ENGSTINGEN-GROSSENGSTINGEN. »I hätt koi Gschicktere finden können«, sagt Eugen Speidel im Brustton der Überzeugung und streichelt liebevoll die Hand seiner Frau Anna Elisabeth, die in seinen Händen ruht. Heute kann das Großengstinger Ehepaar das seltene Fest der Gnadenhochzeit feiern, seit siebzig Jahren gehen sie nun gemeinsam durch das Leben.
Eugen Speidel wird 1927 geboren und wächst in Ödenwaldstetten auf. Mit gerade einmal 16 Jahren muss der Junge in den Zweiten Weltkrieg ziehen, wird eines Tages durch eine Granate so schwer verletzt, dass er bis heute unter den Folgen leidet und mit starken Schmerzen täglich an diese Erlebnisse erinnert wird. Nur dank glücklicher Umstände und der Hilfe einiger guter Menschen überlebt er. Nach russischer und danach amerikanischer Gefangenschaft schafft er es 1947, über Belgien, Holland, England und Schottland wieder nach Hause auf die Alb zu kommen.
Liebe auf den ersten Blick
Anna Elisabeth oder »Anneliese«, wie sie von allen Leute gerufen wird, erblickt 1930 im Großengstinger »Oberdorf« das Licht der Welt und wächst behütet mit sechs jüngeren Geschwistern auf. Weil Eugen nicht tanzen kann, geht er nach den Kriegswirren mit seinen Ödenwaldstetter Freunden zuerst zu Tanzkursen, später auch zum Tanz. Als er dabei eines Tages in Meidelstetten Anneliese zum ersten Mal sieht, ist es sofort um ihn geschehen. »Das war bei mir wirklich Liebe auf den ersten Blick«, sagt Eugen Speidel.
Auch Anneliese gefällt der junge Mann auf Anhieb. »Obwohl viele sagten, ›nimm den nicht, der lässt dich bestimmt wieder stehen‹.« Aber Eugen will keine andere mehr, am 30. April 1952 schließen sie den Bund fürs Leben beim Standesamt, am 1. Mai folgt die kirchliche Trauung. Weil Eugen evangelisch, Anneliese jedoch katholischen Glaubens ist, müssen sie in der Anfangszeit ihres gemeinsamen Lebens einige Missbilligungen der Mitmenschen überwinden, die damals mit dem Begriff Ökumene noch nicht so viel anfangen konnten. »Das hat sich dann aber gottseidank schnell erledigt«, erinnert sich Anneliese.
Während Eugen Speidel als Selbstständiger mehrere Häuser baut und deren Vermietung betreibt, sorgt Anneliese für Sohn Eugen und Tochter Sonja und geht nebenher noch nach Unterhausen zum Arbeiten. Urlaub gönnen sie sich so gut wie nie. »Ich habe immer gearbeitet, dann konnte ich meine Schmerzen vergessen«, sagt Eugen Speidel. Gestritten hätten sie eigentlich selten. »Ärger hab ich mehr mit meinen Mietern gehabt«, sagt der 94-Jährige und lacht. Ihr besonderes Fest wollen sie heute gemeinsam mit den beiden Kindern, drei Enkeln und vier Urenkeln gemütlich feiern. Es sei wie ein Wunder, wie die beiden bis heute zueinander stünden und miteinander umgingen, urteilt Annelieses jüngste Schwester Rosemarie Klein. »Der Eugen sagt immer bloß ›meine Anna, meine Anna‹.« (GEA)