MÜNSINGEN/NÜRTINGEN. Urlaub in Deutschland ist der Renner. Auch die Schwäbische Alb profitiert davon. Studierende der Studiengänge Landschaftsplanung und Naturschutz sowie Gesundheits- und Tourismusmanagement der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt entwickeln derzeit dazu passende Konzepte für naturnahe Erholungsreisen. Ein interdisziplinäres Projekt, das Studierende der Wirtschaftswissenschaften und des Naturschutzes zusammenführt.
Immer mehr Gäste entdecken die raue Hochfläche der Schwäbischen Alb, als Geheimtipp tritt sie allmählich aus dem touristischen Schatten des Allgäus und des Schwarzwalds heraus. Naturnahe Erholung hat seit der Pandemie eine Dynamik entfaltet, die völlig neue Tourismusvarianten entstehen lässt.
Insgesamt elf studentische Gruppen der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) arbeiten derzeit an nachhaltigen Konzepten für Gesundheitstourismus. Sie untersuchen unterschiedliche touristische Ziele auf der Alb. Dabei geht es zum einen um die Natur- und Landschaftsqualität, aber auch um die wirtschaftlichen Voraussetzungen und Potenziale des »Albtourismus«.
Betriebswirtschaftliche Fragen
Natur und Landschaft sind das eine, aber Tourismus muss sich rechnen. »Die nachhaltige Entwicklung hat für uns Priorität, aber wir müssen auch Geld verdienen«, bringt es Andreas Hartmaier auf den Punkt. Der Architekt betreibt seit zehn Jahren die Hopfenburg in Münsingen. Auf zehn Hektar Fläche finden sich hier ein naturnaher Campingplatz mit Blumen- und Streuobstwiesen, ein Hof mit ökologischer Landwirtschaft, Hofladen, Tagungs- und Veranstaltungsstätten und Ferienunterkünfte wie ausgebaute Zirkuswagen, originalgetreue Indianertipis und kirgisische Jurten. Das Ganze wird mit innovativer Energie- und Versorgungstechnik betrieben, die jede Möglichkeit der CO2- Vermeidung nutzt.
Das Konzept funktioniert: Trotz Corona kam die Hopfenburg im vergangenen Jahr auf 38 000 Übernachtungen, unwesentlich weniger als vor der Pandemie. Eine Zahl, die den Zusammenhang zwischen ökologischem Anspruch und ökonomischer Realität deutlich macht: Rund viereinhalb Millionen Euro stecken in dem Projekt.
Neben der Untersuchung möglicher touristischer Ziele und deren ökologischer Bedeutung stehen für die Studierenden immer auch betriebswirtschaftliche Fragen auf der Tagesordnung: Die Gesundheits- und Tourismusökonomen des Hochschulstandortes Geislingen analysieren Wertschöpfungsketten lokaler Erzeuger, Vermarktungskonzepte, Kostenstrukturen und Investorenmodelle. Die Landschaftsplaner der HfWU in Nürtingen betrachten dagegen die Einbindung von Biosphärengebieten und Geoparks, den Landschaftsverbrauch und Landschaftsschutz.
Aus den verschiedenen Aspekten entwickeln die Studierenden gemeinsam und interdisziplinär gesundheitstouristische Konzepte und digitale Vermarktungsmodelle. Die Teams besuchen dabei neben der Hopfenburg das ehemalige Alte Lager und benachbarte Naturreservate bei Münsingen. Sie befassen sich mit Erzeugern wie Alb-Gold, aber auch der Albbüffelfarm von Willi Wolf, mit Metzgereien, Schäfereien, Bäckereien und gastronomischen Betrieben.
Andere Blickwinkel
»Die Schwäbische Alb bietet heute schon mustergültige Ansätze und Modelle für naturnahen Tourismus«, beschreibt Dr. Steffen Scheurer, Professor am Studiengang Gesundheits- und Tourismusmanagement, die Vielfalt, die die Region auszeichnet. Sein Kollege Professor Dr. Roman Lenz, der im Studiengang Landschaftsplanung und Naturschutz lehrt, beschreibt sie als ein Modell, bei dem nachhaltiger Tourismus parallel zum Biosphärengebiet entwickelt wurde.
Professor Dr. Horst Blumenstock, betont vor allem den interdisziplinären Ansatz. »Wir haben hier Studierende aus zwei völlig unterschiedlichen Studiengängen, Ökologen und Ökonomen. Sie haben ebenso unterschiedliche Sichtweisen und es ist wichtig, die Studierenden aus ihrer fachlich geprägten Blase herauszuführen.« Der Biologe Dr. Markus Röhl und die Ärztin Dr. Barbara Wild, beide Professoren an der HfWU, waren ebenfalls in das Projekt eingebunden.
Jil Kummer studiert im sechsten Semester Gesundheits- und Tourismusmanagement und schätzt es sehr, den Blickwinkel der Studierenden des anderen Studienganges kennengelernt zu haben. »Wir haben eine gemeinsame Sprache gefunden trotz der völlig anderen fachlichen Perspektiven. Es war unheimlich spannend und ich wünsche mir noch mehr Interdisziplinarität im Studium und definitiv auch diese Exkursionen.«
Während der Pandemie arbeiteten rund 50 Studierende in elf Gruppen ausschließlich in digitalen Lehrformaten. »Das sind wir inzwischen gewohnt«, sagt Jil Kummer, »aber in Präsenz wäre das Ganze natürlich schöner gewesen.« Die Vorschläge, die die Studierenden erarbeiten, werden mit den Vermarktungskonzepten des Biosphärenreservats abgestimmt und sollen in die nachhaltige Tourismuskonzeption des Landes Baden-Württemberg integriert werden. (GEA)