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Direktvermarkter liefern jetzt Käse fürs Lager und Pilze per App

Den Direktvermarktern fehlt die Gastronomie als Abnehmer. Eier und Mehl sind aber gefragter denn je

Margret Geiselhart bei der Ernte in der Pilzzucht in Ehestetten. FOTOS: PRIVAT
Margret Geiselhart bei der Ernte in der Pilzzucht in Ehestetten. FOTOS: PRIVAT
Margret Geiselhart bei der Ernte in der Pilzzucht in Ehestetten. FOTOS: PRIVAT

HOHENSTEIN/HAYINGEN. In einer Fabrik können Knöpfe gedrückt werden: Ganz schnell steht die Produktion still oder kann wieder angeworfen werden. Anders bei den landwirtschaftlichen Direktvermarktern auf der Alb. Sie stehen durch die Absatzschwankungen in der Coronakrise vor einer besonderen Herausforderung.

Die erste Woche war ein Schock. »Ich habe von jetzt auf nachher lauter Absagen bekommen«, berichtet Frank Geiselhart, der zusammen mit seiner Frau Margret in Ehestetten eine Pilzzucht betreibt. Die Absagen kamen von Gastronomen, die ihre Häuser der Coronakrise wegen schließen mussten – mit einem Schlag brachen für Geiselhart rund vierzig Prozent seines Absatzes weg.

»Toll ist, wie diszipliniert die Kunden auf dem Wochenmarkt sind«

Wohin also mit kistenweise weißen und braunen Champignons? Einlagern geht natürlich nicht: »Das ist hochverderbliche Ware.« Der Ehestetter Landwirt hat seine Not über WhatsApp geteilt, und sein Spontan-Angebot hat ruckzuck Kreise gezogen: »Ich habe alle Kisten komplett weggebracht. Es war schön zu sehen, wie hilfsbereit die Leute waren.«

Corona hin oder her – die Pilze wachsen weiter. Ein bisschen hat Frank Geiselhart seine Produktion jetzt gedrosselt, indem er etwas weniger von dem bereits geimpften Substrat eingekauft hat, aus dem die Champignons sprießen. Zum Leidwesen seines Lieferanten, der dieses Substrat bis zur Verkaufsreife wochenlang gepflegt, umgesetzt, geimpft und in Kisten gesetzt hat. »Das ist ja eine ganze Kette. Da hängt einer am anderen«, beschreibt Geiselhart die gegenseitigen Abhängigkeiten. Und wenn irgendwann nach der Krise wieder alle Gasthäuser nach regionalen Pilzen rufen, braucht der Ehestetter seinen Lieferanten ja auch.

Helmut Rauscher produziert in Ödenwaldstetten derzeit mehr Hart- als Schnittkäse.
Firmenchef Helmut Rauscher in seiner Käserei. Foto: Archivfoto: Privat
Firmenchef Helmut Rauscher in seiner Käserei.
Foto: Archivfoto: Privat

Weiter zurückfahren will Frank Geiselhart seine Produktion deshalb nicht mehr. Und staatliche Soforthilfen greifen erst ab einer Ertragseinbuße von fünfzig Prozent: »So weit will ich gar nicht kommen.« Deshalb versucht der Pilz-Produzent derzeit, seine aromatische Ware verstärkt über seine weiteren Absatzkanäle unters Volk zu bringen. Hofläden beispielsweise, deren Angebot in Zeiten des Abstand-Haltens mehr denn je gefragt ist. Auch der samstägliche Wochenmarkt in Münsingen ist für Frank Geiselhart eine feste Größe: »Toll ist, wie diszipliniert die Kunden sind. Das klappt ausgezeichnet.«

»Wir konzentrieren uns jetzt auf Hartkäse. Der muss lange reifen«

Die Kühe der Hohensteiner Hofkäserei geben trotz Coronakrise weiterhin Milch. Zwischen 300 und 500 Liter pro Tag werden hier zu frischem Rohmilchkäse verarbeitet, der außerhalb von Krisenzeiten anschließend an Restaurants in der Region ausgeliefert oder an Kunden bei Sondermärkten und im Hofladen verkauft wird. Restaurants haben jetzt geschlossen, Sondermärkte finden keine mehr statt und die vielen Busse mit Besuchern, die sonst das ganze Jahr über zur Hofkäserei und zur Büffelweide kommen, bleiben gänzlich aus.

Produziert wird dennoch weiter, denn die Milch will ja verarbeitet sein. »Wir haben unsere Produktion umgestellt und konzentrieren uns anstatt auf Schnittkäse, der nur fünf Wochen hält, auf Hartkäse. Der muss mindestens drei Monate reifen und kann bis zu einem Jahr lagern«, erklärt Karin Delessert. Doch der Lagerplatz im Keller wird knapp. Um den Umsatz nicht ganz auf null zu fahren, haben sie und ihr Mann Helmut Rauscher damit begonnen, Wochenmärkte in Mössingen (Freitag) und Münsingen (Samstag) zu besuchen, auch in Reutlingen (Dienstag) wollen sie demnächst präsent sein. Langjährige Privatkunden halten ihnen nach wie vor die Treue, haben sogar einige Bestellungen von ihren Bekannten gesammelt, die nun auf dem Postweg verschickt werden.

Denn auch den Onlinehandel haben die Ödenwaldstetter Landwirte in ihrer Hofkäserei eingeführt. Der Hofladen hat nach wie vor geöffnet, zum Schutz für Kunden und Verkäufer wurde eine Trennscheibe an der Verkaufstheke angebracht.

Im Hofladen von Susanne Bross ist derzeit sogar mehr los als üblich: Eier sind in Corona-Zeiten gefragt. Zum Glück – so kann das Ehepaar Bross von »Rudis Hühnerhof« ausgleichen, dass auch hier die Gastronomie als Abnehmer von einem Tag auf den anderen weggefallen ist. Nur mit den Eier-Größen passt es nicht: Die Gasthäuser wollen M, den meisten Endverbrauchern ist L lieber. »Aber dann müssen die Leute halt das nehmen, was es gibt«, meint Susanne Bross pragmatisch. Weil der Hofladen klein ist, dürfen die Kunden inzwischen nur einzeln rein. Viele decken sich aber auch an den beiden Automaten des Hühnerhofs mit Eiern ein: »Nach Meidelstetten fahren wir inzwischen jeden Tag zum Auffüllen.« Die Wochenmärkte – »Rudis Hühnerhof« ist in Reutlingen und in Bad Urach dabei – seien inzwischen aber ruhiger.

Mit »ein bisschen Bauchweh« haben die Eglinger Eierproduzenten – sie halten rund 5 000 Legehennen – bislang auch ihre Verkaufstouren aufrechterhalten. An zwei Tagen geht es von Haus zu Haus zu den Stammkunden im Raum Engstingen und Reutlingen. »Das sind vor allem ältere Leute«, weiß Susanne Bross, dass die wöchentliche Eierlieferung vielen fehlen würde. In die Häuser seiner Kunden geht Rudolf Bross allerdings nicht mehr, auch die Geldübergabe wird mittels eines Schälchens möglichst auf Distanz geregelt. »Wir werden von Woche zu Woche entscheiden, ob wir die Touren fortsetzen können«, berichtet seine Frau.

»Die Mühle läuft Tag und Nacht«, berichtet Sonja Manz von der Getreidemühle Luz in Buttenhausen: Auch Mehl ist zu Corona-Zeiten gefragt wie selten, die regionale Mühle, die Getreide von Landwirten der Alb verarbeitet, hat ihre Produktion deshalb hochgefahren. Mehl gibt es noch genügend, beruhigt Sonja Manz die Kunden, die durch die Bilder von geleerten Regalen vielfach beunruhigt bis panisch sind. Der Engpass liege bei der Verpackung: »Die Kleinverpackungen von einem, zweieinhalb und fünf Kilo sind Handarbeit, das ist sehr zeitaufwendig.« In den Mühlenladen in Buttenhausen kommen inzwischen auch Neukunden, die bislang kaum zu Hause gebacken haben. Auch von Mehl suchenden Anrufern von weit her berichtet Sonja Manz.

»Stammkunden fehlen, der Online-Lieferdienst hat deutlich zugelegt«

Ungefähr ein Drittel des Umsatzes ist weggebrochen. Das berichtet Anton Engst von der Hofkäserei Altschulzenhof in Münzdorf. Auch hier fehlt die Gastronomie als Abnehmer, sind Feste und Sondermärkte ausgefallen. Und auch auf den regulären Märkten – neben dem Reutlinger Wochenmarkt beschickt die Familie Engst auch den Markt in Ulm – fehlen zunehmend die buchstäblich alten Stammkunden. Deutlich zugelegt hat dafür der Online-Lieferdienst, der auf dem Ulmer Markt angeboten wird, wie Anton Engst berichtet. »Das war ein Start-up aus der Zeit vor der Coronakrise, das zunächst nicht so gut lief.« Inzwischen sei die App, mit der sich die Ulmer ihren Wochenmarkt-Korb daheim zusammenstellen und per Fahrradkurier an die Haustür liefern lassen können, sehr gefragt.

»Wir versuchen, unsere Produktion ein bisschen zu drosseln und unsere Mitarbeiter zu halten.« Mit Teilzeitkräften und Mini-Jobbern beschäftige die kleine Hofkäserei, in der die Milch der eigenen Kuhherde handwerklich verarbeitet wird, etwa zehn Leute, sagt Anton Engst. (GEA)