KIRCHENTELLINSFURT. Porsche verzichtet auf die geplante Batteriezellfertigung und hat daher, wie berichtet, bei seiner Tochterfirma Cellforce Group GmbH rund 200 von 286 Beschäftigten im August gekündigt – noch vor der Fertigstellung der Fabrik im Industriegebiet Reutlingen-Nord/Kirchentellinfurt (Mahden). Gegen diese Entscheidung und die Art, wie sie mitgeteilt wurde, brachten nun Arbeitnehmervertreter und die beiden Kommunen ihre Enttäuschung und Verärgerung zum Ausdruck.
So stellte der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck fest: »Wir haben alles gemacht, was möglich war, um eine zukunftsträchtige Industrie anzusiedeln, um dann so eine Bauchlandung zu erleben. Das war sehr bitter.« Die Industrie-Gewerkschaft (IG) Metall und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatten am Mittwochmittag mit einem Imbiss-Stand zur Aktion »Pommes frites mit den Bürgermeistern« auf der abgesperrten Straße vor Cellforce eingeladen.
Keck und der Kirchentellinsfurter Bürgermeister Bernd Haug schilderten vor etwa 100 Zuhörern, wie die beiden zwei verschiedenen Landkreisen angehörenden Gemeinden im Jahr 2021 dem »Vorzeigeunternehmen Porsche« das im gemeinsamen Industriegebiet liegende, durch Zufall noch unbebaute Grundstück angeboten und dabei an einem Strang gezogen hätten. Von bis zu 350 Arbeitsplätzen im Vollausbau sei damals die Rede gewesen, erinnerte Haug.
Haug und Keck »knallhart erwischt«
»Arbeitnehmer haben andere Stellen aufgegeben und haben dann nach kurzer Zeit Kündigungen erhalten. Aus der Hoffnung auf eine gute Zukunft ist eine große Enttäuschung geworden. Das tut weh«, sagte der Bürgermeister. Wer darüber leichtfertig hinweggehe, sollte sich schämen, fügte er hinzu.
Haug und Keck versicherten, dass sie von der Nachricht über die Entlassungen »knallhart erwischt worden« und »fassungslos« gewesen seien. Es sei zuvor niemand von Porsche auf sie zugekommen, um zu sagen, dass es eng werden könne.
Keck, Haug und Johannes Schwörer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Reutlingen, hatten im August in einem Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz, Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, Kanzleramtschef Thorsten Frei und den Reutlinger Bundestagsabgeordneten Michael Donth (alle CDU) sowie an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) um Unterstützung gebeten. Arbeitsplätze und technologische Know-how müssten in der Region erhalten bleiben. Nun sagte Keck: »Wir haben bisher keine Antwort erhalten. Auch das ist enttäuschend.« Keck und Haug kündigten an, erneut einen Brief zu schreiben.
Hinweis auf öffentliche Gelder
Harald Buck, Konzernbetriebsratsvorsitzender von Porsche, erklärte am Mittwoch: »Es tut mir leid, dass Porsche so mit den Leuten umgeht.« Er habe wegen des Vorgehens Manager und Mitglieder der Familie Porsche angesprochen, sei aber auf taube Ohren gestoßen.
Auch DGB-Landesvorsitzender Kai Burmeister beklagte, dass Porsche und Cellforce ungerecht mit den Beschäftigten umgehe und sagte: »Das gehört sich einfach nicht!« Wenn öffentliche Gelder an Unternehmen flössen, müssten Unternehmen auch die Pflicht haben, dauerhaft Arbeitsplätze zu besetzen, forderte er. Zudem rief er aber dazu auf, nicht zu resignieren: »Lasst uns um die Zukunft kämpfen.«
Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht
Kai Lamparter, Zwei Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Reutlingen-Tübingen, der die Veranstaltung organisiert hatte, berichtete, dass Cellforce inzwischen einen Betriebsrat gegründet habe. Dieses Gremium habe Mitbestimmungsrechte dabei, wie es im Betrieb weitergehen werde. Im Hinblick auf die Kündigungen sei die Betriebsratsgründung jedoch zu spät gekommen – etwa für Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan.
Etwa 60 Beschäftigte von Cellforce wehren sich derzeit Lamparter zufolge mit Kündigungsschutzklagen vor dem Arbeitsgericht Reutlingen. Ihnen seien Abfindungen nach der Formel 0,5 mal Monatsentgelt mal Beschäftigungsjahre bei Cellforce angeboten worden. Bei ersten Güteverhandlungen sei von den Porsche-Juristen mitgeteilt worden, dass die Entscheidung zur Schließung der Produktion von Cellforce bereits im April dieses Jahres gefallen sei. »Da waren noch Stellen ausgeschrieben und es wurden noch Personen eingestellt«, sagte Lamparter. Gekündigte hätten im Arbeitsgericht auch erfahren, dass Restarbeiten in Kirchentellinsfurt durch Externe erledigt werden sollten.
Der GEA bat am Mittwochnachmittag bei der Porsche-Pressestelle um eine Stellungnahme. Porsche wolle sich auf die Anfrage nicht weiter dazu äußern, teilte darauf ein Sprecher des Unternehmens mit. (GEA)

