GOMADINGEN. »Ein Potpourri mit verschiedenen Impulsen und Waldbildern, dazu noch eine kleine Aufgabe«: Revierförsterin Caroline Freitag und ihre Chefin Elena Höhn, die den Forstbezirk Süd im Landkreis leitet, hatten nicht zu viel versprochen. Der Gomadinger Waldumgang, dem sich nicht nur Gemeinderäte, sondern auch Bürger, Waldbesitzer und gleich drei ehemalige Förster angeschlossen hatten, war eine ausgesprochen lehrreiche und anschauliche Exkursion. Thematisch im Mittelpunkt stand der Wald der Zukunft, den die Förster schon seit Jahren sukzessive für den Klimawandel umbauen.
Für Bürgermeister Klemens Betz war's der 31. Waldumgang, über die Jahrzehnte hinweg hat sich viel verändert - am Klima, aber auch an der Mentalität. Die »Fichtenfraktion«, so Betz, war im Gemeinderat früher stark vertreten, man setzte auf den »Brotbaum«, der Geld in die Kasse brachte. Mit dieser Strategie kommt man heute nicht mehr weit: »Wir brauchen eine Gemischtwarenladen«, formulierte Betz das, was die beiden Försterinnen und ihr Trainee Hannes Tegethoff an verschiedenen Stellen auf dem Plaun oberhalb von Dapfen exemplarisch erklärten und zeigten.
»Die Alb ist eine Insel der Glücksseligen - noch«
Fichte und Co. sind auf dem Holzmarkt nach wie vor sehr gefragt, 80 Prozent dessen, was auf dem Holzmarkt gehandelt wird, ist Nadelholz, so Hannes Tegethoff. Gebraucht wird es für Sägeprodukte wie Bauholz, Balken und Bretter, nur 16 Prozent davon werden zu Brennholz. Beim Laubholz sieht's ganz anders aus: 70 Prozent der Ernte wird verheizt, und zwar mit 93 Prozent überwiegend in privaten Öfen. Aus dem Gomadinger Wald kommt nicht ganz so viel Nadelholz, wie der Markt gerne hätte: Der Anteil beim Einschlag liegt im Durchschnitt bei 60 Prozent. Warum trotz hoher Nachfrage dann nicht mehr geerntet wird? Auf die naheliegende Frage antwortete Caroline Freitag mit einer aussagekräftigen Gegenfrage: »Was sollen wir machen, wenn unser Naturraum diesen Rohstoff nicht mehr in dieser Menge liefern kann?«
Die Fichte hat in Deutschland massive Probleme, die Förster berichteten von Exkursionen in den Harz oder in den Westerwald, wo die Kollegen vor der Frage stehen, wie sie teils mehrere tausend Hektar große Brachen wieder aufforsten. Was ist dort passiert? »Es gab riesige Borkenkäferplagen, begünstigt durch die Witterung sind die Käferpopulationen regelrecht explodiert«, berichtete Elena Höhn. »Das Sauerland ist buchstäblich leer gefressen. Die Alb ist gemessen daran eine Insel der Glückseligen - noch.«
Bei Nachpflanzungen orientieren sich die Förster an wissenschaftlichen Parametern, die vor allem die forstwirtschaftliche Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg liefert: Eignungskarten zeigen, welche Baumarten für welche Standorte geeignet sind und Zukunftschancen haben. Auch für Gomadingen passt die Fichte längst nicht mehr überall - obwohl sie, wie Bürgermeister Betz in einem historischen Exkurs anmerkte, schon vor 200 Jahren zum ersten Mal erfolgreich gesät wurde und prächtig gedieh. In alten Berichten ist zu lesen, dass die Fichte in Gomadingen wachse »wie die Haare auf dem Hund«.
»Mit Vielfalt in die Klimaresilienz«
Die Entscheidungen und Leistungen ihrer Vorgänger wollen die Försterinnen heute nicht schmälern: »Sie haben tolle Arbeit geleistet, kahle Flächen vor allem auch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder bewaldet und schnell wachsendes, dringend benötigtes Baumaterial geliefert«, so Caroline Freitag. Den Klimawandel gab's damals noch nicht, »heute stehen wir vor anderen Herausforderungen.« Die Fichte ist sturmanfällig und bildet flache Wurzeln - bei langer Trockenheit kommt sie schlechter an tiefliegende Wasservorräte als andere Baumarten und geht als erste ein.
An einer Lichtung zeigte sie beispielhaft, wie sie mit kleineren Brachen umgeht. »Welche Baumart kann unsere Fichte ersetzen? Das ist die große Frage.« Als Ersatzkandidatin kommt die Douglasie infrage. Sie ist keine heimische Art, eignet sich aber hervorragend zum Bauen und glänzt mit einer »wahnsinnigen Wuchsleistung«. Aber: »Sie schmeckt auch dem Reh«, erklärte Freitag, und muss deshalb mit hohem Aufwand geschützt werden. Außerdem kommt auch die Douglasie - ebenso wie die Lärche - mit anhaltender Trockenheit auch nicht optimal klar. Fazit: »Störungen mit Douglasien zu beheben wird in Zukunft nicht mehr reichen.« Elena Höhn gab die Devise aus: »Mit Vielfalt in die Klimaresilienz.«
»Das Reh entmischt den von der Natur angebotenen Vorrat«
Die Zahlen
Im Jahr 2023 wurden im Gomadinger Wald 5.347 Festmeter Holz geerntet. Ein nicht unerheblicher Teil davon war »zufällige Nutzung«: 40 Prozent gehen auf das Konto von »Forstmeister Borkenkäfer«, erläuterte Elena Höhn, ein kleiner Teil war Sturmholz. Vermarktet wird das Gomadinger Holz überwiegend regional, zu einem kleineren Teil auch deutschlandweit. Zu den Stammkunden zählen neben dem Fertighaushersteller Schwörer in Oberstetten auch die Firma Röwa aus Mössingen, die Buchenholz für Lattenroste braucht. Wer eine Werkbank von Anke aus Langenenslingen hat, schafft womöglich auch auf Gomadinger Holz. Und auch Brennholz für den Eigenbedarf der Bürger spielt mit 20 Prozent eine große Rolle. Der Preis dafür bleibt unverändert bei 82 Euro pro Festmeter. Die Einnahmen lagen 2023 bei rund 168.000 Euro. »Ein Traumergebnis«, sagte Bürgermeister Klemens Betz, der etwaige Erwartungen dämpfte: »2024 sieht es schon nicht mehr so toll aus, das werden wir die nächsten Jahre nicht mehr erreichen.« Ins Ergebnis eingeflossen sind auch Zuschüsse in einer Höhe von insgesamt rund 72.000 Euro. Für 2025 ist ein Einschlag von 5.300 Festmeter geplant, Elena Höhn rechnet mit Einnahmen in Höhe von rund 85.000 Euro.
Vielfalt bringt die Natur im Grunde selbst hervor - allerdings in erster Linie in Form von Laubbäumen. Bei der Naturverjüngung ist die Buche ganz vorn dabei, aber auch Ahorn, Esche, Kirsche und etliche andere mischen mit. Sie tun sich allerdings schwer, denn sie schmecken auch dem Reh, das sie gern auf dem Speiseplan hat - als Abwechslung zur ewigen Buche. Was passiert, zeigten die Försterinnen in einer Rückegasse, wo sie kleine Schösslinge mit Bändern markiert hatten: Artenvielfalt pur, die sich bei den Jungbäumen, die schon ein paar Zentimeter größer sind, so nicht mehr zeigt. Was durchkommt, ist fast durchweg Buche. »Das Reh entmischt den von der Natur angebotenen Vorrat«, erklärte Freitag. »Effizientes Jagen« - zur richtigen Zeit beim richtigen Wetter und am richtigen Ort, der für die Waldentwicklung relevant ist - ist für Elena Höhn deshalb ein wichtiger Beitrag zur Artenvielfalt im Wald.

Wo von Natur aus kein wirtschaftlicher Holzvorrat mehr nachwächst, muss der Mensch nachhelfen. Auch dafür hatten die Fachfrauen ein Beispiel. Auf einer eingezäunten, etwa einen Hektar großen Freifläche, die Sturm und Käfer komplett entwaldet hatten, hat Caroline Freitag 1.800 Eichen und jeweils mehrere Hundert Begleitbäume wie Ahorn, Elsbeere und Kirsche pflanzen lassen. Die Erstinvestition samt Zaun bezifferte Freitag auf rund 13.000 Euro. Mit dem Pflanzen ist es aber längst nicht getan: Eine Kultur dieser Art braucht jahrelange, regelmäßige Pflege. Im trockenen Sommer 2022 war Freitag kurz davor, die Feuerwehr zu bitten, die Setzlinge im Rahmen einer Übung zu gießen.
In Jahren wie 2024 mit vielen Niederschlägen fühlen sich die jungen Bäume wohl - aber nicht nur sie. Die Vegetation drumherum schießt ins Kraut, damit die Bäumchen ordentlich wachsen, müssen Waldarbeiter mit Motorsensen und Sicheln hier durch. Damit sie nicht das Falsche ummähen, müssen die kleinen Bäume markiert werden - eine Aufgabe, die die Revierförsterin gern delegierte und die Gunst der Stunde nutzte: Sie drückte den Teilnehmern des Waldumgangs je eine Handvoll Bambusstöckchen in die Hand und schickte sie auf die Suche nach Eichen und anderen Zukunftsbäumen. (GEA)


