GAMMERTINGEN. »Orgelspielen kannst du mit 70 noch so gut wie mit 30 Jahren.« Das sagte Gammertingens Organist Gerhard Buck vor zehn Jahren. Dass man’s auch mit über 80 noch so gut kann, beweist er fast jeden Sonntag. Und das seit 60 Jahren. Wenn er mal fehlt, fehlt er. »Heut hat aber nicht der Gerhard georgelt«, stellen die Kirchgänger dann fest. Am Ostersonntag orgelt er. Die Töne werden gen Himmel steigen, aber auch hinieden in St. Leodegar erfreuen, wenn Buck in die Tasten greift und alle Register zieht. Mit ihm feiert die Pfarrgemeinde St. Leodegar sein Organisten-Jubiläum: 60 Jahre im Dienste der Musica Sacra.
Seit 60 Jahren sitzt Buck also schon auf der Orgelbank, 57 Jahre davon in Gammertingen, wo er fast sein ganzes Berufsleben lang als Musiklehrer an der Grund- und Hauptschule den Schülern die richtigen Töne beibrachte. Lehrer und Organist – das gehörte irgendwie zusammen. In St. Leodegar hat er einige Pfarrer kommen und gehen sehen. Mit Wolfgang Drescher und dem Rest des Pastoralteams ist gut geschirren. »Die lassen mich machen.« Und wissen genau, dass er’s gut macht. Drescher lobt die Zuverlässigkeit seines Organisten. Auf Buck ist Verlass, der ist da, wenn er gebraucht wird. So wie an fast jedem Sonntag. Immer an den Hochfesten und am Patrozinium. Nur im Urlaub wird geschwänzt. Oder jetzt, wenn Kommunion in Gammertingen ist. Da wird anderswo das jüngste Enkelkind getauft.
»Das ist wie tanzen, nur im Sitzen. Mit Händen und Füßen. Und dem Kopf natürlich«
Im Lehrerseminar in Weingarten hat Buck in den 1960er-Jahren die C-Prüfung zum Kirchenmusiker abgelegt – seither darf er Orgel spielen und Kirchenchöre leiten. Bis vergangene Weihnachten dirigierte er den Kirchenchor Rulfingen, zuvor hatte er jahrzehntelang den Gammertinger Kirchenchor geleitet, parallel dazu 15 Jahre lang den Gospelchor Spirit of Joy. Der Orgel ist er noch immer treu und will es auch noch lange bleiben. Sechs Jahrzehnte an der Orgel, das scheint fit zu halten. »Das ist wie tanzen, nur im Sitzen. Mit Händen und Füßen. Und dem Kopf natürlich.«
Fit und flexibel: Buck spielt viel spontan, je nach Situation. Die Kirchenlieder am Sonntag werden vom Pfarrer vorgegeben oder mit ihm abgestimmt – »da muss ich nichts mehr üben« –, Einzug, Auszug und Zwischenstücke benennt der Pfarrer in seinen Aufzeichnungen mit »Orgel«. Da kann sich der Organist frei entfalten. »Ich spiele, was gerade passt.« Wenn die Kommunionkinder einmarschieren, spielt er gern die englisch-königliche Hymne »Land of Hope and Glory«. Ansonsten improvisiert er oft »eigene Stücke, ohne sie jemals aufgeschrieben zu haben«. Hilfe ist ihm dabei die Jazzmusik seiner frühen Musikerjahre. »Selbst wenn ich mit den Gedanken mal kurz woanders bin, kann ich improvisieren und verliere nie den roten Faden.«
Fast immer an seiner Seite ist seine Ehefrau Christa. Sie begleitet ihn auch musikalisch. Buck erinnert sich an einen der ersten Gottesdienste während der Corona-Pandemie. Da saßen Pfarrer, Diakon, Pastoralreferent und Mesmerin in der Kirche, und »ich hab georgelt wie jeden Sonntag«. Seine Frau habe dazu gesungen. So ging das noch eine ganze Weile, als man aus Angst vor dem Virus und hinter Masken im Kirchenschiff nicht singen durfte. »Ich habe georgelt, Christa hat gesungen«, sagt er. »So oft war ich noch nie in der Kirche«, sagt sie schmunzelnd.
Ohne seine Frau und ohne deren Verständnis wäre das alles so nicht möglich gewesen, sagt Buck. »Da brauchst du jemand, der mitzieht.« Das wird sie wohl noch eine Weile müssen, denn ans Aufhören denkt ihr Ehemann noch lange nicht. »Warum auch, ich mach das noch gern, das macht mir noch riesig Spaß.«
So freut sich das Ehepaar Buck auf den Ostersonntagsgottesdienst, der ein ganz besonderer sein wird. Pfarrer Drescher wird seinem Organisten unter anderem eine Urkunde vom Freiburger Amt für Kirchenmusik überreichen, mit der er für »60 Jahre treue Tätigkeit als Organist im Dienste Gottes« geehrt werden wird. Ein vom Erzbischof selbst bestätigtes »seltenes Jubiläum«.
Zu Ehren des Jubilars wird unter der Leitung von Bettina Deißinger der Kirchenchor die von Buck selbst komponierte Missa in G mit lateinischem Text singen. Begleitet wird der Chor, wie könnte es anders sein, von Gerhard Buck an der Orgel. Dann werden die Töne gen Himmel steigen und auch in der Kirche St. Leodegar erfreuen. (GEA)

