REUTLINGEN. Wie hoch die finanzielle Belastung der Bürger in Deutschland durch Wohnnebenkosten ist, hängt einer Untersuchung zufolge stark vom Wohnort ab. Wer etwa in Leverkusen wohnt, muss besonders viel zahlen: Rund 2 046 Euro fallen in der rheinländischen Stadt pro Jahr an Gebühren für die Abfall- und Abwasserentsorgung sowie für Grundsteuern an, wie das Forschungsunternehmen IW Consult im Auftrag des Eigentümerverbands Haus und Grund ausgerechnet hat. Nirgendwo in Deutschland sind demnach diese Wohnnebenkosten so hoch wie dort.
Regensburg in Bayern hingegen führt die Liste der günstigsten Orte an: 915 Euro und damit mehr als die Hälfte weniger zahlten die Menschen dort im Schnitt pro Jahr, heißt es in der Studie. Auffällig: Acht der zehn teuersten Kommunen liegen in Nordrhein-Westfalen. Die zehn günstigsten Orte teilen Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen unter sich auf.
In Baden-Württemberg wohnt es sich am günstigsten in Heidelberg, dort kassiert die Stadt pro Jahr 1.003 Euro Gebühren und belegt damit Platz sechs im Bundesvergleich der preiswertesten Städte. Reutlingen liegt mit 1.224 Euro etwas abgeschlagen auf Platz 40 – noch nach Tübingen auf Platz 34 (1.182 Euro) und der Landeshauptstadt Stuttgart auf Platz 23 (1.086 Euro). Schlusslicht im Ländle ist Pforzheim (1.413 Euro), die Großstadt rangiert deutschlandweit auf Platz 69.
»Der Eindruck besteht durchaus, dass Baden-Württemberg und Bayern gut wirtschaften, mit Augenmaß die Gebühren setzen und ein Interesse daran haben, dass eine hohe Bürgerzufriedenheit herrscht«, sagte Studienleiter Hanno Kempermann am Dienstag in Berlin.
Äpfel mit Birnen verglichen
Strukturelle oder geografische Gründe für die großen Unterschiede ließen sich allerdings nicht feststellen, betonte er. Auch die Größe der Stadt oder die Einwohnerdichte böten keinen Maßstab für die Höhe der Nebenkosten. Eine Ausnahme bilde das Ruhrgebiet. Dort haben Kommunen laut Kempermann aufgrund eines Notstandshaushalts oft keine andere Wahl, als Gebühren zu erhöhen.
Grundlage für die Berechnung ist ein Musterhaus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche und vier Bewohnern – eine übliche Vergleichsgröße, die jedoch in Großstädten nicht immer dem durchschnittlichen Haushaltstyp entspricht. Die Gebühren für die Abwasser- und Müllentsorgung in den 100 größten deutschen Städten wurden auf Basis der öffentlich einsehbaren Gebührenordnungen der jeweiligen Kommunen erhoben.
Kritik vom Verband lokaler Unternehmen
Kritik an den Zahlen kam vom Verband kommunaler Unternehmen. »Wer Entgelte vergleicht, vergleicht Äpfel mit Birnen«, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. »Die Höhe der Entgelte für Abwasser und Abfall ist von Region zu Region verschieden, weil sie unterschiedliche Leistungen, Standorte, Rahmenbedingungen vor Ort berücksichtigt.«
So böten etwa beim Abfall einige Kommunen eine kostenlose Sperrmüll-Abholung an. Diese Leistungen seien dann in den Gebühren eingepreist. »Auch die Dichte und Anzahl der Wertstoffhöfe spielt eine Rolle.« Die Infrastrukturen für Abwasser seien »Maßanfertigungen für Generationen«. »Daher funktionieren einfache Vergleiche nicht«, so der Sprecher, »sie können keine Transparenz für Verbraucher schaffen«.
Haus-und-Grund-Präsident Kai Warnecke weist solche Kritik indes zurück. »Die Ausreden sind bunt, aber sie sind in den vergangenen Jahren nie stichhaltig gewesen«, monierte er. Regensburg etwa habe bei der Abwasserentsorgung sicherlich mehr Steigungen zu überwinden als Potsdam. Trotzdem seien die Gebühren dort deutlich niedriger. (dpa)