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Aktuell Haftungsklage

Wirecard-Skandal: Kirchentellinsfurter Kanzlei verklagt Finanzaufsicht Bafin

Die staatliche Finanzaufsicht ist im Wirecard-Skandal unter Druck geraten. Anlegeranwälte reichen Klage gegen die Bafin ein. Die Behörde weist deren Argumente zurück.

Wirecard
Der Schriftzug von Wirecard ist an der Firmenzentrale des Zahlungsdienstleisters in Aschbeim bei München zu sehen. Foto: Peter Kneffel/dpa
Der Schriftzug von Wirecard ist an der Firmenzentrale des Zahlungsdienstleisters in Aschbeim bei München zu sehen. Foto: Peter Kneffel/dpa

KIRCHENTELLINSFURT. Im Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard verklagt die Kirchentellinsfurter Anwaltskanzlei Tilp die staatliche Finanzaufsicht Bafin auf Schadenersatz.

Die Anlegerschutz-Kanzlei hat nach eigenen Angaben vom Freitag Amtshaftungsklage beim Landgericht Frankfurt eingereicht. »Die Bafin hat sich unseres Erachtens jahrelang unter grober Missachtung ihrer gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse eigener Ermittlungen gegenüber der Wirecard AG wegen Marktmanipulation verweigert«, argumentierte Rechtsanwalt Andreas Tilp. Die Aufsicht habe einseitig gegen Journalisten und Leerverkäufer agiert, obwohl sie die öffentliche Berichterstattung über massive Unregelmäßigkeiten der Wirecard AG gekannt habe.

Die Finanzaufsicht betonte in einer Stellungnahme, sie sei sämtlichen Hinweisen, die sie erhalten habe, pflichtgemäß nachgegangen. »Die Bafin teilt die von der Kanzlei Tilp geäußerte Rechtsansicht ausdrücklich nicht, sie habe leichtfertig ihre Pflichten zur Aufklärung und Anzeige von Marktmanipulationen und Information verletzt.« Das Landgericht Frankfurt war zunächst nicht zu erreichen.

Der inzwischen insolvente Dax-Konzern Wirecard hatte im Juni dieses Jahres Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Aktie hatte massiv an Wert verloren. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Wirecard-Vorstand seit 2015 Scheingewinne erfand. Der Schaden für die kreditgebenden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren.

»Hätte sie (Bafin) ordnungsgemäß ermittelt, wäre der Bilanzbetrug am Freitag, dem 15. Februar 2019, längst öffentlich bekannt gewesen«, argumentierte Tilp. »Stattdessen hat die Bafin an diesem Tag erstmals die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, DPR, zur Prüfung etwaiger Verstöße der Wirecard AG gegen Bilanzrecht im Halbjahresfinanzbericht 2018 veranlasst«. Aus seiner Sicht haftet die Bafin zumindest für Geschäfte mit Wirecard-Papieren, die ab dem 18. Februar 2019 erfolgten, auf Schadenersatz.

Die Finanzaufsicht erklärte hingegen: »Amtshaftungsansprüche von Dritten, wie Anlegern oder Kunden von beaufsichtigten Unternehmen, sind gegenüber der Bafin gesetzlich ausgeschlossen.« Die Aufsicht nehme ihre Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahr.

Zugleich betonte die Bafin, ein Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMug) sei gegen die Behörde aufgrund des Anwendungsbereiches des Gesetzes nicht möglich. Die Kanzlei hat nach eigenen Angaben die Einleitung eines derartigen Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Frankfurt beantragt.

Die Bafin hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass sie nicht die volle Aufsicht über Wirecard hatte, weil lediglich die Tochterbank des Skandalunternehmens als Finanzdienstleister eingestuft war, nicht jedoch der gesamte Konzern. (dpa)