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Geiselübergabe: Freude und Skepsis in Reutlingen

Die Geiselübergabe in Israel bewegt die Welt. Vor Ort in Reutlingen ist es aber nicht leicht, Ansprechpartner für Stellungnahmen zu finden.

21 Mahnwachen für die jüdischen Geiseln fanden  auf dem Reutlinger Marktplatz statt.
21 Mahnwachen für die jüdischen Geiseln fanden auf dem Reutlinger Marktplatz statt. Foto: GEA
21 Mahnwachen für die jüdischen Geiseln fanden auf dem Reutlinger Marktplatz statt.
Foto: GEA

REUTLINGEN. Für die jüdische Gemeinde in Reutlingen spricht schließlich Michael Kashi von »gemischten Gefühlen«. Das in Stuttgart lebende Vorstandsmitglied der IRWG, der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, die auch für Reutlingen zuständig ist, sieht »einen großen Tag für die Familien der Geiseln«. Menschen auf der ganzen Welt, besonders aber Juden freuten sich mit ihnen. Viele haben in Israel Familienmitglieder, Freunde und Bekannte, die beim Terror-Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 verschleppt, verletzt oder getötet wurden und/oder im Krieg danach zu Schaden oder ums Leben kamen. Auch er selbst habe eine Schwester, die nahe der Grenze zu Gaza in ständiger Angst lebe. Er sei »sehr froh«, dass die Entführten heimkönnten - auch die Ermordeten. Es sei wichtig, dass diese ein jüdisches Begräbnis bekämen.

Skepsis in Bezug auf langfristige Auswirkungen

Was die langfristigeren politischen Auswirkungen des heutigen Tages betrifft, ist der 77-jährige Unternehmer skepisch. »Hamas ist eine Terrororganisation und sie lebt vom Terror.« Es werde keinen Frieden geben, wenn die Hamas im Gazastreifen an der Macht bleibe. »Dann haben wir die gleichen Verhältnisse wie vor dem 7. Oktober.«

Vor dem Überbewerten der Rolle des amerikanischen Präsidenten warnt Michael Kashi: »Er versucht was zu machen, damit er nicht als dummer Geschäftsmann dasteht, sondern als Staatsmann, der Politik und Frieden machen kann.« Aber Donald Trump kenne die Mentalität im Nahen Osten nicht, sagt Kashi, der einst in Israel »in Krieg« hineingeboren wurde, später drei Jahre in der israelischen Armee gedient hat, bevor er 1970 nach Deutschland kam.

Kashi hat nichts gegen eine Zwei-Staaten-Lösung, wenn sie denn Frieden bringe. Gerne darf der Palästinenserstaat aus seiner Sicht aber auch auf ägyptischem Boden liegen, wo es schließlich viel Platz habe.

Grundsätzlich lebten zu viele Menschen im Gazastreifen. Ein Teil davon müsse umsiedeln, so seine Auffassung - freiwillig, wie er betont. Und zwar in die umliegenden arabischen Länder. Dass die nicht erpicht auf solcherlei Neubürger sind, weiß auch Kashi. Platz gebe es jedenfalls auch in Saudi-Arabien, Katar und Jordanien genug.

Mahnwachen gehen weiter

»Man kann es fast nicht glauben«: Für Klaus Amann ist der heutige Montag ein Freudentag, der verbunden ist mit der Hoffnung, dass Frieden einkehrt, wenn beide Seite sich an die Vereinbarungen halten. Und hier hegt auch der Reutlinger, einer der Leiter des hiesigen Christlichen Zentrums, gehörige Skepsis. Seit Februar 2024 hat Amann die Mahnwachen für die jüdischen Geiseln und das Existenzrecht Israels auf dem Reutlinger Marktplatz mitorganisert. Neun christliche Gemeinden vor allem aus dem freikirchlichen Bereich und die jüdische Gemeinde haben regelmäßig dazu aufgerufen. Am 12. November ist die nächste Mahnwache angesetzt. Das Existenzrecht Israels sieht Amann weiter bedroht, auch der Antisemitismus bleibe. Doch zunächst ist der 12. November als »Fest« geplant, in dem die Freilassung der Geiseln gefeiert werden soll.

Von arabischer Seite war ein Vertreter der Yunus-Emre-Moschee, die auch im Reutlinger Rat der Religionen engagiert ist, angefragt. Doch er wollte aus Zeitgründen keine Stellungnahme abgeben. (GEA)