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Schäfer werben für ihre Produkte bei der "Schön & gut" in Münsingen

Zur "Schön & gut" gehören die Produkte der Alb-Schafe einfach dazu. Doch die Schäferei bangt um ihre Zukunft, wie auf dem Podium deutlich wurde.

Schäfer Ernst Fauser und sein Team bei der Modenschau.
Schäfer Ernst Fauser und sein Team bei der Modenschau. Foto: Maria Bloching
Schäfer Ernst Fauser und sein Team bei der Modenschau.
Foto: Maria Bloching

MÜNSINGEN. »Unsere Schäfereien tragen mit ihrer Schafbeweidung zur Offenhaltung der Landschaft, zum Erhalt der Artenvielfalt und somit zum Gemeinwohl bei«, machte Anette Wohlfahrt, Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg, im Rahmen der Podiumsdiskussion auf der Messe »Schön & gut« in Münsingen deutlich. Doch die Zahl der Schäfereibetriebe ging in den vergangenen 25 Jahren um 35 Prozent zurück. Derzeit gibt es noch 110 hauptberufliche Schäfereien und 208.000 Schafe in Baden-Württemberg. Ein wesentlicher Grund für diesen Rückgang sind laut Wohlfahrt die schwierigen Rahmenbedingungen, mit einer ausufernden Bürokratie, mit verspäteter Auszahlung der Fördergelder, mit hohen Auflagen für die Beweidung und den Tierschutz sowie mit mangelnden Absatzmöglichkeiten der Produkte.

60 Prozent der Einnahmen beziehen die Schäfereien aus der Landschaftspflege, 35 Prozent aus dem Verkauf von Lammfleisch. »Die Schäferei muss in Baden-Württemberg eine Zukunft haben, denn ohne sie geht's nicht. Ohne Schafe gibt es keine Wacholderheiden«, machte André Baumann, Staatssekretär des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg, klar. Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass junge, motivierte Menschen bereit sind, den Schäferberuf zu erlernen. So wie Ann-Kathrin Kitzinger, frisch ausgelernte und landesweite jahrgangsbeste Schäferin aus Bopfingen. Ihre Eltern haben eine Schäferei, für sie stand immer schon fest, in den Betrieb einzusteigen. »Ich liebe das Hüten, aber die Zukunft ist schwierig, es ist unsicher, wie es weitergeht«. Denn mit der Schäferei, so weiß die 20-Jährige, wird man nicht reich.

PV-Anlagen nehmen Flächen ein

Laut Ernst Fauser, Schäfer in Pfronstetten und erster Vorsitzender der baden-württembergischen Lammfleischerzeugergemeinschaft, fehlt es an vielem, nicht zuletzt am Nahrungsertrag. »Wir brauchen gutes Wirtschaftsfutter, allein Magerrasen reichen nicht aus, um die Tiere satt zu kriegen und genügend Lämmer in guter Qualität liefern zu können.« Doch Photovoltaikanlagen nehmen Flächen für sich ein, außerdem sorge die Düngeverordnung dafür, dass Wiesen mit Güllezutrag nicht beweidet werden können. »Vom 15. April bis 15. Oktober können wir als Wanderschäfer auf die Magerrasen, aber die Schafe brauchen auch von Oktober bis April im Stall etwas zu fressen.« Auch der Verkauf von Wolle gestaltet sich schwierig: »Zum Teil müssen wir schlechte Wolle teuer entsorgen.«

Jungschäferin Ann-Kathrin Kitzinger (links) im Gespräch mit Anette Wohlfahrt.
Jungschäferin Ann-Kathrin Kitzinger (links) im Gespräch mit Anette Wohlfahrt. Foto: Maria Bloching
Jungschäferin Ann-Kathrin Kitzinger (links) im Gespräch mit Anette Wohlfahrt.
Foto: Maria Bloching

EDEKA Südwest nimmt Lämmer von der Erzeugergemeinschaft ab, hat vor 20 Jahren die Marke »Württemberger Lamm« ins Sortiment aufgenommen. Vorstand Jürgen Mäder steht in engem Kontakt zu den Schäfern, weiß, wo der Schuh drückt. Er sprach von einem »wunderbaren Fleisch« als Genussprodukt, doch der Absatz lahme derzeit. »Es ist eine gewisse Zurückhaltung bei der Kundschaft spürbar«, räumte er ein. Dies sei wohl auch dem hohen Preis geschuldet, der jedoch aufgrund der ethisch-moralischen Erzeugung und der Regionalität gerechtfertigt sei. »Alles ist von Menschen gemacht. Wir brauchen unsere Schäfer und ihre Produkte, das schafft keine künstliche Intelligenz.«

Ausufernde Bürokratie

Aber die ausufernde Bürokratie macht dem Berufszweig und der ganzen Landwirtschaft zu schaffen, wie der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Gebhard Aierstock betonte. »Vieles muss praktikabler werden«, insbesondere im Hinblick auf die Antragstellung nach Fördergeldern. Auch Alfons Gimber, erster Vorsitzende des Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg, forderte den Abbau einer »nicht praxiskonformen Bürokratie«. Er ist sich sicher: »Kleine Schäfereien werden komplett aufgeben, wenn die Europäische Union, wie geplant, 20 Prozent der Fördergelder streicht.« Irgendwann werden auch Jungschäfer keine Lust mehr haben, sich diesem Kampf zu stellen.

Bürgermeister Mike Münzing brach eine Lanze für die Schäferei auf der Alb: »Unsere Kulturlandschaft ist geprägt durch die Schafhaltung und die Wanderschäferei. Deshalb ist die Stadt Münsingen bemüht, Triebwege offenzuhalten.« Welch vielseitigen Einsatz Schafprodukte finden können, hat Veronika Kraiser vor 30 Jahren mit der Gründung ihres Labels »Flomax« in Gächingen erkannt. Seither stellt sie aus Albmerinowolle hochwertige Kleidung her. Ihr einstiger »Ein-Frau-Betrieb« beschäftigt zwischenzeitlich bis zu 40 Mitarbeitende, an drei Standorten wird die Mode verkauft.

Mondeschau mit Woll-Stücken

Im Rahmen einer Modenschau führte Schäfer Ernst Fauser gemeinsam mit Freunden einen Querschnitt aus der Kollektion vor, weil es ihm am Herzen liegt, die Wolle besser vermarkten zu können. Darunter auch die erst in der letzten Woche fertig gestellte neue Oberbekleidung aus dünnerem, feinerem Garn. Voraussetzung dafür ist laut Kraiser eine sehr gut sortierte Wolle durch die Schäfer. »Dafür ist Vertrauen notwendig. Nahrung und Wetter wirken sich auch auf die Wollqualität aus. Da arbeiten wir eng mit unseren Lieferanten zusammen«. (GEA)

Positive Bilanz

Organisator Stephan Allgöwer von Solutioncube zieht eine überaus positive Bilanz: »Wir hatten an vier Tagen weit über 20.000 Besuchende, allein an Allerheiligen kamen fast 9.000 Leute«. Auch die Aussteller seien »sehr zufrieden«. Die Stimmung sei super gewesen, alles habe hervorragend geklappt. Der Unfall zur Einfahrt auf das Albgut-Gelände sei »äußerst bedauerlich«, die Messe sei davon aber nicht beeinträchtigt gewesen. Im nächsten Jahr soll es mit Südtirol zum ersten Mal ein Gastland geben. (GEA)