REUTLINGEN. Der Fahrzeug-Andrang auf dem Reutlinger Marktplatz war am gestrigen Sonntag phänomenal. »Um halb Neun standen schon die Ersten vor dem Info-Stand – da waren wir noch gar nicht fertig mit den Vorbereitungen«, berichtete Dieter Scheib, der Vorsitzende der Oldtimerfreunde Neckar-Alb-Schönbuch.
Als allererstes kam ein Ehepaar aus Mähringen, beide weit über 80 Jahre. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, hat noch ein paar Jahre mehr auf dem Buckel: Baujahr 1926. Ein Ford, mit Kurbel vorne dran. »Ich hab’ aber einen Anlasser eingebaut«, verrät der Besitzer. Neue Kolben seien auch drin und ein neuer Kühlergrill. »Alles selbst eingepasst.«
Ein Paar aus Westerheim zelebrierte seinen Auftritt mit »einem außergewöhnlichen mehrfach prämierten Oldtimer-Cabriolet Lagonda Aston Martin Baujahr 1949. Davon gibt es nur noch drei Exemplare«, hatten sie in einer Mail an die Medien schon weit vor dem Oldtimertag verkündet. »Die beiden nehmen an Oldtimer-Prämierungen in ganz Baden-Baden teil, haben schon x Preise gewonnen und waren vergangenes Jahr mit einem Rolls- Royce hier«, wusste Dieter Scheib.
Solche und ähnliche Geschichten waren gestern beim 12. Oldtimertag zuhauf zu hören – die Besucher fachsimpelten mit den Ausstellern, tauschten Erfahrungen aus, fragten nach, ließen sich erklären, und staunten mit großen Augen über die ausgestellten zwei- und vierrädrigen Schätze von der alten Ente bis hin zur schnittigen Chevrolet Corvette. Publikum und Aussteller eint eines: Auto- oder Motorradliebhaber sind sie allesamt.
Die einen schwärmen für historische Personenkraftwagen. »Das ist halt Nostalgie. Die Jüngeren finden eher die Boliden mit ganz viel PS toll«, berichtete Dieter Scheib, der als Vereinsvorsitzender der Oldtimerfreunde schon seit elf Jahren hinter dem Spektakel in Reutlingen steht.
Der Fahrzeug-Andrang wird dabei jedes Jahr größer. »Mehr als 170 Fahrzeuge dürfen wir aber nicht auf den Marktplatz und in die angrenzenden Gassen sowie einen Teil der Wilhelmstraße ’reinlassen«, so Scheib. Sicherheitsvorschriften müssten eingehalten, Feuergassen freigehalten werden. »Das wollen nicht alle einsehen, die zum eigentlichen Beginn um 10.30 Uhr oder später hier auftauchen«, betonte der Veranstalter. Wenn kein Platz mehr verfügbar sei, bleibe nur die Fahrt in die Tiefgarage – und der Trost, ab 13 Uhr bei der Ausfahrt auf die Alb mit dabei sein zu können.
»Mehr als 170 Fahrzeuge dürfen wir nicht reinlassen«
Wer wollte, konnte sein Fahrzeug am Start vorstellen lassen. Viele der weit mehr als 170 Oldtimer-Besitzer nahmen diese Möglichkeit wahr – auch um dem Publikum ihre Schmuckstücke sozusagen für alle Sinnen zu präsentieren. Also nicht nur die auf Hochglanz polierten Fahrzeuge vor Augen zu führen, sondern sie auch riechen zu lassen und zu Gehör zu bringen. Manche mit gewaltigem Röhren oder gar Jaulen, das Freunden vielen Pferdestärken einen Schauer über den Rücken jagte. Was andere schlichtweg als Lärmbelästigung empfinden, ist für diesen Teil der Menschheit offensichtlich pure Musik – quasi Mozart aus dem Auspuff.
Auch wenn das Flair mitten in der Stadt ein ganz besonderer und anderer sei als etwa in Industriegebieten oder auf der »grünen Wiese« – für die Veranstalter wird es laut Scheib immer schwieriger, die Genehmigungen und Auflagen zu erfüllen.
Mindestens 25 Ordner müssten engagiert werden und unter anderem dafür sorgen, dass nicht alle Straßen und Gassen rund um den Marktplatz mit alten Fahrzeugen gefüllt werden – was den Besuchern des Oldtimertages mit Sicherheit gefallen hätte: Das Spektakel war bei bestem Sommerwetter einmal mehr ein Publikumsmagnet. (GEA)