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Aktuell Primärversorgung

»Helle Seite des Gesundheitswesens«

Friedemann Salzer treibt als Projektmanager die Entwicklung des Gesundheitszentrums voran

Bei der Eröffnung des Gesundheitszentrums vor gut einem Jahr war Friedemann Salzer noch Geschäftsführer der Kreiskliniken. Inzwi
Bei der Eröffnung des Gesundheitszentrums vor gut einem Jahr war Friedemann Salzer noch Geschäftsführer der Kreiskliniken. Inzwischen treibt er als Projektmanager die Weiterentwicklung des Modellprojekts voran. FOTO: DEWALD
Bei der Eröffnung des Gesundheitszentrums vor gut einem Jahr war Friedemann Salzer noch Geschäftsführer der Kreiskliniken. Inzwischen treibt er als Projektmanager die Weiterentwicklung des Modellprojekts voran. FOTO: DEWALD

HOHENSTEIN. Seit einem halben Jahr hat Friedemann Salzer »einen tollen Job«. Der frühere Geschäftsführer der Kreiskliniken Reutlingen hält mit seiner Begeisterung für die Aufgabe, die ihm zum Abschluss seiner beruflichen Laufbahn zugefallen ist, nicht zurück: Im Gesundheitszentrum Schwäbische Alb in Bernloch ist er angekommen, in jeder Hinsicht, aus voller Überzeugung. »Ich fühle mich jetzt wirklich auf der hellen Seite des Gesundheitswesens«, sagt der 64-Jährige aus Neuhausen. Als Projektmanager koordiniert Salzer die Weiterentwicklung des Hohensteiner Modells.

Die dunkle Seite des Gesundheitswesens, den immensen Druck, mit den auf drei Standorten verteilten Kreiskliniken Gewinne oder zumindest eine Kostendeckung zu erwirtschaften, hat Friedemann Salzer acht Jahre lang erlebt. Von einer »Bürde« spricht er im Rückblick auf diese Anforderungen an den Geschäftsführer der Kreiskliniken. Ganz anders klingt es, wenn er von seiner neuen Aufgabe berichtet. Unglaublich sei, was sich in Bernloch in etwas mehr als einem Jahr und trotz der Coronaeinschränkungen entwickelt habe: eine Vielzahl von Angeboten mit Ärzten, Therapeuten, Beratungsstellen unter einem Dach, dazu Kurse und Vorträge zur verschiedensten Themen der Gesundheitsvorsorge.

»Das ist die Zukunft, was wir hier in Bernloch machen«

Am wichtigsten ist Friedemann Salzer die zentrale Botschaft an alle, die dieses Haus betreten: »Wir sehen dich als ganzen Menschen!« Denn darum geht’s im Gesundheitszentrum, das die Gemeinde Hohenstein und der Landkreis Reutlingen mit Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung verwirklicht haben: Verschiedene Berufsgruppen werfen ihr Wissen im Interesse der Patienten partnerschaftlich zusammen, es wird versucht, ganzheitlich zu helfen. Langfristige Prävention und Unterstützung bei einer gesunden Lebensführung sind ebenso wichtig wie das Behandeln von Symptomen. »Das ist die Zukunft, was wir hier machen«, ist Friedemann Salzer überzeugt. Und: »Ich bin selbst überrascht davon, wie sehr mich das fasziniert.«

Als Projektkoordinator hilft Salzer dabei, dass das Zukunftsprojekt in Bernloch auch tatsächlich Zukunft hat. Denn der erste Förderzeitraum der Robert-Bosch-Stiftung ist mit dem Jahr 2020 zu Ende gegangen. Die Erarbeitung eines Folgeantrags war eine von Salzers ersten Aufgaben. »Wir hoffen sehr, dass wir positiv beschieden werden«, wartet nicht nur der Projektmanager gespannt auf die Entscheidung.

Denn vieles von dem, was im Gesundheitszentrum angeboten wird, ist im deutschen Gesundheitssystem nicht vorgesehen und wird deshalb bislang auch von keiner Krankenkasse bezahlt. Die Patientenlotsin beispielsweise, die im Bernlocher Modell eine zentrale Rolle spielt. Elisabeth Reyhing hilft den Patienten dabei, sich »im Dschungel der Möglichkeiten im Gesundheitswesen« zu orientieren, wie Salzer das formuliert. Ihn beeindruckt, wie gut die Lotsin in der Region vernetzt ist. Ihn beeindruckt aber auch, mit welchem Engagement die im Gesundheitszentrum zusammenarbeitenden Partner bei der Sache sind: Sie sind von der Idee überzeugt und tun alles, um ihr zum langfristigen Erfolg zu verhelfen.

Auf Dauer wird es dafür allerdings mehr brauchen als das Engagement Einzelner und die Fördergelder einer Stiftung mit Weitblick. Es muss darum gehen, die Finanzierung des Gesundheitssystems sozusagen vom Kopf auf die Füße zu stellen und sie weniger auf das Kurieren von Krankheit als vielmehr auf die Förderung von Gesundheit auszurichten. Als zukunftstaugliches Modell könnte sich Friedemann Salzer regionale Budgets für die Gesundheitsversorgung vorstellen, die sich an der Zahl der Einwohner orientieren. Je gesünder die Menschen sind, umso besser geht es der Region – auch wirtschaftlich.

»Es muss bei den Kosten das Thema Gesundheit belohnt werden, nicht die Krankheit«, sagt Friedemann Salzer. Bislang lohnen sich Patienten für die Krankenhäuser vor allem dann, wenn sie schwer krank sind und schnell entlassen werden können, wie der frühere Klinik-Geschäftsführer weiß.

»Es muss bei den Kosten die Gesundheit belohnt werden, nicht die Krankheit«

Zukunftsweisend am Hohensteiner Modell ist auch, dass die Gesundheit der Menschen in der Region hier nicht nur als Aufgabe für wenige Fachleute, sondern als gesamtgesellschaftliches Thema begriffen wird. Die Kommunen sind im Boot, die lokale Wirtschaft ebenfalls: Die Hans-Schwörer-Stiftung ist und war von Anfang an ein wichtiger Partner.

Um zu erforschen, wie der ganzheitliche Ansatz des Gesundheitszentrums funktioniert, ob die Patienten zufrieden sind und sich Krankheitsverläufe womöglich positiv beeinflussen lassen, ist auch die Wissenschaft aktiv. Eine Evaluierung läuft; ihre Ergebnisse liegen noch nicht vor. Letztendlich geht es dabei darum, Argumente zu sammeln, die auch die Kostenträger überzeugen.

Ein klarer Vorteil für die Patienten könnte zum Beispiel die interdisziplinäre Kooperation im Gesundheitszentrum sein. Die Allgemeinärztin arbeitet Tür an Tür mit dem Facharzt der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA), der Kinderarzt kann an die Interdisziplinäre Frühförderstelle der KbF verweisen, die ebenfalls ins Haus kommt. Mit Einwilligung der Patienten sind Fallbesprechungen möglich, in denen sich beispielsweise Hausärztin und Physiotherapeut austauschen. »Solche Fallbesprechungen werden im Moment vom Land finanziert«, berichtet Salzer – auch dies keine Dauerlösung: »Das muss irgendwann strukturell funktionieren.«

Am weiteren Ausbau des medizinischen Spektrums im Gesundheitszentrum wird gearbeitet, Räume stehen noch zur Verfügung. Willkommen wären etwa die Fachrichtungen HNO, Kardiologie oder Augenheilkunde. Leicht ist die Suche freilich nicht: »Viele Fachärzte verdienen unten (in der Stadt) so viel, dass sie nicht im Traum dran denken, hoch auf die Alb zu kommen.«

In seine neue Aufgabe ist Salzer durch seine Mitarbeit im Lenkungskreis für das Gesundheitszentrum »hineingerutscht«, wie er selbst sagt: Auch die Kreiskliniken Reutlingen sind am Hohensteiner Modell beteiligt, und zwar mit der Außenstelle eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ). Angelika Mayer, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Diabetologin, ist hier angestellt und praktiziert an zwei bis drei Tagen in Bernloch. Auch Salzer selbst ist regelmäßig präsent: Dienstag- und Donnerstagvormittag und Mittwochnachmittag fährt er auf die Alb. (GEA)

GESUNDHEITSZENTRUM SCHWÄBISCHE ALB IN HOHENSTEIN

Zahlreiche Angebote unter einem Dach

Im Gesundheitszentrum in Bernloch arbeiten bereits etliche Praxen und Einrichtungen zusammen. An Bord sind die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Diabetologin Angelika Mayer, zu deren Team auch eine Diabetesberaterin gehört. Dr. Wilfried Henes ist mit seiner Praxis für Kinder- und Jugendmedizin dabei. In der Hebammenpraxis Hohenstein sind Gabi Wahl und Regine Henes beschäftigt. Aleksandar Matkovic führt im Gesundheitszentrum seine Praxis für Physiotherapie. Der Pflegestützpunkt Südliche Alb bietet in Bernloch Beratung für Pflegebedürftige und ihre Angehörige. Das Zentrum für Psychiatrie in Zwiefalten unterhält im Gesundheitszentrum eine Psychiatrische Institutsambulanz (PIA). Die Körperbehindertenförderung Neckar-Alb (KbF) ist mit ihrer Interdisziplinären Frühförderstelle präsent. Die Geschäftsstelle der Kommunalen Gesundheitskonferenz organisiert Veranstaltungen zur Gesundheitsförderung und Prävention. Das Universitätsklinikum Tübingen ist mit seinem Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung dabei. Und die Gesundheitslotsin Elisabeth Reyhing ist Ansprechpartnerin für alle Besucher. (dew)