REUTLINGEN. Dass selbst Hohlköpfen zuweilen ein Licht aufgeht: Halloween stellt es seit den 1990er-Jahren auch in Deutschland unter Beweis. Denn seither haben ausgeschabte, mit Kerzen illuminierte und Fratzen versehene Kürbisse am Abend vor Allerheiligen ihren ganz großen Auftritt. Ob das aus den USA reimportierte keltische Brauchtum den Beerenfrüchten hierzulande allerdings auch zu einer kulinarischen Renaissance verholfen hat? Nun, die einen sagen so, die anderen so. Wiewohl Kürbisse kurz vor dem 1. November tatsächlich stark nachgefragt sind - bei Bastlern ebenso wie bei Köchen.

Kalorienarme Sattmacher
Einst von gut betuchten Zeitgenossen als »Arme-Leute-Essen« geschmäht, haben die vitaminreichen Wonneproppen schon vor geraumer Zeit ihren Siegeszug durch die europäischen Küchen angetreten. Wobei es - wie so oft - allen voran prominente TV-Köche und Gourmet-Tempel waren, die den kalorienarmen Sattmachern eine Bühne bereiteten und der kollektiven Rückbesinnung auf gesunde Hausmannskost Vorschub leisteten. Und das kommt nicht von ungefähr. Sind Hokkaido und Co. doch regelrechte Tausendsassas.
Ob als Suppe serviert, als ballaststoffreiche Beilage oder als süß-säuerlich eingelegte Spezialität - Kürbisse sind Allrounder. Selbst zu Marmelade lassen sie sich verarbeiten, zu Pudding, Kompott, Tarte sowie Kuchen. Und: Sie harmonieren hervorragend mit exotischen Aromen, die Kürbisgerichten eine pikante Note verleihen.
So sind Currymischungen beliebte Dreingaben. Auch Knoblauch macht sich gut. Nicht zu vergessen Chili und Ingwer, die für Pep auf der Zunge und für innere Wärme sorgen. Derweil Naschkatzen auf die Kombination von Kürbis mit Honig, Zimt oder Vanille schwören und Freunde deftiger Kulinarik gerne zu Thymian, Oregano und Estragon greifen, um das Fruchtfleisch zu würzen.
Kein Zweifel: Bei Kürbis kann man fast nichts falsch machen. Weder beim Kochen, noch beim Anbau. Denn die ursprünglich aus Mittel- und Südamerika stammenden Beerenfrüchte verzeihen viel und nehmen wenig übel. Jedenfalls dann, wenn sie in nährstoffreichen Böden bei ausreichender Wasserzufuhr kultiviert werden, wie Hannes Frech (14), Sohn des Sickenhäuser Agrar-Ingenieurs und Wochenmarktbeschickers Martin Frech weiß.
Kürbisse dulden keine Konkurrenz
Wichtig darüber hinaus: Kürbisse dulden keine Konkurrenz im Beet. »Die noch jungen Pflanzen sollten deshalb unbedingt unkrautfrei gehalten werden«, so Hannes, der neben Hokkaidos auch Butternuts, Muskat- und Spaghetti-Kürbisse aus eigener Produktion im Sortiment hat.
Bei Letzteren handelt es sich um eine vergleichsweise junge Züchtung, die ihrem Namen in sofern alle Ehre macht, als ihr faseriges Innenleben an dünne italienische Teigwaren erinnert. Die Früchte selbst sind zylindrisch geformt und bringen bis zu 2,5 Kilo auf die Waage. Durchgegart lässt sich ihr Fruchtfleisch in Fäden zerzupfen und spaghettigleich aufgabeln.
Damit der Vielfalt aber längst noch nicht genug. Soll es weltweit doch Hunderte verschiedene Kürbissorten geben. Darunter eine, die zumindest in der deutschen Verbrauchergunst ganz weit oben rangiert: der Hokkaido, der auch auf dem Reutlinger Wochenmarkt zu den herbstlichen Topsellern zählt. »Vermutlich, weil Hokkaidos mit Schale verarbeitet werden können und deshalb wenig Mühe machen.« Was sie im Übrigen mit Mikrowellen-Kürbissen eint.
Mikrowellen ... was?! Bei dieser Frage muss Hannes lachen. »Die Dinger heißen wirklich so - weil sie in der Mikrowelle zubereitet werden.« Prädestiniert sind sie mithin für die schnelle Küche. Einfach einen Deckel vom Fruchtkörper runtersäbeln, Kerne sowie Fasern rauslöffeln und statt ihrer zum Beispiel eine Gorgonzola-Spinat-Mischung einfüllen. Deckel wieder drauflupfen, Kürbis äußerlich einölen und ab in die »Mikro«. Simpler geht's kaum.
Gute Ausbeute und Qualität
Und simpel soll angeblich auch der Anbau besagter Neuzüchtung sein. Was indes nur bedingt zutrifft. Denn im zurückliegenden Jahr widersetzten sich die Mikrowellen-Kürbisse den Frech'schen Bemühungen um eine auskömmliche Ernte. Was Hannes Vater freilich nicht entmutigte. Er wolle, ließ er die Presse damals wissen, dranbleiben. Und er blieb dran. Mit deutlich besserem Ergebnis. Woran's liegt? »An mehr Wasser. Letztes Jahr war es zu trocken. Da hätte ich drauf achten sollen. Blöder Fehler.«
Heuer hat der Agrar-Ingenieur hingegen alles richtig gemacht. Die Ausbeute ist gut, die Qualität der Ware ebenfalls. Was auch für Frechs Halloween-Kürbisse gilt. Diese knallorangenen Karventsmänner können Fans des tradierten Horrors allerdings nicht auf dem Wochenmarkt erwerben. Denn die gibt es ausschließlich im Hofladen des Sickenhäusers. Aus Transportgründen, wie er sagt. Es mache keinen Sinn, derlei Schwergewichte auf den Marktplatz zu karren. Umso weniger, als Kunden hier ja nicht mal eben mit dem Auto vorfahren können, um die - übrigens nicht für den Verzehr geeigneten - Giganten in den Kofferraum zu verfrachten und bequem nach Hause zu chauffieren. (GEA)


