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Aktuell Körperkameras

Bodycams für die Reutlinger Polizei

»Bitte recht freundlich« wird wohl kein Polizeibeamter im Streifendienst sagen, bevor er seine Bodycam einschaltet. Denn wenn jetzt Körperkameras beim Polizeipräsidium Reutlingen eingeführt werden, sollen sie Gewalttätigkeiten und Aggressionen gegenüber Beamte vorbeugend verhindern.

»Achtung, Aufnahme läuft«: Zwei Reutlinger Polizisten zeigen ihre neuen Bodycams.
»Achtung, Aufnahme läuft«: Zwei Reutlinger Polizisten zeigen ihre neuen Bodycams. Foto: Frank Pieth
»Achtung, Aufnahme läuft«: Zwei Reutlinger Polizisten zeigen ihre neuen Bodycams.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. »Jetzt beruhigen Sie sich, sonst schalte ich die Kamera ein«, sagt der Polizist im Beispielfilm zu einem besoffenen Randalierer. Als der keine Ruhe gibt, startet die Filmaufnahme nach Ansage mit einem deutlich hörbaren Piepser. Alles, was ab jetzt im Blickfeld des Beamten passiert, wird von der oben links am Körper getragenen Bodycam aufgezeichnet. Sollte es zu einem Verfahren kommen, dienen die Aufnahmen als Beweismittel. Alleine diese Drohung soll wirken, und offenbar ist sie dringend notwendig.

»Schon seit Jahren bewegt sich die Gewalt gegenüber Polizeibeamten auf hohem Niveau. Auch im vergangenen Jahr war im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen erneut ein Anstieg der Fallzahlen um knapp zehn Prozent auf 376 Straftaten zu verzeichnen«, sagt Michael Simmendinger als Leiter des Polizeireviers Reutlingen mit Bedauern. Die Zahl der im Einsatz verletzten Beamtinnen und Beamten habe mit 195 einen neuen Höchststand erreicht. »Wir erhoffen uns viel vom Einsatz der Bodycams. Ziel soll es sein, aggressive Menschen davon abzuhalten weiter aggressiv zu sein«, betont Simmendinger. Ebenso gehe es darum, Unterstützer von Gewalttätern vor Ort in ihre Schranken zu weisen.

Von ständiger Überwachung ist keine Rede, denn der Einsatz der Videokameras im Format einer Zigarettenschachtel ist genau geregelt. Wichtigste Vorschrift ist: Beamte müssen den Bürger vor Beginn der Filmaufzeichnung darauf hinweisen. Die Bodycams sind nur auf Knopfdruck eingeschaltet. Präzise geregelt ist auch der Umgang mit den gespeicherten Filmen. »Die Daten werden nach vier Wochen automatisch gelöscht, wenn sie nicht für ein Verfahren benötigt werden«, erklärt Peter Maier vom Führungs- und Einsatzstab des Polizeipräsidiums Reutlingen. Gespeichert wird auf lokalen Computern in Reutlingen. Ab sofort soll jede Streife mit einer Bodycam ausgestattet sein.

Südwest-Polizei speichert nicht bei Amazon

Anders als die Bundespolizei speichert die baden-württembergische Polizei die Aufnahmen von Körperkameras nicht auf Servern des Internet-Giganten Amazon. Die Daten würden auf die lokalen Speicher bei den jeweiligen Polizeirevieren übertragen, wie ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart sagte. Die Server würden von der IT-Verwaltung des Landes betrieben und hätten keine direkte Verbindung zum Internet. »Ein Zugriff auf die Daten von außerhalb des Polizeinetzes ist nicht möglich«, sagte der Sprecher.

Jüngst war bekanntgeworden, dass Aufnahmen von Körperkameras der Bundespolizei auf Servern von Amazon gespeichert werden. Es handelt sich dabei um eine so genannte Cloudlösung. Das Bundespolizeipräsidium hatte der »Neuen Osnabrücker Zeitung« erklärt, Amazon sei gegenwärtig der einzige Anbieter, der in Deutschland eine entsprechende vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizierte Cloudlösung zur Verfügung stelle.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, die Lösung für den Südwesten sei nicht ganz einfach gewesen. Die Umsetzung sei ein Grund für die Verzögerung bei der Einführung der Kameras gewesen. Es sei aber wichtig, dass die Daten, die mit der Bodycam aufgenommen würden, über das gesicherte Polizeinetz liefen. Dass die Sicherheitsbehörden unabhängig von kommerziellen Anbietern seien, sei entscheidend. (dpa)

»Wir haben 138 Geräte, die werden jetzt an 11 Reviere verteilt«, sagt Michael Simmendinger. Nach Dienstschluß landen die Geräte auf einen Ladestation, von der aus gleichzeitig auch die Filme übertragen werden können. Zum Einsatz kommen Bodycams der amerikanischen Firma Axon, die jeweils bis zu 12 Stunden im hochauflösenden HD-Format aufzeichnen können. Der Aufnahmewinkel der kleinen Kameras beträgt rund 143 Grad, was ungefähr dem Blickwinkel des Beamten entspricht. Wer nach Ansage von Polizisten mit einer Bodycam gefilmt worden ist, hat wie bei jedem Beweismittel das Recht auf Akteneinsicht, sprich Betrachtung des Filmes. Die Entscheidung, wann und wo die Körperkamera eingeschaltet wird, liegt jedoch allein beim Polizisten. Kein Bürger kann also fordern, dass ein Einsaz gefilmt wird. (GEA)

Die Bodycams der amerikanischen Firma Axon können bis zu 12 Stunden Film speichern.
Die Bodycams der amerikanischen Firma Axon können bis zu 12 Stunden Film speichern. Foto: Frank Pieth
Die Bodycams der amerikanischen Firma Axon können bis zu 12 Stunden Film speichern.
Foto: Frank Pieth

Bürger dürfen Bodycam-Videos einsehen

Wer künftig von Streifenpolizisten per Bodycam (Körperkamera) gefilmt wird, darf diese Filmaufnahmen bei Bedarf einsehen. Das teilte der baden-württembergische Landesbeauftragte für Datenschutz, Stefan Brink, mit. Die Bodycams können also auch denjenigen Menschen helfen, die sich von der Polizei falsch behandelt fühlen.

Betroffene können sich laut Brink bei Verdacht auf Fehlverhalten der Beamten oder Unklarheiten an die Polizei wenden und die Videos, die sich auf ihre Person beziehen, anschauen und gegebenenfalls als Beweismaterial vor Gericht verwenden. Über das Filmen der Beamten in Konfliktsituationen sagte Brink: »Das ist zwar ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, aber einer auf gesetzlicher Grundlage.«

Bodycams sollen Angriffe auf Beamte dokumentieren. Die Aufnahmen können außerdem belegen, dass Beamte rechtmäßig gehandelt haben. Bis Jahresende sollen 2300 der Geräte bei der gesamten Bundespolizei eingeführt werden. Im Südwesten wurde die Stuttgarter Polizei Anfang Februar als erste regulär mit den Kameras ausgestattet.  (dpa)