Logo
Aktuell Ökologie

Naturnahe Pflege für Flüsse und Seen

Bauhof- und Verwaltungsleute aus dem ganzen Landkreis bilden sich beim Gewässernachbarschaftstag fort

Besichtigung aus der Boots-Perspektive: Die Fachleute lernten die Lauter als Beispiel für die naturschonende Gewässerunter- halt
Besichtigung aus der Boots-Perspektive: Die Fachleute lernten die Lauter als Beispiel für die naturschonende Gewässerunter- haltung kennen. FOTO: BLOCHING
Besichtigung aus der Boots-Perspektive: Die Fachleute lernten die Lauter als Beispiel für die naturschonende Gewässerunter- haltung kennen. FOTO: BLOCHING

MÜNSINGEN. Einfach ab und zu Holz machen, »krauten« und dabei den Fischbestand und die Biberburgen im Auge behalten? So einfach haben es die Leute, die in den Kommunen für die Pflege von Bächen, Flüssen und Seen zuständig sind, nicht. Infos zu aktuellen Themen und praxisnahe Tipps zur Arbeit im Spannungsfeld zwischen Naturschutz, Funktionalität und Gesetzgebung bekommen Bauhof- und Verwaltungsmitarbeiter aus dem ganzen Landkreis Reutlingen einmal im Jahr beim Gewässernachbarschaftstag.

Rund 30 Teilnehmer kamen im Biosphärenzentrum in Münsingen zusammen, wo Referenten der Natur- und Wasserschutzbehörde im Landratsamt das Zusammenspiel von Gewässerunterhaltung und Naturschutz sowohl unter juristischen als auch biologischen Kriterien beleuchteten. Nachmittags führte Jürgen Weber, Tiefbauamtsleiter bei der gastgebenden Stadt Münsingen, die Gruppe an und im Boot auch auf die Lauter, die ein gutes Beispiel für das enorme Umdenken im Umgang mit Gewässern ist, der sich in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat.

»In den 1960er-Jahren wurde die Lauter zwischen Buttenhausen und Hundersingen komplett verlegt, um Flächen für die Schaffung von Wohnraum zu gewinnen«, so Weber. Dass derartige Eingriffe ökologisch nicht der Weisheit letzter Schluss waren, hatte Hans Ostertag in seiner Diplom-Arbeit zur Landschaftspflege an der Fachhochschule Nürtingen dargelegt. Im Zuge dieses Umdenkens koordinierte der im November 2016 verstorbene Hans Ostertag als Bauhofleiter in Münsingen die ökologische Aufwertung der Lauter in den 1990ern als Ausgleichsmaßnahme für die Flurbereinigung.

Der Biber hat freies Geleit

Altarme wurden wieder geöffnet, Gehölze angepflanzt und Inseln geschaffen. Damals noch kein, heute ein großes Thema ist der Biber: Acht Burgen, so Weber, haben Vertreter der auf die Alb zurückgekehrten Art allein zwischen Buttenhausen und Hundersingen gebaut. Zu Spitzenzeiten – wenn der Nachwuchs noch nicht ausgezogen ist – leben dort 30 Tiere. Die Gänge, die sie graben, und die Nahrungssuche, die sie auch auf angrenzende Felder führt, sorgen bisweilen für Konflikte mit der Landwirtschaft.

Als geschützte Art hat der Biber allerdings »freies Geleit«, berichtete Hans-Jörg Brändle vom Landratsamt, der den Vertretern der Kommunen einen Praxis-Leitfaden für naturschonende Gewässerunterhaltung an die Hand gab. Entwickelt und fortgeschrieben wurde und wird die Veröffentlichung von der Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung WBW. »Naturschutz und Gewässerunterhaltung stehen sich manchmal entgegen. Ein Mittelmaß zu finden ist oft schwierig, aber nicht unmöglich«, so Brändle.

Nach der Devise »so viel wie nötig, so wenig wie möglich« wird an Gewässern und Ufern außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten von Tieren von Oktober bis Februar gefällt, gemäht und gekrautet. Wasserpflanzen und Gehölze bieten unter ökologischen Gesichtspunkten Lebensraum für Tiere und stabilisieren mit ihren Wurzeln das Ufer. Sie behindern aber auch den Abfluss und kollidieren deshalb mit den Interessen des Hochwasserschutzes und der Landwirte, verdeutlichte Brändle ein Beispiel, wie schwierig die Abwägung der Pflegemaßnahmen im konkreten Fall oft ist.

Zumal auch juristische Spielregeln auf verschiedenen Ebenen vom Bundesnaturschutzgesetz bis hin zum europaweit gültigen »Natura 2000«-Schutzgebietsnetz zu berücksichtigen sind. Auch die Lage – inner- oder außerorts – spielt eine Rolle, neuralgische Punkte wie Brücken, Engstellen oder die Nähe zwischen Ufer und Straße werden gesondert behandelt. Auch hier gibt es keine Patentrezepte: »Wenn die Straße droht, einzubrechen, dann werden Böschungen und Ufer stabilisiert. Andernorts dagegen werden Erosionen zugelassen – wo keine Infrastruktur oder Nutzung gefährdet wird, ist naturnahe Gewässerentwicklung erwünscht«, gab Brändle den Fachleuten als Richtschnur für die Praxis mit auf den Weg. (GEA)