PFULLINGEN/REUTLINGEN. Sie machen den Landkreis bunter: 60 Menschen haben am Dienstagabend ihr feierliches Bekenntnis als neue Staatsbürger Deutschlands in den Pfullinger Hallen abgelegt. Einem geschichtsträchtigen Ort, wie Pfullingens stellvertretender Bürgermeister Martin Fink in seinem Grußwort skizzierte. Der schwäbische Mäzen Louis Laiblin hat schon vor mehr als einhundert Jahren die Vielfältigkeit der Gesellschaft im Blick gehabt, als er Schüler des Malers Adolf Hölzel die Wände der Festhalle gestalten ließ. Laiblin habe eine Begegnungsstätte für Menschen aller Generationen zur Pflege des Schönen und Edlen geschaffen.
Nach 40 Jahren Pass getauscht
Insgesamt 582 Menschen haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren im Landkreis Reutlingen einbürgern lassen. »Ich bin hier zu Hause«, begründete Margit Ehrlich-Jurjevec an diesem Abend, warum sie sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden hat. Sie bereicherte das kulturell vielfältige Programm, das von der Pfullinger Musikschule umrahmt wurde, mit einer Darbietung ihrer Ballettschüler.
Ein bekanntes Gesicht der Einbürgerungsfeier ist Zauberkünstler André Brunet. Auch dieses Mal bezauberte er das Publikum. Das Besondere: Nach nun 40 Jahren in Deutschland tauschte er seit der vorangegangenen Feier den französischen gegen den deutschen Pass. Er freute sich, in dem Land wählen zu können, in dem seine Familie und seine Freunde leben und von dem er sich die Zielstrebigkeit abgeguckt – aber sich dennoch die lockere Mentalität seines Geburtslands bewahrt – hat.
»Es ist an der Zeit, mit der Einbürgerungsfeier ein starkes Signal der Gemeinschaft und des Miteinanders zu senden«, betonte Landrat Dr. Ulrich Fiedler angesichts des Kriegs mitten in Europa in seiner Begrüßung. Weit mehr als 2 000 Menschen aus der Ukraine seien inzwischen im Landkreis angekommen. Ein Teil von ihnen lebt übergangsweise in der Schönberghalle, direkt neben den Pfullinger Hallen. Sie werden von vielen ehrenamtlichen Helfern betreut. »Es ist eine gewaltige Kraftanstrengung, für die es die gesamte Gesellschaft braucht«, sagte Fiedler, der zugleich dafür plädierte, nicht Fremde sondern Menschen zu sehen.
Seit 2009 sind 5 600 Menschen aus unterschiedlichen Regionen in den Landkreis gekommen, jeder fünfte Einwohner im Kreis habe Wurzeln im Ausland, sagte Fiedler. »Die Einbürgerung ist ein Weg, die Zusammengehörigkeit zu stärken.«
Angekommen, auch weil sie von Beginn an in eine große Familie integriert wurde, fühlt sich Mari Vihmand, die von Estland über Frankreich der Liebe wegen nach Deutschland kam. »Wenn ich über die Straße gehe und den Menschen Hallo sagen kann, bin ich integriert«, zeichnete sie ein Bild, das Fiedler besonders gut gefiel. Außerdem vermisse sie sonntags die geschlossenen Läden und das Lkw-Fahrverbot, wenn sie in Estland sei, erzählte die Musikerin und Komponistin, die trotz ihres Geburtstags gekommen war und auf dem Klavier ein estnisches Volkslied spielte.
Die 160 Gäste des Abends sangen ihr ein Ständchen, und stimmten sich so auf die Nationalhymne ein, die nach dem Bekenntnis zur Feier dazu gehört. »Die Feier ist ein Festakt der offenen Gesellschaft«, sagte Fiedler und wünschte sich: »Bringen sie sich ein; machen sie unseren Landkreis bunt.« (GEA)