Logo
Aktuell Analysemethode

Mehr Wissen mit weniger Licht

Reutlinger Wissenschaftler erforschen die optische Spektroskopie und wollen ihren Einsatz nicht nur einfacher, sondern auch günstiger machen

Untersuchung von Gewebeschnitten am Mikroskop.  FOTO: HOCHSCHULE/SCHEURING
Untersuchung von Gewebeschnitten am Mikroskop. FOTO: HOCHSCHULE/SCHEURING
Untersuchung von Gewebeschnitten am Mikroskop. FOTO: HOCHSCHULE/SCHEURING

REUTLINGEN. Die optische Spektroskopie ist der Tausendsassa unter den chemischen Analysemethoden. Durch Lichtabsorption lassen sich kleinste Materialveränderungen in Werkstoffen, Lebensmitteln oder erkranktem Gewebe aufspüren. Doch für die Industrie und Kliniken sind die Methoden oft zu kompliziert und zu teuer. Hier setzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlicher der Hochschule Reutlingen Maßstäbe – mit neuartigen Spektroskopie-Sonden, die Prozesse automatisieren und verlässlichere Ergebnisse liefern.

- Messen ist besser als Fühlen

Schöne Maserung, raue Oberfläche – der Tisch ist ganz offensichtlich aus edlem Holz. Bei näherem Hinschauen entpuppen sich viele Oberflächen allerdings als Imitat, als imprägniertes Papier auf einer Spanplatte. Weil die Nachfrage danach wächst, wünscht sich die Industrie hoch automatisierte Fertigungsprozesse. Doch gerade bei der Qualitätskontrolle gibt es noch viel zu tun – insbesondere im Hinblick auf Industrie 4.0. In der Regel verlässt man sich auf grobe technologische Tests, um zu prüfen, ob Feuchtegehalt und Härte stimmen, wenn das Papier die Imprägniermaschine verlässt. Professor Andreas Kandelbauer möchte Abhilfe schaffen. Mittels Infrarotspektroskopie will der Chemiker verstehen, was beim Imprägnieren passiert und an welchen Prozessparametern man drehen muss, um ein möglichst perfektes Ergebnis zu bekommen – in Echtzeit. Das Projekt läuft bis 2018, eine Verlängerung bis 2022 ist geplant.

- Technik gegen Tumore

Gutartig oder bösartig? Diese Frage belastet nicht nur Patienten, auch Ärzte tappen bei der Diagnose oft im Dunkeln. Ein Tumor der Mundschleimhaut ist unter dem Mikroskop nicht leicht zu erkennen, es passieren immer wieder Fehler. Die möchte Mona Stefanakis künftig vermeiden. Mit einer Kombination aus Spektroskopie und UV-Licht unterschiedlicher Lichtwellenlängen hat die Doktorandin im Promotionskolleg der Hochschule Reutlingen und der Universität Tübingen ein Diagnoseverfahren entwickelt, das den Pathologen bei seiner Arbeit unterstützt. Es ist schneller und kostengünstiger – und verlässlicher. »Der Arzt weiß künftig besser, welches Gewebe er wegschneiden muss«, sagt Stefanakis.

- Prozesskontrolle statt Endkontrolle

Zu bitter. Wenn eine Limonade komisch schmeckt, kann das an einer falschen Dosierung von künstlichen Süßstoffen liegen. Den Getränkeherstellern fällt es schwer, die genaue Dosierung zu überwachen, die bisherigen automatischen Analysemethoden versagen bei Zuckerersatzstoffen. Ein Ausweg ist eine kombinierte Raman-Fluoreszenz-Sonde, die mit Spektroskopie den Gehalt direkt in der vorbeifließenden Limonade misst. Bei Abweichungen kann das Personal sofort die Dosierung ändern und nicht wie bisher erst Stunden später nach einer Probenentnahme. Die Tests seien vielversprechend, so Barbara Boldrini, Chemikerin im Team von Professor Karsten Rebner und Dr. Edwin Ostertag, der selbst Lebensmittelchemiker ist. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt läuft bis 2019, dann soll die Sonde serienreif sein. (GEA)