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»Im Westen nichts Neues«: Buttenhausener Erzberger Vorbild für tragende Rolle

Daniel Brühl als Matthias Erzberger in dem Film »Im Westen nichts Neues« von Edward Berger, der bei den Oscars am 12. März 2023 in Los Angeles vier Trophäen abräumte. Foto: Netflix/Reiner Bajo
Daniel Brühl als Matthias Erzberger in dem Film »Im Westen nichts Neues« von Edward Berger, der bei den Oscars am 12. März 2023 in Los Angeles vier Trophäen abräumte.
Foto: Netflix/Reiner Bajo

MÜNSINGEN. Wenn ein Münsinger das Vorbild für eine tragende Rolle in einem vierfach Oscar-prämierten Film abgibt, ist das etwas Besonderes. Wenn er dabei von einem Ausnahmeschauspieler wie Daniel Brühl verkörpert wird, erst recht. Und wenn er dann auch noch den geflügelten Buchtitel »Im Westen nichts Neues« zum Entsetzen belesener Bürger entwertet, gleich zweimal.

Im Film »Im Westen nichts Neues« endet die Geschichte, anders als im Roman von Erich Maria Remarque, nicht mit dem Tod des Helden an einem im Kriegstagebuch nicht erwähnenswerten Tag. Die Filmautoren wollten einen Hinweis geben auf die Entwicklungen, die zum Zweiten Weltkrieg führten, von dem Remarque noch nichts wissen konnte. Daher schickten sie unseren Buttenhausener Matthias Erzberger auf die historische Reise zum berüchtigten Eisenbahnwaggon, in dem im Wald von Compiègne der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, der den Weltkrieg, den ersten, beendete.

Im November 1918 war der Krieg so endgültig verloren, dass das sogar die deutsche Generalität anerkannte. Von den Herren hatte aber keiner den Mut, die Konsequenzen zu tragen und die »Schande« auf sich zu nehmen, mit ihrer Unterschrift das Gemetzel zu beenden. Erzberger hatte die Courage, sein Schriftzug steht unter dem Dokument. Viel Anerkennung hat er dafür nicht erfahren; über nationalistische Kreise hinaus galt die Kapitulation schnell als Schande, das Militär war in den Erzählungen »im Felde unbesiegt«, der Zivilist Erzberger ein Verräter.

Matthias Erzberger hat für seinen Einsatz den höchsten Preis bezahlt. Im August 1921 wurde er von Mitgliedern der rechtsextremen Organisation Consul bei einer Wanderung im Schwarzwald erschossen.

In Münsingen wurde gestern ihm zu Ehren ein Denkmal vor dem Rathaus eingeweiht. Es zeigt einen bürgerlichen Erzberger, der allein auf einem Bänkchen Ruhe sucht. Daniel Brühl hat den Menschen Erzberger bei seiner Bahnreise durch Deutschland und Frankreich ähnlich angelegt. Meist einsam, ohne Unterstützung – aber entschlossen, seine bittere Mission auszuführen.

Im Wald von Compiègne besiegelt Brühl/Erzberger das Ende des Krieges. Beifall dafür bekommt er weder von den Deutschen noch den Franzosen – einsamer war selten ein Mensch. (GEA)