REUTLINGEN-BETZINGEN. »Man weiß gleich, worum es geht«, sagte Oberbürgermeister Thomas Keck, bevor er den Bagger erklomm: Der offizielle Startschuss für den Neubau der Hoffmannstraßen-Brücke und damit der vierten Maßnahme im Betzinger Hochwasserschutzkonzept war am Montagmittag begleitet vom lautstarkem Rauschen der Echaz, deren Pegel bedrohlich angeschwollen war. Dass sie nicht wie schon so oft den Ortskern flutete, hat einen Grund: »Man sieht, dass die umgesetzten Maßnahmen funktionieren«, stellte OB Keck fest. Noch besser funktionieren sie, wenn die fehlenden Bausteine im Entwicklungskonzept – neben Brücken-Neubau und Schutzwänden die Beseitigung des »Flaschenhalses« – vollends realisiert sind. Die Betzinger müssen sich zwar auf Beeinträchtigungen gefasst machen, doch der Nutzen, da waren sich beim Baggerbiss alle einig, wird überwiegen.
Bei hundertjährigem Hochwasser überschwemmungsfrei
Betzingen ist in den vergangenen Jahren immer wieder böse vom Hochwasser erwischt worden. Deshalb, erinnerte OB Keck, »arbeitet die Stadtverwaltung mit Hochdruck an einer Verbesserung der Situation«. Ziel des Entwicklungskonzepts ist neben der ökologischen Aufwertung der Echaz, die gefährdeten Bereiche – insbesondere Steinachstraße und Im Wasen – bei einem hundertjährigen Hochwasser überschwemmungsfrei zu halten. »Um das zu erreichen, müssen aber zwingend alle Maßnahmen umgesetzt werden«, so der Oberbürgermeister.
Neuralgische Stelle
Das Entwicklungskonzept startete 2017 mit dem Neubau der Hans-Roth-Brücke, die naturnahe Umgestaltung erst des Goosgartens, dann des Geländes bei der ehemaligen Gärtnerei Baisch samt Aufweitung des Uferbereichs folgten. Jetzt also der Neubau von Hochwasserschutzwänden sowie der Brücke Hoffmannstraße. Das Bauwerk aus dem Jahr 1908 ist so marode, dass der Schwerlastverkehr schon lange nicht mehr drüber darf. Wegen ihres zu geringen Durchflussquerschnitts und eines Mittelpfeilers, an dem sich gerne Treibgut verheddert, wird die Brücke bei Hochwasser außerdem zur neuralgische Stelle. Deshalb muss jetzt der Neubau her.
Erst mal Zwangspause
Die Ersatzbrücke kommt ganz ohne Mittelpfeiler aus und wird 70 Zentimeter höher gelegt, was aber auch eine Anhebung des Straßenniveaus nötig macht. Die aufwendigen Vorbereitungen für die Baumaßnahme starteten im April, Brückengeländer und Asphalt sind schon weg. Doch jetzt gibt’s erst mal eine Zwangspause für die Bauarbeiter. »Das Hochwasser bremst uns aus«, nannte Frank Bader, Leiter des Amts für Tiefbau, Grünflächen und Umwelt, den Grund. Arbeiten im Gewässer sind nur außerhalb der Fischschonzeit von Juni bis Oktober erlaubt – ein, so Bader, äußerst knapp bemessener Zeitraum für Abriss und Neubau der Brücke. Bevor losgelegt werden kann, muss abgefischt werden, was aber nur bei Niedrigwasser funktioniert. »Wir müssen abwarten. Aber die Zeit fehlt uns.«
Baustelle bis Herbst 2025
Der Erneuerung der Brücke folgt die Straßensanierung. Bis Herbst 2025 soll die 2,4 Millionen teure Gesamtmaßnahme, die bezuschusst wird, abgeschlossen sein. Weil während der gesamten Bauzeit die Brücke gesperrt ist, wird die Hoffmannstraße zur Einbahnstraße, die Verbindung zwischen den beiden Hauptverkehrsachsen Mühl- und Steinachstraße ist also gekappt. Außerdem kann der Kemmlerplatz nur eingeschränkt genutzt werden, weil der südliche Teil für Baustelleneinrichtungen gebraucht wird. »Das stellt eine Belastung dar«, räumte OB Keck ein, »aber es lässt sich nicht vermeiden.« Denn nur so lasse sich der Hochwasserschutz weiter voranbringen.

Welchen Stellenwert er für die Betzinger hat, machte Dagmar Krause, stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und als Steinachstraßen-Bewohnerin direkt Betroffene, deutlich. Die Situation sei seit Freitag »haarig« gewesen, zur Sicherheit habe die Familie die Spundwände am Haus hochgezogen. Doch trotz aller Befürchtungen hielt es diesmal die Echaz in ihrem Bett. »Das Wochenende hat gezeigt, wie wichtig die Hochwasserschutzmaßnahmen sind: Wir sind froh, dass wir so gut davongekommen sind.« Ein »großes Lob« richtete Dagmar Krause an alle, die am Entwicklungskonzept Echaz mitgewirkt und einen langen Atem bewiesen hätten. Zu wünschen sei eine »zügige Durchführung« der weiteren Maßnahmen, die allerdings, so die kritische Anmerkung zu den Einschränkungen, »geprägt sind von der Fischschonzeit«. (GEA)