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Lob bei Youtube, Kritik von Tübinger Wissenschaftler für Schmalz-Vortrag

Das Video eines Vortrags von Gabriele Krone-Schmalz an der VHS Reutlingen sorgt für Diskussionen und zahlreiche Leserbriefe an den GEA

Der Vortrag von Gabriele Krone-Schmalz ging im Internet viral. SCREENSHOT: GEA/YOUTUBE
Der Vortrag von Gabriele Krone-Schmalz ging im Internet viral. SCREENSHOT: GEA/YOUTUBE
Der Vortrag von Gabriele Krone-Schmalz ging im Internet viral. SCREENSHOT: GEA/YOUTUBE

REUTLINGEN. Das Video eines Vortrags von Gabriele Krone-Schmalz (73) an der Volkshochschule (VHS) Reutlingen geht derzeit im Internet viral. Mehr als eine Million Aufrufe hat der Clip mit dem Titel »Russland und die Ukraine« in drei Wochen auf Youtube erreicht – es ist das mit Abstand erfolgreichste des VHS-Kanals. In dem Video wird die ehemalige ARD-Journalistin von VHS-Geschäftsführer Dr. Ulrich Bausch als Russland-Expertin und »sehr gefragte Referentin« vorgestellt: »Sie war über viele Jahre das Russland-Gesicht in der Fernsehberichterstattung.« Bausch freut sich »sehr, dass sie in Reutlingen ist«.

Der anderthalb Stunden dauernde Vortrag lässt sich grob so zusammenfassen: Die Osterweiterung der Nato habe »Russland provoziert« und dessen »berechtigte Sicherheitsinteressen verletzt«, sagt Krone-Schmalz. Die Ukraine sei nur der »Handlanger des Westens« und Russland würde »vom Westen dämonisiert«, der in seiner Arroganz die »ausgestreckte Hand Putins nicht angenommen« habe. Wegen solcher Aussagen werfen einige renommierte Wissenschaftler der Professorin für Fernsehen und Journalistik an der Uni Iserlohn gar Kreml-Propaganda vor.

18.000 Kommentare, 47.000 Likes

Wer sich bei Youtube durch die mehr als 18.000 Kommentare scrollt, bekommt dagegen fast nur lobende Worte über Krone-Schmalz angezeigt. »Vielen Dank für Ihren Mut«, ist diverse Male zu lesen. Dafür, diesen Vortrag möglich gemacht zu haben, wird auch der VHS einige Male gedankt. Deutlich weniger eindeutig ist das Meinungsbild bei den »Gefällt mir«-Angaben. Knapp 47.000 Likes hat das Video bekommen. Bei einer Million Zuschauern sind das nicht einmal fünf Prozent. Wie viele Leute auf »Mag ich nicht« geklickt haben, wird auf Youtube nicht angezeigt. Die Anzahl der Dislikes sehen nur noch Kanalbesitzer.

Der viral gegangene Vortrag beschäftigt auch GEA-Leser. In den Leserbriefen ist ein breiteres Meinungsspektrum zu finden als in den Youtube-Kommentaren. Ein »großer Dank« geht von Manfred Kober aus Pfullingen an die VHS, »dass sie im Krieg der Systeme, der im Osten Europas und unter deutscher Beteiligung täglich Tod und Elend über Menschen bringt, einer Stimme der Vernunft und der kritischen Reflexion Raum gibt«. Ulrich Herbst aus Reutlingen findet, dass Krone-Schmalz »einen wertvollen Beitrag« und eine »fundierte Analyse« leiste.

Rainer Buck aus Reutlingen dagegen empfand den Vortrag von Krone-Schmalz »als große Zumutung«, da sie vorgibt, sie sei eine der wenigen, die die ganze Sachlage richtig versteht, sie wisse mehr als das, »was in den meisten Köpfen stattfindet«. Dirk Mrotzeck aus Reutlingen fragt sich, warum die VHS »einer Person wie Frau Krone-Schmalz mit ihrem kruden Weltbild« eine Bühne bietet. »Dort konnte sie dann unwidersprochen ihre ganz persönlichen Versionen in einem 90-Minuten-Monolog erzählen.« Mrotzeck hätte sich eher eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen Positionen gewünscht.

Kritik kommt auch vom Tübinger Universitäts-Professor Klaus Gestwa. »Wenn es der VHS um Reichweite ging, dann dürften sich die Verantwortlichen auf die Schulter klopfen«, sagt der Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde in einem Interview mit T-Online. »Dafür ist dann ihre politische Verantwortung auf der Strecke geblieben.« Gestwa, der unter anderem zur Zeitgeschichte Russlands forscht, findet die »Narrative«, die Krone-Schmalz verbreitet, »bedenklich« und warnt vor ihrer »manipulativen Art«.

ZUR PERSON

Dr. Gabriele Krone-Schmalz (73) ist eines der bekanntesten deutschen Fernsehgesichter der 80er- und 90er-Jahre. Sie ist Journalistin, Autorin sowie Geschichts- und Politikwissenschaftlerin. 1978 wurde sie ARD-Korrespondentin und Studioleiterin in Moskau. Sie setzt sich kritisch mit dem deutschen Russlandbild auseinander und publizierte mehrere Bücher. Mit ihren Aussagen sorgt sie oft für Kontroversen. (GEA)

Auch für die VHS Reutlingen hat Gestwa kein gutes Wort übrig. Ärgerlich findet er, wie der Vortrag »zelebriert worden ist«. Damit ist die überschwängliche Begrüßung durch den Geschäftsführer Bausch gemeint. Bei dieser wird Putin mit einem Bankräuber verglichen, der in einer Sparkasse Geiseln erschießt und droht, die ganze Stadt in die Luft zu sprengen. Auch in der Fragerunde im Anschluss an den Vortrag steht Bausch der Referentin beiseite und verteidigt sie gegen Kritiker aus dem Publikum. »Wer eine umstrittene Person zum Vortrag einlädt, sollte dieser nicht eine große öffentliche Bühne zur Selbstinszenierung bieten, sondern die diskutablen Aussagen kritisch begleiten«, sagt Gestwa. »Im Fall der VHS Reutlingen gab es vor allem Lobhudelei. Das wirft Fragen auf.« (GEA)