Logo
Aktuell Immobilie

Bau-Fiasko: Eninger Häuslebauer auf sich selbst gestellt

Vom Projektentwickler im Stich gelassen, mussten Bauherren auf der Wenge ihre Häuser in Eigenregie fertigstellen

Foto: Gerlinde Trinkhaus
Foto: Gerlinde Trinkhaus

ENINGEN. Orchideen schmücken die Fensterbank, Steinfliesen die Wand, in der Wasserkaraffe schwimmen Zitronenscheiben. Wohnlich ist es bei den Michnovs. Eine hart erarbeitete Gemütlichkeit: Denn wo es sich heute im offenen Wohnbereich schön beieinandersitzen lässt, standen noch vor einigen Monaten nichts als offene Fragen im Raum. Welcher Baumangel kommt als Nächstes ans Licht? Wie bekommen wir unser Haus fertig? Wo ist unser Geld?

Seit fast acht Monaten wohnt das Ehepaar nun in seinem Reihenhaus im Neubaugebiet auf der Wenge. Auf eine Baustelle waren sie im Dezember gezogen – statt, wie geplant, bereits 14 Monate zuvor in ein fertiges Haus. Wie ihnen ist es zehn weiteren Bauherren ergangen, die allesamt mit demselben Projektentwickler in der Panoramastraße ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen wollten, dabei aber eine schmerzhafte Bruchlandung erlebten.

Privatinsolvenz vermieden

Wie berichtet hatten die Häuslebauer sich auf ein Kombi-Paket eingelassen: Das Grundstück hatten sie von der Gemeinde gekauft, gebaut wurde mit einem vorgegebenen Projektentwickler – ein Haus von der Stange. Schon beim Richtfest aber merkten sie, dass etwas nicht rundläuft, wie Markus Sosnowski, Nachbar der Michnovs, später berichtete. Die Kommunikation mit dem Unternehmen wurde immer schlechter, Gewerke wurden nicht fachgerecht ausgeführt, Handwerker nicht bezahlt. Am versprochenen Einzugstermin im Oktober 2017 befanden sich die Häuser noch im Rohbau. Nach und nach kündigten alle Parteien den Vertrag mit dem Projektentwickler.

Und dann standen sie alleine da. Mit Baumängeln en masse, wütenden Handwerkern im Nacken und einem stetig wachsenden Berg an Mehrkosten. Einen mittleren fünfstelligen Betrag haben die Michnovs, die sich zu Vorschüssen hatten überreden lassen, am Ende zusätzlich zu schultern. »Das war ein enormer Schlag«, sagt Albert Michnov rückblickend. »Wir sind froh, dass wir nicht Privatinsolvenz anmelden mussten.«

Tipps im Internet geholt

Dass sie die Kurve gekriegt haben, ist auch der Tatkraft des 36-Jährigen zu verdanken. Der Einzelhandelskaufmann ließ sich in eine Filiale in Eningen versetzen und reduzierte seine Arbeitsstunden, um fortan selbst den Bau voranzutreiben. Die Zeit drängte, schließlich musste die Fassade noch vor dem Winter fertig werden. »Neuland«, so sagt er, seien die Bauarbeiten für ihn gewesen. Also zog er den Vater, der Fliesenleger ist, zurate, schaute sich auf Youtube Do-it-yourself-Videos an und holte sich Tipps bei den Handwerkern, die im Neubaugebiet an den anderen Häusern zugange waren.

Vor Kurzem konnte er so den Innenausbau des Hauses fertigstellen. In den kommenden Monaten wird er sich nun im Garten, auf der Terrasse und im Eingangsbereich ans Werk machen. »Wir wollen einfach nur abschließen«, sagt Michnov.

»Man kann irgendwann keine Baustelle mehr sehen«, stimmt Nachbar Markus Sosnowski zu. Auch er war mit seiner hochschwangeren Frau und seiner kleinen Tochter im Dezember ins Haus gezogen. Inzwischen wurde seine zweite Tochter geboren. Das Haus ist in großen Teilen fertiggestellt. Wobei auch nach der Aufkündigung des Vertrags mit dem Projektentwickler die Dinge alles andere als glattliefen. Denn auch mit einem weiteren Generalunternehmen aus Reutlingen machte er schlechte Erfahrungen. Absprachen seien nicht eingehalten, Arbeiten mangelhaft ausgeführt und Rückzahlungen nicht wie vereinbart geleistet worden. Viele, da sind sich Sosnowski und Michnov einig, hätten ihre Notlage ausgenutzt. »In der Baubranche kann man niemandem trauen«, ist Michnovs bitteres Fazit.

Aber es gab auch positive Erfahrungen: Handwerker, die schnell und unkompliziert zur Tat schritten, und Unternehmer, die ein Auge zudrückten. So zum Beispiel ein Gerüstbauer aus Tübingen. Zwei Jahre standen dessen Gerüste in der Panoramastraße. Bis zu 30 000 Euro, schätzt Albert Michnov, hätte der Unternehmer dafür in Rechnung stellen können. Hat er aber nicht. Stattdessen berechnete er pro Haus lediglich einen symbolischen Betrag von 100 Euro für die Abholung der Hilfskonstruktionen.

Wohnglück nach der Krise

In dem Fünf-Häuser-Block, in dem die Michnovs und Sosnowskis wohnen, sind die letzten Nachbarn im Juni eingezogen. In dem Sechs-Häuser-Block nebenan sind dagegen noch nicht alle Gebäude bezugsbereit. Svetlana Michnov hat mit dem Einzug ins Eigenheim den Blick nach vorne gerichtet. Sie will nicht länger grollen. »Das Leben geht weiter«, sagt sie. Und auch Markus Sosnowski kann sich auf das Glück nach der schweren Zeit einlassen. »Es ist einfach schön hier auf der Wenge zu wohnen – davon haben wir geträumt.« Die Kinder in der Straße spielten miteinander, die Erwachsenen habe die Krise fest zusammengeschweißt.

Nichtsdestotrotz sagt der 37-Jährige über die vergangenen Jahre: »Das war eine der härtesten Phasen meines Lebens.« Zum Schlussstrichziehen ist es noch zu früh, die Wut steigt immer wieder hoch. »Ich fühle mich verarscht«, sagt Albert Michnov. Ob die Nachbarn gemeinsam privatrechtlich gegen den Projektentwickler vorgehen, überlegen sie noch. Baurechtlich mache es keinen Sinn mehr.

Ermittlungen dauern an

Markus Sosnowski hat, wie beteiligte Baufirmen, bereits vor Monaten Strafanzeige gegen das Unternehmen, die Vero Projektbau GmbH, gestellt, wegen Betrug und Insolvenzverschleppung. Mehr als eine Eingangsbestätigung hat er bis heute nicht bekommen. Der zuständige Kollege sei im Urlaub, heißt es auf GEA-Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft in Tübingen. Nur so viel ist zu erfahren: »Die Ermittlungen dauern an.«

Der damalige Geschäftsführer hatte sein Bedauern über den missglückten Bauverlauf geäußert, ihn unter anderem auf gestiegene Baupreise und eine hitzige Marktsituation zurückgeführt. Seine Firma hat inzwischen den Namen und die Leitung gewechselt.

Ein Insolvenzverfahren wurde zudem eröffnet. Die Hausbauer haben ihre Ansprüche geltend gemacht. Insolvenzverwalter Gerhard Walter aber macht wenig Hoffnung: »Es ist nicht mit einer nennenswerten Insolvenzquote zu rechnen«, erklärt er auf Nachfrage. Soll heißen: Von dem Geld, das die Bauherren verloren haben, werden sie wohl nicht mehr viel wiedersehen. (GEA)