Logo
Aktuell Gewebe

Internationales Textilsymposium der Hochschule Reutlingen

Internationales Textilsymposium der Hochschule versammelte Textilexperten aus aller Welt

Referenten und Gastgeber des ersten internationalen Textilsymposiums an der Hochschule Reutlingen.  FOTO: HOCHSCHULE
Referenten und Gastgeber des ersten internationalen Textilsymposiums an der Hochschule Reutlingen. FOTO: HOCHSCHULE
Referenten und Gastgeber des ersten internationalen Textilsymposiums an der Hochschule Reutlingen. FOTO: HOCHSCHULE

REUTLINGEN. Die umfangreiche Textilsammlung der Hochschule Reutlingen ist am 14. und 15. November ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, nachdem sie über 80 Jahre nahezu unbemerkt in einem abgelegenen Raum auf dem Campus lagerte. Anlass war das internationale Textilsymposium »Historische Gewebe in einer digitalen Welt – Die Textilsammlungen der Hochschule Reutlingen«. 140 Teilnehmende – darunter Restauratoren, Museumskuratoren, Kunstsammler und Studierende – waren gekommen.

Ihnen gegenüber standen 16 international renommierte Referenten, die über faszinierende und auch kuriose Ergebnisse aus der Textilforschung berichteten. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Reutlinger Sammlung von Stoffmustern aus dem japanischen Kaiserreich der Edo-Zeit (1603-1868), die der Bietigheimer Arzt Dr. Erwin von Baelz Ende des 19. Jahrhunderts nach Württemberg gebracht hatte.

Die Japan-Experten Prof. Dr. Hans Bjarne Thomsen (Universität Zürich) und Prof. Dr. Kazuto Sawada (National Museum of Japanese History, Tokio) reisten innerhalb der letzten zwei Jahre regelmäßig nach Reutlingen, um die historische Gewebesammlung der Hochschule zu untersuchen. Auf dem Textilsymposium veröffentlichten Sawada und Thomsen erstmals weitere Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit: Anhand der Webtechniken konnten sie die Entstehung vieler Muster genauer datieren.

Weltweit einzigartig

So sind die meisten der Stoffe Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts im Kaiserreich Japans entstanden. Dr. Erwin von Baelz hatte sie Ende des 19. Jahrhunderts nach einem langjährigen Aufenthalt in Japan mit nach Württemberg gebracht. Der Bietigheimer Arzt betrieb in Tokio eine Privatpraxis und war Leibarzt des japanischen Kronprinzen und späteren Kaisers. Nebenher sammelte er japanische Textilien. Darunter sind farbenreich gemusterte Handtäschchen, Kimono-Fragmente oder gar Gürtel für die Kleidung weiblicher Samurai.

Ein gut erhaltenes japanisches Textilfragment aus dem Jahre 1760.  FOTO: HOCHSCHULE
Ein gut erhaltenes japanisches Textilfragment aus dem Jahre 1760. FOTO: HOCHSCHULE
Ein gut erhaltenes japanisches Textilfragment aus dem Jahre 1760. FOTO: HOCHSCHULE

Prof. Sawada und Prof. Thomsen bescheinigten, dass die Sammlung von rund 900 japanischen Textilmustern einen weltweit einzigartigen Stellenwert hat, insbesondere die Vielfalt der Webtechniken und der hervorragend erhaltene Zustand. Manche Webtechniken, so Sawada, seien äußerst aufwendig und Stoffe dieser Webart deshalb sehr rar. Umso erfreulicher sei es, dass die Reutlinger Sammlung gleich mehrere dieser Muster besitze. Deshalb sei sie eine reichhaltige historische Forschungsquelle sowie Inspiration für die heutige Textilindustrie.

Renommierte Wissenschaftler sind unter anderem aus den USA, Japan und der Schweiz zum Textilsymposium angereist, um die Sammlung zu sehen und über ihre Arbeit mit historischen Stoffen zu berichten. Etwa über die Erforschung der in Reutlingen gelagerten Woll- und Baumwolltextilien aus Peru, die größtenteils aus dem 8. Jahrhundert stammen. Schon damals waren Täschchen in Mode, wie die Sammlung der Hochschule zeigt, ebenso kunstvoll gemusterte Lendenschurze.

Grundlegende Forderung der Vortragenden war die notwendige digitale Erfassung von Sammlungsstücken, um diese online und damit weltweit zugänglich zu machen. Auf solche digitalen Quellen ist auch Torsten Bäz angewiesen. Er rekonstruiert historische Stoffe und stellt sie auf den historischen Webstühlen seiner Manufaktur her. So hat er beispielsweise die Sitzbezüge eines historischen Potsdamer Straßenbahnwagons von 1908 mithilfe von alten Fotos und Aussagen von Zeitzeugen rekonstruiert und genau nach historischem Vorbild angefertigt.

Dorothee Haffner, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, lieferte zum Schluss das Fazit für das Reutlinger Textilsymposium: »Es ist genau richtig, was Sie hier machen – die Sammlung in die Öffentlichkeit bringen und sichtbar machen, Experten und Kompetenzen zusammenbringen. Herzlichen Glückwunsch!« (GEA)