mit einem Gruppenfahrschein wären wir nur 80 Cent günstiger, deshalb haben jetzt alle ein 9-Euro-Ticket« erklärt Alexandra Wirth, die als Mutter mitfährt. Sie persönlich würde es besser finden, »wenn die Tickets langfristig günstiger sind«.

Zufallsbegegnung mit Daniel Fehrle, dem Kirchenpfleger der evangelischen Kirchen in Reutlingen. Der Mann hat zwar ein 9-Euro-Tic
Zufallsbegegnung mit Daniel Fehrle, dem Kirchenpfleger der evangelischen Kirchen in Reutlingen. Der Mann hat zwar ein 9-Euro-Ticket auf seinem Smartphone dabei, wäre aber auch zum Normalpreis zu einem Diensttermin nach Stuttgart gefahren. Foto: Stephan Zenke
Zufallsbegegnung mit Daniel Fehrle, dem Kirchenpfleger der evangelischen Kirchen in Reutlingen. Der Mann hat zwar ein 9-Euro-Ticket auf seinem Smartphone dabei, wäre aber auch zum Normalpreis zu einem Diensttermin nach Stuttgart gefahren.
Foto: Stephan Zenke

Lisa und Sarah, zwei Jura-Studentinnen, warten auf den Zug nach Tübingen. Sie haben ein Semesterticket, profitieren also nur indirekt von der 9-Euro-Aktion. Ihrer Meinung nach sollte der ÖPNV »generell billiger werden«. Sie wollten garkein Auto haben. Die beiden Frauen fragen sich, ob die Schnäppchen-Fahrkarte tatsächlich Autofahrer zum Umstieg bewegt.

Reiseverkehr wie immer am Gleis 1 des Reutlinger Hauptbahnhofs.
Reiseverkehr wie immer am Gleis 1 des Reutlinger Hauptbahnhofs. Foto: Stephan Zenke
Reiseverkehr wie immer am Gleis 1 des Reutlinger Hauptbahnhofs.
Foto: Stephan Zenke

Daniel Fehrle, Kirchenpfleger der Evangelischen Kirchen in Reutlingen, benutzt für den Weg zu dienstlichen Terminen in Stuttgart immer die Bahn, »der Zug ist sehr viel geschickter«. Gerne zeigt er auf seinem Smartphone das 9-Euro-Ticket, aber er wäre auch zum Normalpreis gefahren. Was hält er von der Aktion? »Ja, äh, ein netter Versuch - ein Strohfeuer«, meint er, »immerhin gut, das an mehr als einen Tankrabatt gedacht worden ist«. (GEA) 

9-Euro-Tickets: Was man zum Start am Mittwoch noch wissen sollte

Nach wochenlanger Vorbereitung geht es an diesem Mittwoch los: Erstmals können Verbraucherinnen und Verbraucher ihre zum Teil schon vor Tagen gekauften 9-Euro-Tickets für Fahrten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einsetzen. Im Juni, Juli und August können sie damit durch ganz Deutschland fahren. Zum Start gibt es noch manches zu beachten.

Wo kann ich das Ticket noch rechtzeitig kaufen?

Die Tickets sind und bleiben über die Apps, Fahrkartenschalter, Kundenzentren und andere Verkaufsstellen der jeweiligen Verkehrsunternehmen und Verbünde erhältlich. Seit diesem Montag gibt es vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auch eine eigene »9-Euro-Ticket«-App, die auf den gängigen Plattformen runtergeladen werden und über die die Monatstickets ebenfalls gekauft werden können. »Damit haben insbesondere jene Neukundinnen und Neukunden ab sofort die Möglichkeit, das 9-Euro-Ticket per App zu erwerben, in deren Heimatregion das Ticket bislang nicht per App oder über andere digitale Wege angeboten wird«, teilte der Verband mit.

Der Regionalexpress nach Stuttgart hätte noch freie Sitzplätze gehabt.
Der Regionalexpress nach Stuttgart hätte noch freie Sitzplätze gehabt. Foto: Stephan Zenke
Der Regionalexpress nach Stuttgart hätte noch freie Sitzplätze gehabt.
Foto: Stephan Zenke

Für welchen Zeitraum gilt das Ticket?

Die Tickets gelten jeweils für Juni, Juli und August - und zwar für den Kalendermonat. Nicht möglich sind Tickets für gleitende 4-Wochen-Zeiträume, also zum Beispiel von Mitte Juli bis Mitte August.

Welche Verkehrsmittel kann man mit dem Ticket nutzen?

Prinzipiell gilt das 9-Euro-Ticket bundesweit in allen Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und Zügen des Nah- und Regionalverkehrs - egal ob von der Deutschen Bahn oder anderen Anbietern. Nicht genutzt werden kann der Fernverkehr der Deutschen Bahn mit ICE, Intercity und Eurocity.

Auch auf einigen Intercity-Abschnitten, auf denen Fahrgäste mit anderen Nahverkehrsfahrkarten sonst zusteigen dürfen, gilt das Ticket nicht, wie die Bahn vergangene Woche verdeutlichte. Diese Fernverkehrszüge werden in der Reiseauskunft neben der IC- mit einer Regionalzug-Kennzeichnung ausgewiesen. Dabei stehe der Hinweis »9-EUR-Ticket nicht gültig«, sagte ein Sprecher. Das hatte zuletzt bei einigen Kunden für Verwirrung gesorgt. Nach Angaben der Bahn laufen zu dem Thema regional noch Gespräche.

Kann man das 9-Euro-Ticket mit ICE-Tickets kombinieren?

Ja. Wie die Deutsche Bahn mitteilte, kann man damit im Regionalverkehr zu dem Bahnhof fahren, an dem man in einen Fernzug umsteigt. Für die Fahrt im Fernverkehr ist dann aber immer ein separates Ticket notwendig.

Wird trotz der günstigen Tickets weiter kontrolliert?

Ja, die Verkehrsunternehmen kontrollieren eigenen Angaben zufolge wie gewohnt weiter. Wer ohne Ticket angetroffen wird, zahlt nach wie vor ein sogenanntes erhöhtes Beförderungsgeld von meist 60 Euro.

Warum ist das Ticket nicht gleich kostenlos?

Diesen Vorschlag hat es aus den Ländern tatsächlich gegeben. Einfach auf Tickets (und die Kontrolle) zu verzichten, hätte den Aufwand deutlich gesenkt, so die Argumentation. Ein Grund dafür, dass nun doch etwas Geld verlangt wird: Die Nutzung lässt sich auf diese Weise besser analysieren. Wer nutzt auf welchen Strecken Busse und Bahnen, wenn es deutlich günstiger ist - das ist für die Verkehrsbetriebe eine spannende Frage.

Wie voll wird es in den Zügen?

»Wir haben keinen blassen Schimmer«, sagte kürzlich der Chef der Bahn-Regionaltochter DB Regio, Jörg Sandvoß, zu dieser Frage. Zu rechnen sei wohl mit 30 Millionen Ticket-Nutzern pro Monat, hieß es zuletzt beim VDV. Das sei aber nur eine Schätzung. Die hohe Nachfrage nach den Tickets ist ein Indikator: Allein über die digitalen Kanäle der Deutschen Bahn sind bis einschließlich Montag bereits fast drei Millionen Tickets verkauft worden. Mit einem ersten Stresstest für den ÖPNV rechnen viele Fachleute bereits für das kommende lange Pfingstwochenende.

Werden zusätzliche Züge eingesetzt?

Viele Verkehrsunternehmen haben für die drei Monate Verstärkerzüge angekündigt. Die Deutsche Bahn etwa will 50 zusätzliche Züge einsetzen und das Personal verstärken. Mit den Fahrzeugen könnten 250 zusätzliche Fahrten angeboten werden, hieß es. Sie sollen vor allem entlang der Touristenstrecken in Richtung Nord- und Ostsee sowie im Süden eingesetzt werden. Doch angesichts von durchschnittlich rund 22 000 Regionalbahnfahrten jeden Tag sind Fachleute skeptisch, ob das reicht. (dpa)