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Wie sich der Landkreis Reutlingen auf eine zweite Welle vorbereitet

Foto: Lenk
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REUTLINGEN/MÜNSINGEN. »Es gibt ein sehr dynamisches Pandemiegeschehen in Deutschland und auch im Landkreis Reutlingen«, sagte Landrat Thomas Reumann bei einem Pressegespräch zur aktuellen Entwicklung gestern Nachmittag im Landratsamt. Die Zahl der Inzidenzfälle pro 100 000 Einwohner im Reutlinger Landkreis erhöht sich, wenn auch nur leicht. Von 4,2 ist sie in den vergangenen sieben Tagen auf 5,2 gestiegen.

Am Wochenende hat es allein acht neue positiv getestete Fälle gegeben, berichtete Dr. Gottfried Roller, der Leiter des Kreisgesundheitsamts. Dem Landkreis steht ein Großteil der Urlaubsrückkehrer aus dem Ausland noch bevor. Ihnen steht eine kostenlose Testung innerhalb von 72 Stunden nach der Ankunft in Deutschland zu. Zudem haben Erzieher, Lehrer und Betreuer in der Kindertagespflege die Möglichkeit, sich zwischen dem 17. August und 30. September zwei Mal testen zu lassen.

Das stellt den Landkreis vor die Frage, ob die Kapazitäten zum Testen ausreichen. Landrat Reumann sieht den Kreis in der Pflicht, vorzusorgen. »Wir wollen die Älteren und Schwachen größtmöglichen Schutz zukommen lassen und dazu gehört auch, zu testen – für das Nachverfolgen, Isolieren und die Quarantäne.«

Schmales Zeitfenster

Daher wird ab dem 17. August in Münsingen die zentrale Abstrichstelle wieder geöffnet. »Nach der Hochzeit der Pandemie wurden beide Standorte – Münsingen und Reutlingen – auf Stand-by gehalten, so sind wir in der Lage, den Bedarf zu decken«, erklärte Reumann.

Dr. Johannes Fechner, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung BW (KV BW) rechnet mit jeder Menge Menschen, die sich testen lassen werden. Die KV BW übernimmt die Logistik, Laboruntersuchung und koordiniert das medizinische Personal. Der DRK-Ortsverein hat seine ehrenamtliche Mitarbeit ebenfalls zugesagt.

Gestartet wird zunächst mit einem schmalen Zeitfenster, das nach Bedarf angepasst wird. Gleiches gilt für die Testkapazität. Wenn nötig, kann die zentrale Abstrichstelle in Reutlingen installiert und ergänzend ein Fieberzentrum eingerichtet werden. »Wir wissen im Moment schlicht nicht, wie viele kommen«, sagt Landrat Reumann. Zumal voraussichtlich im Laufe der kommenden Woche für Urlaubsrückkehr aus einem Risikogebiet eine Testpflicht gelte, wie Johannes Fechner erklärte. Diese müssen sich entweder innerhalb 48 Stunden vor oder 72 Stunden nach der Einreise testen lassen.

Die zentrale Abstrichstelle soll die Praxen der Haus- und Kinderärzte im Kreis entlasten. Lehrer ab 60 Jahren müssten nicht in die Schulen, so sollten nach Ansicht von Fechner auch ältere Ärzte die Möglichkeit haben, Tests in ihren Praxen abzulehnen. Zudem sollen die sechs Corona-Schwerpunktpraxen im Landkreis unterstützt werden.

200.000 Verdachtsfälle

Im März dieses Jahres hätten die Kassenärzte in Baden-Württemberg 200 000 Mal die Diagnose »Verdacht auf Covid-19« abgerechnet, darunter seien 15 000 bestätigte Fälle gewesen, erklärte Fechner. Davon wiederum seien 3 000 Menschen stationär im Krankenhaus behandelt worden, was 20 Prozent der Erkrankten ausmache. Der Umkehrschluss: 80 Prozent sind ambulant behandelt worden. »Wir sind daher so gut weggekommen, da die niedergelassenen Ärzte den Krankenhäusern den Rücken freigehalten haben«, betonte Johannes Fechner.

Fünf Eskalationsstufen hat der Landkreis definiert, basierend auf den Zahlen bestätigter Fälle und Kontaktpersonen. Momentan befindet er sich in Stufe zwei. 1 597 Fälle gibt es insgesamt im Landkreis (siehe Infobox). Dennoch überlegen die Verantwortlichen, ob sie eine Stufe höher gehen, da die Nachverfolgung der zahlreichen Kontakte Personal benötigt.

Je nach Stufe werden Mitarbeiter von der aktuellen Arbeit abgezogen und dem Sachgebiet Pandemie zugeordnet, erläuterte Reumann. Stufe vier bedeute den Krisenstab einzuberufen, in der höchsten Stufe den Katastrophenstab.

Thomas Reumann wie auch Johannes Fechner betonten, dass es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handle, dass keine zweite Welle entstehe. »Wie sich die Pandemie entwickelt, wissen wir alle nicht«, sagt der Landrat, der es jedoch nicht versteht, dass Menschen keine Maske tragen und den Abstand nicht wahren. Und er appellierte an alle Landkreis-Bewohner: »Das Pandemiegeschehen hängt davon ob, wie sehr wir uns selber in die Pflicht nehmen.« (GEA)