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Coronakrise bedeutet indirekt Lebensgefahr für Amphibien

In diesem Jahr wird kein Krötenzaun in Buttenhausen aufgebaut. Die Coronakrise trifft so gesehen auch die Tiere

In diesem Jahr kann – im Gegensatz zu den letzten Jahren – aufgrund der Coronakrise kein Krötenzaun in Buttenhausen aufgebaut we
In diesem Jahr kann – im Gegensatz zu den letzten Jahren – aufgrund der Coronakrise kein Krötenzaun in Buttenhausen aufgebaut werden. FOTO: BLOCHING
In diesem Jahr kann – im Gegensatz zu den letzten Jahren – aufgrund der Coronakrise kein Krötenzaun in Buttenhausen aufgebaut werden. FOTO: BLOCHING

MÜNSINGEN. In diesem Jahr wird es in Buttenhausen keinen Krötenzaun geben. Doch die wandernden Amphibien haben Glück im Unglück: Dank der Sperrung der Ortsdurchfahrt Hundersingen ist der Verkehr im Lautertal weniger geworden.

Jedes Jahr machen sich Naturschutzbund (Nabu) und der Schwäbische Albverein Buttenhausen gemeinsam ans Werk, um mit dem Krötenzaun auf einer Strecke von 700 Metern über drei Wochen den wandernden Erdkröten sowie Teich- und Bergmolchen bestmöglichen Schutz zu bieten. Dadurch werden die Tiere daran gehindert, die Straße zu überqueren. Sie fallen in vergrabene Eimer, werden dort gesammelt und zweimal täglich über die Straße gebracht, sodass sie ihre Laichplätze in den Teichen nahe der Lauter gefahrlos erreichen können.

Weniger Kröten wandern

Eigentlich sollte der Zaun am vergangenen Samstag wieder von rund 25 Ehrenamtlichen aufgebaut werden, doch die Aktion musste aufgrund der Coronakrise abgesagt werden. In guten Zeiten, wie etwa im Jahr 2010, konnten laut Jürgen Roitzsch vom Nabu rund 3 500 Kröten und 1 000 Molche eingesammelt und sicher über die Straße transportiert werden. Doch die Zahl ging in den letzten Jahren deutlich zurück, unter anderem, weil auf den angrenzenden Wiesen Schwemmmist ausgebracht worden war. »Da kommen keine Jungen durch«, weiß Roitzsch und ist froh, dass die Verteilung von Schwemmmist mittlerweile nicht mehr erlaubt ist und sich somit auch die Tiere wieder etwas vermehren konnten. »Im letzten Jahr haben wir rund 3 500 Tiere einsammeln können, darunter jedoch leider nur 300 bis 500 Molche und ganz wenige Frösche«, erzählt Roitzsch.

Der Termin zur Zaunstellung hätte schon vor etwa zwei Wochen stattfinden sollen, kam aber wegen schlechten Wetters nicht zustande. Jetzt können auch solche Aktionen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr durchgeführt werden. Höchste Lebensgefahr also für die Amphibien am Ortsrand von Buttenhausen. Sie hätten hier aufgrund des üblich herrschenden Verkehrs wohl zu Hunderten ihr Leben gelassen, doch sie haben Glück im Unglück. »Wir sind sehr froh, dass die Ortsdurchfahrt Hundersingen derzeit gesperrt ist und der meiste Verkehr weiträumig den Bereich umfährt«, führt Roitzsch aus. Schon seit den 1980er-Jahren erfreuen sich Kröten, Molche und Frösche im Lautertal des besonderen Schutzes.

Schutz, den sie schließlich auch nötig haben, wie die aktuelle Auswertung des Nabu zeigt. An 50 Wanderstrecken im Land wurden im vergangenen Jahr rund ein Viertel weniger Erdkröten und 30 Prozent weniger Grasfrösche als in den Vorjahren gezählt. Für Hubert Laufer, Nabu-Fachbeauftragter und Amphibienexperte, höchst alarmierend. »Statt rund 66 500 waren 2019 auf den ausgezählten Strecken nur rund 48 500 Tiere unterwegs«, sagt er und nennt die Gründe für den starken Rückgang: »Die Tiere könnten durch die starke Trockenheit im Jahr 2018 in ihrem Landlebensraum, wo sie Nahrung suchen und sich verstecken können, vertrocknet sein. Sie könnten im folgenden Winter verendet sein, weil sie aufgrund der Trockenheit nicht oder zu selten auf Nahrungssuche gehen konnten. Ohne Nahrung fehlen den Tieren Fettreserven, und sie verhungern im Winter. Außerdem brauchen insbesondere die Weibchen diese Nahrung, um Eier zu produzieren. Sie könnten die Produktion und in Folge auch die Wanderung von 2019 auf 2020 verschoben haben. Jetzt müssten allerdings alle wieder unterwegs sein, zumal die klimatischen Bedingungen gut sind.«

Immer weniger Lebensräume

Derzeit steuert die Amphibienwanderung auf ihren Höhepunkt zu, und man muss die aktuellen Daten abwarten. »Sie müssten aufgrund des feuchten Wetters deutlich besser sein«, vermutet Laufer. Jeder Grasfrosch trägt das Potenzial für 750 bis 4 500 Nachkommen in sich. Stirbt ein Tier, sind auch die Nachkommen verloren. Was nicht nur für den Grasfrosch schlecht ist, sondern auch für viele andere Tierarten, die sich von Kaulquappen oder Fröschen ernähren. Viele Tiere werden jedes Jahr auf Straßen unter Autoreifen zerquetscht, ihre Lebensräume werden überbaut, und ihre Wanderstrecken durch Straßen zerschnitten. Darüber hinaus spielen auch die intensive Landwirtschaft und der Klimawandel eine große Rolle. Die Hauptregenzeit verschiebt sich zusehends auf die Wintermonate, was das Risiko von Überschwemmungen erhöht und im heißen, trockenen Frühling mitunter Tümpel und Flachwasserzonen austrocknen lässt.

Der Nabu Deutschland fordert deshalb Maßnahmen, wie das Anlegen von natürlichen Gewässern, die Umsetzung eines Biotopverbundkonzeptes, den Erhalt von Kleingewässern im Offenland, mehr Klimaschutz und den Stopp der Bebauung von Überschwemmungsflächen. (GEA)

 

HELFER GESUCHT

Die Nabu-Akteure wollen – auch ohne Zaun – so viele Tiere retten wie möglich. Und zwar, indem die wandernden Kröten in der Abenddämmerung auf die andere Straßenseite getragen werden. Für diese Aufgabe sind laut Münsinger Nabu-Chef Helmut Attinger vorwiegend erwachsene Menschen aus dem Bereich Buttenhausen die beste Unterstützung. Wer helfen will, meldet sich bei Jürgen Roitzsch (07381 4851) oder Werner Schramm (07383 1369). (v)