MÜNSINGEN. Rund 500 Gastwirtschaften in ganz Alt-Württemberg von Blaubeuren bis Pforzheim lagen in den vergangenen Jahrhunderten in der Hand der Familie Autenrieth. »Sie zählten früher zu den reichsten Leuten auf der rauen Alb«, berichtet Hans-Stefan Hascher, der über ein enormes Wissen zur Geschichte seiner Vorfahren verfügt und dieses in seinem Buch »Die Hirsch-Wirte und Posthalter in Feldstetten« niedergeschrieben hat. Mehr als 20 Stämme zählt die Sippschaft heute, Hascher selbst ist Nachfahre der Stämme A, B und D. Die Linien sind zwischenzeitlich weit verzweigt.
Hier den Überblick zu behalten, hat sich der im Jahr 1902 gegründete und als Verein eingetragene »Familienverband Autenrieth« auf die Fahnen geschrieben. Ihm gehören rund 260 Mitglieder an. Alle zwei Jahre finden Familientreffen statt, so auch jetzt wieder in Münsingen im Gasthof »Herrmann« bei Familie Autenrieth, die ebenfalls zum Stamm gehört. Schwerpunkt der Verbandsarbeit ist die Familienforschung, für die auch Hans-Stefan Hascher brennt. So wurde herausgefunden, dass es den Autenrieths mindestens drei Generationen vor der Aufhebung der Leibeigenschaft gelungen ist, die frühmittelalterlichen Fesseln zu lösen. »Sie schmiedeten durch eine inzüchtige und standesgemäße Heiratspolitik über mindestens acht Generationen hinweg eine Art Transport-, Gastwirt- und Beherbergungskartell, welches 1810 in der Erhebung von Christoph Autenrieth zum königlichen Posthalter von Feldstetten seinen Höhepunkt fand«, ist von Hascher zu erfahren.
Die Hirsch-Wirte und Posthalter von Feldstetten gehen auf die Familien Mack und Autenrieth zurück. Nachkommen betreiben heute das Hotel »Post« in bereits der 23. Generation. Durch Jakob Autenrieth, den Bruder von Christoph, kam die Familie nach Münsingen. Er heiratete Elisabeth Schöll, die Tochter des Posthalters, und übernahm das Gasthaus »Hirsch« in der Hauptstraße. Abkömmlinge betrieben später den »Adler«, die »Krone«, den »Grünen Baum«, das »Rössle« und schließlich auch das Gasthaus »Herrmann« in Münsingen. Heute gibt es davon nur noch Letzteres. »Um den Namen Autenrieth kam man auf der Alb nicht herum«, so Hascher. Die Familie gehörte zur höchsten Kaste, die Heirat mit ebenfalls Vermögenden sei für die Zukunft des Autenrieth-Gasthausimperiums »überlebensnotwendig« gewesen.
Überkreuz-Heira
Das wiederholte Überkreuz-Heiraten von Vettern und Basen über mehrere, aufeinanderfolgende Generationen hinweg zwischen Simmendinger, Autenrieth, Unsöld, Lang, Walter und Schöll geschah aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, es war auch Schutz vor religiöser Verfolgung. »Die Autenrieth-Luther-Bibel war in dieser Zeit der Anker der Existenz«, ist im Buch von Hascher zu lesen. Diese Bibel von 1729 mit Goldstich gilt als ältestes heute noch vorhandenes Familienrelikt der Autenrieths und wurde einst von Anna Rosina Autenrieth vom »Rössle« in Ennabeuren mit in die Ehe nach Talsteußlingen gebracht.
Wie viele seiner Vorfahren forscht auch Hascher in der Familiengeschichte, die zum ersten Mal detailliert von Hugo Schuler, der mit der Tochter Emma des Feldstetter Posthalters Jakob Autenrieth verheiratet war, aufgearbeitet wurde. Er gründete 1902 den Familienverband und brachte 1925 und 1937 jeweils ein Buch heraus. Schon 1913 haben sich die Sippenstämme ausgetauscht, 1929 wurde der erste, erweiterte Autenrieth Familientag abgehalten. Seither treffen sich die nachfolgenden Generationen regelmäßig. Bei ihrem Familientag in Münsingen wurde ein Stadtrundgang unternommen, um jene Gebäude in Augenschein zu nehmen, die einst Gasthäuser der Familie Autenrieth waren.


