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Münsinger Ausstellung zeigt wie das Kriegsende war

Das Stadtarchiv hat eine Ausstellung zum Kriegsende zusammengestellt und wird sie nach Corona zeigen

Neben dem Kirchturm waren die Schornsteine des Zementwerks markante Punkte des Münsinger Stadtbilds. Dort hisste einer der Einwo
Neben dem Kirchturm waren die Schornsteine des Zementwerks markante Punkte des Münsinger Stadtbilds. Dort hisste einer der Einwohner eine weiße Fahne. FOTO: STADTARCHIV
Neben dem Kirchturm waren die Schornsteine des Zementwerks markante Punkte des Münsinger Stadtbilds. Dort hisste einer der Einwohner eine weiße Fahne. FOTO: STADTARCHIV

MÜNSINGEN. Die Front rückte immer näher im Frühjahr 1945. Die Sirenen heulten tags und nachts, es gab Gerüchte, dass die Stadt Münsingen geräumt werden sollte. Nachdem die Franzosen am 20. April Reutlingen und am 21. April Stuttgart besetzt hatten, zog ein endloser Strom deutscher Soldaten aus dem Stuttgarter Raum durch die Stadt. Während die Amerikaner durch das Lenninger Tal vorstießen, rückten die Franzosen über Tübingen und Reutlingen auf die Alb vor.

Gegen Ende April überschlugen sich die Ereignisse. In Münsingen und den Teilgemeinden waren etliche Soldaten, die auf dem Rückzug waren, einquartiert. Einige Offiziere versuchten, aus den versprengten Soldaten eine Einheit zur Verteidigung der Stadt aufzustellen. Das scheiterte ebenso wie die Mobilisierung des Volkssturms. Gleichzeitig gab es auf dem Rathausplatz Protestkundgebungen der Bevölkerung, vor allem von Frauen und älteren Männern, die die kampflose Übergabe der Stadt forderten.

Kampf um Münsingen

Am späten Abend des 23. April bestieg Ludwig Bückle den 72 Meter hohen Turm des Zementwerks und hisste eine weiße Flagge. Er wollte die wenigen Verteidigungswilligen vor vollendete Tatsachen stellen. Doch noch in derselben Nacht ließ der damalige Bürgermeister Otto Werner die Fahne wieder abnehmen – nicht, weil er die Stadt verteidigen wollte, sondern weil er befürchtete, die eigenen Truppen könnten Münsingen beschießen.

Am 22. April rückten die Amerikaner in Magolsheim und Böttingen ein. Einige Magolsheimer hatten weiße Tücher aus den Fenstern gehängt, und so konnte der Bürgermeister Anton Waßner die Stadt übergeben. Die Amerikaner besetzen zahlreiche größere Bauernhäuser, durchsuchten alle Gebäude nach versteckten Soldaten und Waffen und setzen eine strenge Ausgangssperre an. Gleiches geschah am selben Tag in Böttingen. Am 23. April wurde Trailfingen von amerikanischen Soldaten besetzt. Auch hier befanden sich noch einen Tag vorher deutsche Einheiten, doch sobald diese abgezogen waren, hissten auch die Trailfinger weiße Tücher. Von zwei Stellungen aus nahmen die Amerikaner Münsingen und das Alte Lager unter Feuer, ohne jedoch großen Schaden anzurichten. In Münsingen starb ein Bauer, der seinen Keller verlassen hatte.

Dottingen und Rietheim wurden am 24. April besetzt. In Dottingen lief das vergleichsweise harmlos. In Rietheim wurde ein deutscher Feldwebel vom Pferd geschossen. Die Kernstadt und Auingen wurden am 24. April von amerikanischen Soldaten besetzt. Als bekannt wurde, dass der Proviantvorrat des Alten Lagers nicht mehr bewacht wurde, stürmte die Bevölkerung dieses und nahm mit, was zu kriegen war. In Münsingen waren Opfer zu beklagen. In der Nacht vom 23. auf den 24. April brachte der Wirt der »Post« seine Frau und seine drei Töchter sowie sich selbst um. Er glaubte wohl, als überzeugter Nationalsozialist sich und seine Familie lieber töten zu müssen, als in Gefangenschaft zu geraten. Es kam auch zu einzelnen Kampfhandlungen. Eine der wenigen organisierten deutschen Kampftruppen, befehligt von Hauptmann Hansjörg Kimmich, erreichte nachts am 23. April Münsingen. Ein Teil bezog Stellung außerhalb der Stadt, um einen Vorstoß der Franzosen abzuwehren. Etwa 1 000 Mann nahmen Quartier in Münsingen.

Da wenig Informationen vorlagen, wusste Kimmich nicht, wie nahe die Amerikaner bereits vorgerückt waren. Ein Radfahrspähtrupp sollte noch in der Nacht die Gegend Richtung Trailfingen erkunden. Dabei trafen die Späher auf amerikanische Panzerwagen und eilten zurück nach Münsingen, verfolgt von amerikanischen Fahrzeugen. Es kam zu Schusswechseln, bei denen einige deutsche Soldaten fielen. Die Kampftruppe Kimmich zog sich daraufhin Richtung Lautertal zurück und wurde noch in derselben Nacht bei Bichishausen aufgelöst.

Am 24. April gegen 13 Uhr stießen amerikanische Panzer von Trailfingen kommend auf die Stadt vor. Dabei gab es einige Feuergefechte mit einzelnen deutschen Soldaten in der Lichtensteinstraße, Achalmstraße, am Zementwerk und der Lammkreuzung. Dabei starben zehn bis fünfzehn deutsche Soldaten. Auch ein 17-jähriges Mädchen wurde tödlich getroffen. Auingen wurde kampflos übergeben. Die Lautertalgemeinden wurden als Letzte besetzt. Als am 26. April die Lautertaldörfer von französischen Einheiten übernommen wurden, kam es in der Nacht auf den 27. April zu schrecklichen Ereignissen, vor allem in Hundersingen, Buttenhausen und teilweise auch in Bremelau und Bichishausen. Plünderungen und zahlreiche Vergewaltigungen mussten die Frauen und die Bevölkerung erleiden. Apfelstetten wurde erst am 1. Mai besetzt, wohl aufgrund der Lage abseits der Durchgangsstraßen. (fm)

 

AUSSTELLUNG GEPLANT

»Münsingen – das Ende des Zweiten Weltkriegs und dessen Folgen. Mangel, Requisition und Entnazifizierung«: Das ist der Titel einer Sonderausstellung, die das Münsinger Stadtarchiv zum 75. Jahrestag des Kriegsendes zeigen möchte. Corona-bedingt musste die Eröffnung auf ein noch unbekanntes Datum verschoben werden. Anhand von fünf Begriffen (Mangel, Requisition, Entnazifizierung, Besatzung und Kriegsgefangene) wird die Situation kurz nach Kriegsende für die Bevölkerung thematisiert. (em)