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Lernen in viralen Zeiten

Klassenzimmer
Foto: dpa
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Der Klassen- und Mathelehrer meiner Realschülerin sieht den Corona-Zwangsurlaub entspannt. Mit dem Stoff sind seine Schüler durch, jetzt müsse nur noch geübt werden, mailt er. Das liebe Kind hat die Prüfungsaufgaben der letzten Jahre und einen ausgeklügelten Lernplan mit nach Hause bekommen. Sieht einfach aus, aber der Herr Lehrer warnt ausdrücklich »Jedoch bedeutet dies nicht, dass sich ihre Kinder die nächsten Wochen entspannt zurücklehnen können«.

Dem Mann schwant was, mir auch. Einer 15-Jährigen auf die Finger schauen zu müssen, ist auch außerhalb der Zeiten der Pandemie eine nervliche Belastung für alle Beteiligten. Die Vorstellung, die nächsten Wochen einen Teenager erst mit freundlichen Worten, dann Kontrolle und letztlich wüsten Drohungen zum Home-Learning anzuhalten, lässt die Möglichkeit eines frühzeitigen virenbedingten Ablebens in einem anderen, freundlicheren, Licht erscheinen. Denn eines ist klar: Sechs Wochen Mathe mit Papa wird die familiären Verhältnisse unheilbar zerrütten, da sind Beziehungen schon aus ganz anderen Gründen zerbrochen. Mit »Du wirst mir einmal dankbar sein« brauch ich nicht anfangen, das ist klar, glaub ich ja selbst nicht.

Nachdem meine letzten Bemühungen – trotz ausgeprägter pädagogischer Fähigkeiten – zu Selbstmorddrohungen geführt haben, hatte der Familienrat der Beauftragung einer Nachhilfe zugestimmt. Die ist leider auf eine weiterführende Schule entschwunden. Aber Moment mal – weiterführende Schule? Corona-Ferien? Gleich mal anrufen? Lieber nicht, das wäre ein Quarantäneverstoß. »Die schafft das auch allein«, meint Tochter Nummer zwei, die sich derweil in der Küche aufs Abi vorbereitet. Tag eins lief gut, also erst mal »entspannt zurücklehnen«.