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Aktuell Sitzstreik

250 Aktivisten blockieren Reutlinger Karlstraße - Polizei muss am Ende eingreifen

Foto: Egenberger
Foto: Egenberger

REUTLINGEN. Im Feierabendverkehr ist bei Reutlingens Autofahrern immer Geduld gefragt. Heute etwas mehr als an anderen Tagen. Bis 18.55 Uhr ist die Karlstraße von Metzingen in Richtung Tübingen im Bereich zwischen Kaiser- und Bismarckstraße gesperrt. Aktivisten von »Fridays for Future Reutlingen« haben zu einem Sitzstreik aufgerufen, den das Reutlinger Ordnungsamt genehmigt hat. Um 18 Uhr ist die Aktion gestartet. Ziel ist es nicht etwa, die Autofahrer zu ärgern, sondern die Klimakrise wieder in den Fokus zu rücken. Während der Corona-Pandemie habe das Thema nach Ansicht der Aktivisten zu wenig Aufmerksamkeit bekommen.

Außerdem »protestieren wir für mehr Rechte für Fahrradfahrer und für eine Verkehrswenden«, erklärt Ricarda Schneider, eine der Organisatorinnen. Reutlingen sei immer noch eine Autostadt, sagte sie, die Fahrradwege seien ausbaufähig. Die »Fridays for Future«-Gruppe in Stuttgart hat so einen Sitzstreik schon einmal über die Bühne gebracht. So sei man auf die Idee für die Aktion hier in Reutlingen gekommen. Ursprünglich sollte sie um 15 Uhr auf der Eberhardstraße auf Höhe der Stiftung für Konkrete Kunst stattfinden. Das Ordnungsamt habe jedoch den Bereich am Regionalen Omnibusbahnhof und 18 Uhr als Zeit vorgeschlagen. Der Grund: »Den Verkehr am Wandelknoten umzuleiten, wäre deutlich komplizierter und gefährlicher gewesen«, sagt Ralf Knop, Leiter der Verkehrsabteilung bei der Stadt Reutlingen. Außerdem wäre das Verkehrsaufkommen um 15 Uhr deutlich größer gewesen.

Etwa 100 Teilnehmer werden erwartet. Kurz vor 18 Uhr sind dann etwa 250 Personen anwesend. Die meisten kommen auf ihren Fahrrädern oder zu Fuß, viele von ihnen knien vor der Kundgebung auf der Grünfläche neben der Straße und bereiten die letzten Transparente vor, die schlussendlich in die Höhe gereckt werden. Mit Masken und wo es möglich ist auch mit dem nötigen Corona-bedingten Sicherheitsabstand, lässt sich die Menschenmenge schließlich auf der Karlstraße nieder. Jedoch nicht auf der ganzen Breite. »Den Fahrradweg bitte freimachen«, ruft Schneider in ein Mikrofon und ergänzt: »Wir mögen Fahrräder«. Um diesem Bekenntnis Ausdruck zu verleihen, gibt es für jeden Radler, der vorbeifährt tosenden Applaus und Laola. Manchen der ahnungslosen Vorbeifahrenden scheint jedoch nicht ganz klar zu sein, ob sie hier bejubelt oder veräppelt werden.

Grafik: Goller
Grafik: Goller

Um ein Verkehrschaos zu verhindern, werden Fahrzeuge, die auf der Karlstraße nach Tübingen unterwegs sind, von der Polizei über Silberburg-, Bahnhofstraße und Listplatz umgeleitet. Dort übernehmen Polizisten die Aufgaben der Ampeln. Zu einem kompletten Verkehrschaos kommt es nicht, aber natürlich staut es sich mehr als gewöhnlich um diese Uhrzeit. Den Aktivisten ist das gerade recht. »Autos sind kacke«, ruft jemand. Der darauf folgende Applaus geht direkt über in den Gesang der üblichen FFF-Klassiker: »Wer nicht hüpft, der ist für Kohle«, »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut« und »Klatscht in die Hände - Verkehrswende«. 

Am Listplatz staut sich der Verkehr. Foto: Egenberger
Am Listplatz staut sich der Verkehr.
Foto: Egenberger

Um 18.36 ist die friedliche Kundgebung beendet, die Aktivisten verlassen die Straße. Sechs Personen bleiben jedoch sitzen, weigern sich den Anweisungen von Ordnungsamt und Polizei Folge zu leisten. Fast eine Viertelstunde lang, zeigen die Beamten eine Eselsgeduld und versuchen die Jungs zu überzeugen. Doch vergeblich. Schließlich streifen sich die Polizisten ihre Handschuhe über, bereit einen nach dem anderen von der Fahrbahn zu schleifen. Als die Jugendlichen merken, dass es ernst wird, verlassen sie schließlich die Karlstraße, der Verkehr kann wieder fließen.

Unschönes Ende einer friedlichen Veranstaltung: Einige Jugendliche weigern sich, die Straße zu verlassen. Foto: Egenberger
Unschönes Ende einer friedlichen Veranstaltung: Einige Jugendliche weigern sich, die Straße zu verlassen.
Foto: Egenberger

»Das waren keine von uns«, versichern einige Schüler gegenüber dem GEA. Sie finden die Aktion der Querulanten daneben und hoffen, dass das keine negativen Auswirkungen auf künftige Kundgebungen haben wird. Doch nicht alle kritisieren die Sitzenbleiber. »Ich finde das gut«, sagt ein junger Mann. Er ist überzeugt: »Das hat mehr gebracht als die Kundgebung selbst.« (GEA)

Am Ende müssen die Querulanten ihre Personalalausweise zeigen. Foto: Egenberger
Am Ende müssen die Querulanten ihre Personalalausweise zeigen.
Foto: Egenberger