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Aktuell Geschichte

Den Weg in die Moderne gewiesen

Dietrich Heißenbüttel spricht im Samariterstift über Theodor Fischer und seine Zusammenarbeit mit Adolf Hölzel

»Ohne die Pfullinger Hallen gebe es kein Bauhaus, wie wir es heute kennen«, erklärte Dr. Dietrich Heißenbüttel bei seinem Vortra
»Ohne die Pfullinger Hallen gebe es kein Bauhaus, wie wir es heute kennen«, erklärte Dr. Dietrich Heißenbüttel bei seinem Vortrag im Kutschersaal. FOTO: US
»Ohne die Pfullinger Hallen gebe es kein Bauhaus, wie wir es heute kennen«, erklärte Dr. Dietrich Heißenbüttel bei seinem Vortrag im Kutschersaal. FOTO: US

PFULLINGEN. Restlos besetzt war der Kutschersaal im Samariterstift, als der Kunsthistoriker und Journalist Dr. Dietrich Heißenbüttel jetzt zum Thema »Theodor Fischer und seine Zusammenarbeit mit Adolf Hölzel« referierte. Im Fokus standen dabei die Pfullinger Hallen. Eingeladen hatten der Geschichtsverein Pfullingen und die Kammergruppe Reutlingen der Architektenkammer Baden-Württemberg.

Professor Waltraud Pustal, Erste Vorsitzende des Geschichtsvereins, begrüßte die Gäste und dankte den Unterstützern. Es sei das erste Mal, dass der Verein und die Architektenkammer in einer solchen Veranstaltung kooperierten. »Vor einigen Jahren hat der Geschichtsverein ein Buch über Fischer und Hölzel mit Texten von Dr. Heißenbüttel und Fotos von Rose Hajdu herausgegeben. Es ist wichtig, dass solche Themen immer wieder ins Bewusstsein gerufen werden.«

»Ohne die Pfullinger Hallen gebe es kein Bauhaus, wie wir es heute kennen«, sagte Dr. Dietrich Heißenbüttel. Denn Johannes Itten, der das Bauhaus mit seinem für alle Studenten verbindlichen »Grundkurs« maßgeblich geprägt habe, sei von den Malereien von Hans Brühlmann geradezu begeistert gewesen.

Referierte in Pfullingen vor voll besetztem Saal: Kunsthistoriker Dr. Dietrich Heißenbüttel. FOTO: GB
Referierte in Pfullingen vor voll besetztem Saal: Kunsthistoriker Dr. Dietrich Heißenbüttel. FOTO: GB
Referierte in Pfullingen vor voll besetztem Saal: Kunsthistoriker Dr. Dietrich Heißenbüttel. FOTO: GB

Schlicht wie Arbeiterhäuser

Brühlmann war Schüler von Adolf Hölzel, der den Auftrag bekommen hatte, Bilder für die Hallen zu schaffen und diesen an seine Schüler weitergab. Hölzel (1853 bis 1934), Mitbegründer der Münchner Secession und der Wiener Secession sowie Begründer einer eigenen Farbtheorie, war ab 1905 Professor und Leiter der Königlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart.

Die Pfullinger Hallen entstanden zwischen 1904 und 1907 aus dem Wunsch des Gesangvereins Liederkranz und des Turnvereins nach einem neuen Gebäude heraus. Sie waren an Louis Laiblin, den vermögenden Sohn des Papierfabrikanten Ernst Louis Laiblin, herangetreten, der wohl mit dem Pfullinger Projekt sein Mäzenatentum begann.

Für den Bau gewann er Theodor Fischer (1862 bis 1938), vormals Leiter des Münchner Stadterweiterungsreferats und seit 1902 an der Technischen Hochschule Stuttgart. »Dort reformierte er die Architektenausbildung und wurde zu einem der wichtigsten Neuerer der Architektur. 1907 wurde er Gründungsvorsitzender des Deutschen Werkbunds«, sagte Heißenbüttel. Fischers Architektur werde manchmal als »Heimatstil« bezeichnet, was sich unter anderem an der Arbeitersiedlung Gmindersdorf manifestiere, die sich an ihrer ländlichen Umgebung orientierte. »Andere nannten ihn einen Romantiker, weil einige Gebäude verspielte Elemente aufweisen.« Die Pfullinger Hallen seien jedoch, wie die Arbeiterhäuser im Stuttgarter Leonhardsviertel, wiederum ganz schlicht.

Meisterschüler am Pinsel

Kennengelernt hatten sich Laiblin und Fischer durch den von 1904 bis 1906 erfolgten Umbau des Pfullinger Helenenschlösschens in den Erlenhof. Zu dessen Eröffnung war auch Adolf Hölzel mit seinen Schülern erschienen.

Fischer übergab ihm die Ausmalung der Pfullinger Hallen, die Hölzel jedoch an seine Meisterschüler Melchior von Hugo (»Apotheose der Musik«), Ulrich Nitschke (Bühnenvorhang, Fensterumrahmungen, Musen mit Löwen und Apoll), Louis Moillet (Bühnenwand mit »Herannahen der Liebe«, »Ankunft des Frühlings«, »Erwachen der Menschheit«) und Hans Brühlmann (»Hoffen und Sehnen«, »Die Entsagung«) weiterreichte. Auf der Höhe der Zeit und technisch auf dem neusten Stand sei auch das Gewölbe aus Stampfbeton über der Turnhalle.

Onderhos als drittes Werk

Als »erster reiner Sichtbetonbau des Landes« entstand durch Fischer, so Heißenbüttel, auch die »Pfullinger Onderhos«, der Schönbergturm, das dritte bedeutende Werk des Architekten in Pfullingen. »Sowohl Fischer als auch Hölzel waren revolutionär und wiesen den Weg in die Moderne«, lautete Heißenbüttels Resümee. (GEA)