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Die giftige Schöne blüht gerade in der Region

Ist hübsch anzusehen, aber für Mensch und Tier beim Verzehr gefährlich: Die Herbstzeitlose blüht.

Die Blüten sehen aus wie Krokusse, die Blätter ähneln denen des Bärlauch, weswegen es immer wieder zu Verwechslungen kommt. Inse
Die Blüten sehen aus wie Krokusse, die Blätter ähneln denen des Bärlauch, weswegen es immer wieder zu Verwechslungen kommt. Insekten aber scheinen auf die zartlila gefärbten Blüten zu stehen. Foto: Cordula Fischer
Die Blüten sehen aus wie Krokusse, die Blätter ähneln denen des Bärlauch, weswegen es immer wieder zu Verwechslungen kommt. Insekten aber scheinen auf die zartlila gefärbten Blüten zu stehen.
Foto: Cordula Fischer

SONNENBÜHL/MÜNSINGEN. »Es gibt viele Unbedarfte. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen«, meldet sich eine GEA-Leserin besorgt am Telefon. Denn gerade sei sie bei einem Spaziergang einer Familie begegnet, deren Kinder einen hübschen, aber gefährlichen Blumenstrauß gepflückt haben. Nicht mit typisch älblerischen Wiesenblumen, sondern mit Herbstzeitlose. »Die sind schön, aber giftig. Wir haben unsere Enkel extra darauf hingewiesen«, sagt die Leserin. Nicht nur zur Blütezeit im Spätsommer und Herbst birgt die Pflanze mit der krokusähnlichen Blüte Gefahr in sich. Im Frühjahr werden die Blätter häufig mit Bärlauch verwechselt. »Bitte weisen Sie doch in der Zeitung darauf hin«, bittet die Leserin. Nicht nur für Menschen ist die Pflanze giftig. Auch für Landwirte stellt die Herbstzeitlose ein Problem dar.

Auf einer abgemähten Wiese irgendwo auf der Alb – in Sonnenbühl, Münsingen, Pfullingen –, wie sie derzeit häufig zu sehen sind, stehen die zartrosa bis zartlila gefärbten Blüten zuhauf. Schön anzusehen sind sie, wenn sie sich von August bis Oktober/November zeigen. Aber die Pflanze kann Rindern oder Pferden zur tödlichen Gefahr werden, in geringeren Mengen verursachen sie Koliken, Durchfall und Lähmungen. Schuld ist der in der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) enthaltene Stoff Colchicin, der auch nach Trocknung oder Fermentation des gemähten Grases nicht abgebaut wird und in Heu und Silage erhalten bleibt. Wenn Pflanzenteile der Herbstzeitlose ins Tierfutter wandern, ist es letztlich nicht mehr zu verwenden.

Junge Tiere betroffen

Vor allem bei einer späten ersten Mahd ab dem 15. Juni kann sich die Herbstzeitlose gut entwickeln. Die Blätter beginnen, Anfang Juli abzusterben. »Die Samen sind zum Zeitpunkt der ersten Mahd schon reif und werden beim Heuen verbreitet«, informiert das Landwirtschaftliche Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg (LAZBW) in Aulendorf. Erwachsene Rinder und Pferde meiden die Pflanze, »meist nur junge und unerfahrene Tiere gehen daran zugrunde. Schafe und Ziegen scheinen gegenüber der Zeitlose weniger empfindlich; sie können sogar ohne Schaden größere Mengen vertragen. Dafür enthält dann die Milch dieser Tiere das Gift.«

Auch auf Menschen entfaltet das Gift seine tödliche Wirkung. »Wegen der Giftigkeit empfiehlt es sich, sich nach dem Anfassen der Pflanze die Hände zu waschen. Vergiftungssymptome treten erst mehrere Stunden nach der Aufnahme von Pflanzenteilen auf: Brennen im Mund, Erbrechen, blutiger Durchfall, Schluckbeschwerden, Atemnot, Kollaps und schließlich Tod«, heißt es beim LAZBW.

Vor allem auf extensiv bewirtschafteten Flächen und den auf der Alb häufigen FFH-Mähwiesen breitet sich die Herbstzeitlose aus. Statistisch werde nicht erfasst, wie stark die Wiesen mit der Herbstzeitlose durchsetzt sind und sich somit verschlechtern, sagt Vanessa Lutz vom Kreislandwirtschaftsamt. Aber das Problem mit der Herbstzeitlose sei seit Jahren bekannt.

»Bisher war unklar, ob und inwieweit übliche Bewirtschaftungsempfehlungen zur Eindämmung der Herbstzeitlosen sich negativ auf die Vegetationszusammensetzung und die Pflanzenartenvielfalt von Extensivgrünland auswirken. Dieser Frage ging das LAZBW Aulendorf daher seit 2006 im Rahmen eines Versuchs am Rande der Schwäbischen Alb nach. Bei der Untersuchungsfläche handelt es sich um eine zweischürige Glatthaferwiese (erster Schnitt im Juli, zweiter Schnitt circa acht Wochen später) in Balingen-Geislingen (Zollernalbkreis).« In vielen Fällen stünden einem früheren Grünschnitt naturschutzfachliche Aspekte entgegen. Zum Erhalt der Artenvielfalt ist es wichtig, dass Pflanzen blühen und sich aussamen können, bevor sie abgemäht werden.

Versuchswiese in Sonnenbühl

Seit 2019 läuft auf einer Fläche in Sonnenbühl ein weiterer Versuch zur Regulierung der Herbstzeitlose vom LAZBW in Kooperation mit dem Kreislandwirtschaftsamt. Er ist auf fünf Jahre angelegt. Dabei werden verschiedene Bearbeitungsmaßnahmen und deren Wirkung auf die Herbstzeitlose untersucht. So viel ist klar: Die Bekämpfung der Pflanze müsse über einen längeren Zeitraum angegangen werden, in nur zwei Jahren ist nichts gegen die Herbstzeitlose auszurichten. Der Versuch und seine Ergebnisse dienen am Ende dazu, Landwirten praxistaugliche Lösungen an die Hand zu geben.

Besonders gut wächst die Herbstzeitlose auf feuchten Wiesen. Der trockene Sommer scheint ihr nicht geschadet zu haben. Manche Wiesen sind übersät mit den blasslila Blüten. »Ich habe auch schon viele Blüten gesehen«, sagt Kreisbauernchef Gebhard Aierstock. Ihm ist nicht bekannt, dass es in jüngerer Zeit zu Vergiftungen bei Tieren gekommen sei. Auch hierüber wird keine Statistik geführt. Die Symptome, die die Herbstzeitlose verursacht, sind ihr schwer zuzuschreiben, auch andere Giftpflanzen können Ursache dafür sein. So wie das Jakobskreuzkraut. Auch die Samen des Bergahorns sind für Pferde giftig, die atypische Weidemyopathie, eine Störung des Muskelstoffwechsels verursachen; vor allem die Herz- und Atemmuskulatur ist davon betroffen. Tierhalter müssten ihre Tiere, sind sie verendet, untersuchen lassen, um die Todesursache festzustellen.

Herbstzeitlose sehen hübsch aus, aber Blüten, Blätter und Samen sind für Mensch und Tiere giftig. In Sonnenbühl untersuchen das
Herbstzeitlose sehen hübsch aus, aber Blüten, Blätter und Samen sind für Mensch und Tiere giftig. In Sonnenbühl untersuchen das Kreislandwirtschaftsamt und das Landwirtschaftliche Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg (LAZBW), was gegen die Giftpflanze auf extensiven Wiesen hilft. Foto: Cordula Fischer
Herbstzeitlose sehen hübsch aus, aber Blüten, Blätter und Samen sind für Mensch und Tiere giftig. In Sonnenbühl untersuchen das Kreislandwirtschaftsamt und das Landwirtschaftliche Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg (LAZBW), was gegen die Giftpflanze auf extensiven Wiesen hilft.
Foto: Cordula Fischer

Das Versuchsfeld in Sonnenbühl ist in mehrere Bereiche unterteilt. In einem ersten wird die Wiese wie vorgeschrieben nur nach dem 15. Juni gemäht. In Bereich zwei wird im Mai gemulcht, der Aufwuchs bleibt liegen, im Juni wird gemäht. Bereich drei: Anfang Mai wird ein früher Schröpfschnitt gemacht, gemäht, das Grün abgefahren, im Juni wird gemäht. Versuchsbereich vier: Zusätzlich zu den Maßnahmen aus Versuchsanordnung drei wird die Wiese mit Gärresten gedüngt.

Heu ist nicht zu vermarkten

Grundsätzlich gilt: Der Erhaltungszustand artenreicher und FFH-Mähwiesen muss gewahrt bleiben. Düngung ist hier normalerweise nicht beziehungsweise angepasst und nur nach Absprache zulässig. Düngung schwächt die Herbstzeitlose. Aber sie steht nicht als Solitär auf einer Wiese. So steht nicht nur je nach Behandlung die Entwicklung der Herbstzeitlose im Interesse der Forscher, sondern auch die Auswirkungen auf andere Blühpflanzen und Gräser und ihre Zusammensetzung wird bonitiert, also beurteilt. Andere Arten sollen und dürfen durch die Maßnahmen nicht zurückgedrängt werden. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft vor allem seit dem 19. Jahrhundert hätten Probleme mit der Herbstzeitlose abgenommen, jetzt seien sie wieder auf dem Vormarsch.

Was Grünlandbewirtschafter tun können? Betroffene Wiesen früh mulchen oder früh mähen, sagt Aierstock, um die Herbstzeitlose zu schwächen. »Das halten die Wiesen mal aus«, ohne dass der Artenreichtum davon bedroht werde, sagt der Kreisbauernchef. Hingegen sei die Eindämmung der Herbstzeitlose auf FFH-Mähwiesen schwierig, sagt auch Gebhard Aierstock. Hier muss ohne chemischen Pflanzenschutz und Gülle ausgekommen werden. Per Hand könnten die Pflanzen ausgestochen werden, doch das sei zu aufwendig, wenn die Herbstzeitlose flächig aufträte. Landwirte sollten bei großem Vorkommen der Herbstzeitlose Kontakt zum Kreislandwirtschaftsamt und zur Unteren Naturschutzbehörde aufnehmen, um auszuloten, was dennoch getan werden kann, sagen Vanessa Lutz und ihre Kollegin Annegret Schrade. »Wir beraten gern.« Momentan seien zunehmende Anfragen zu verzeichnen. Bis die Ergebnisse aus dem fünfjährigen Versuch in Sonnenbühl vorliegen, wird es noch mindestens bis 2025 dauern. Und bevor ein Landwirt danach handeln und Erfolge im Kampf gegen die Herbstzeitlose erzielen kann, werden weitere Jahre vergehen.

Das Vorkommen der Herbstzeitlose auf extensiv bewirtschafteten Wiesen bereitet auch Probleme bei der Heuvermarktung. Pferdebesitzer seien sensibel, nähmen mit der Giftpflanze kontaminiertes Futterheu nicht vom Händler ab, sagt Gebhard Aierstock. Wenn die Herbstzeitlose massenhaft auftrete und ins Futter gelangt, dann könne das Heu nur noch an Biogasanlagen vermarktet werden, was für den Grünlandbewirtschafter und Futtermittelhersteller aber Gewinneinbußen bedeutet. Für Futterheu zahlen Kunden 15, in trockenen Jahren 20 Euro pro Doppelzentner, sagt Heinrich Bazlen vom Tannenhof in Metzigen.

Kritik an Ökologisierung

Für die Verwertung in einer Biogasanlage liegt der Ertrag weit darunter. Immer mehr Flächen zu extensivieren, sieht er als problematisch an. »Wir haben lang vorgebeugt«, sagt er, steht der »Ökologisierung der Landwirtschaft« kritisch gegenüber, das würde andere Probleme wie die Ausbreitung von Giftpflanzen, zum Beispiel der Herbstzeitlosen, mit sich bringen. »Prämien, die zur Verfügung gestellt werden, nützen am Ende nichts«, wenn sich Wiesen nicht mehr nutzen lassen, sich Heu nicht zu entsprechenden Preisen vermarkten lässt. Auf seinen Wiesen bringt er deswegen auch Gülle aus. »Eine mäßige Düngung ist wichtig«, sagt Bazlen. »Gegensteuern muss man frühzeitig.« Aber eben nur da, wo es erlaubt ist. Bei einer erheblichen Verschlechterung einer Natura 2000 Fläche (FFH-Fläche) kann es zu einer Strafe kommen; zuständig ist die Naturschutzbehörde.

Für Menschen heißt es: Finger weg von der Herbstzeitlose. Blüten nicht pflücken und im Frühjahr die Bärlauchernte auf Herbstzeitlose überprüfen. Sonst wird der Genuss zum tödlichen Mahl. (GEA)