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Aktuell Geschichte

Werk zu Seeburger NS-Zeit mit Preis gewürdigt

Aufwendige Team-Arbeit für Buch: Dorothee Sahm-Stotz forscht zur Historie ihres Wahl-Heimatorts Seeburg

Dorothee Sahm-Stotz wurde für ihr Buch »Dass sie nicht vergessen werden …« mit dem diesjährigen Landespreis für Heimatforschung
Dorothee Sahm-Stotz wurde für ihr Buch »Dass sie nicht vergessen werden …« mit dem diesjährigen Landespreis für Heimatforschung ausgezeichnet. FOTO: OECHSNER
Dorothee Sahm-Stotz wurde für ihr Buch »Dass sie nicht vergessen werden …« mit dem diesjährigen Landespreis für Heimatforschung ausgezeichnet. FOTO: OECHSNER

BAD URACH-SEEBURG. Sie sei eine Spätberufene, meint Dorothee Sahm-Stotz lachend: Erst seit etwas mehr als 20 Jahren taucht die Seeburgerin tief ein in die Geschichte ihres Wahl-Heimatorts, in dem sie seit 1986 lebt. Die Leidenschaft für die Historie des kleinen Fleckens mit einer weltweiten Ausstrahlung hat sie mit großer Wucht gepackt: Die 68-Jährige investiert viel Zeit in die Recherchen, manche Urlaube, Wochenenden oder Nächte verbrachte sie bei der Suche nach Informationen über Seeburg – allein 13 Jahre forschte sie über die NS-Zeit und die anschließende Besatzung durch die Franzosen im dem Ort.

Die aufwendige Arbeit, die in das Buch »Dass sie nicht vergessen werden …« mündete, hat sich gelohnt: Dorothee Sahm-Stotz wurde mit dem diesjährigen Landespreis für Heimatforschung ausgezeichnet, den das Wissenschaftsministerium und der Landesausschuss für Landespflege Baden-Württemberg seit 1982 für beispielhafte ehrenamtliche Leistungen in der Erforschung der lokalen Geschichte vergibt.

»Ich habe vieles gesehen und gelesen, das mir regelrecht an die Nieren gegangen ist«

Es ist ein wichtiges Werk für die Herausgeberin Sahm-Stotz, das letztlich jedoch nur in konstruktiver Teamarbeit vollendet werden konnte. Seit 2004 hat sich Dorothee Sahm-Stotz intensiv mit der Nazi-Zeit in Seeburg beschäftigt, einem Ort weit weg vom Geschehen in Deutschland und der Weltgeschichte. Und doch zeigt sich gerade in dem idyllisch gelegenen Flecken mit seinen gerade mal 300 Einwohnern auch vieles, das so überall passiert ist: Denunziation, Verfolgung, Zwangsarbeit, blinde Begeisterung für die Nationalsozialisten oder auch später der Umgang mit der französischen Besatzungsmacht.

Da die Seeburger Akten ab dem Jahr 1937 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wie in vielen anderen Ortschaften auch verschwunden sind, forschte Dorothee Sahm-Stotz weltweit in den unterschiedlichsten Archiven nach Dokumenten, knüpfte Kontakte bis nach Frankreich oder die Schweiz – vieles hat sie emotional sehr bewegt, auch die ein oder andere Träne sei durchaus geflossen: »Ich habe vieles gesehen und gelesen, das mir regelrecht an die Nieren gegangen ist.«

Erst 2017 sei sie dann so weit gewesen, dass all die Fakten mit Blick auf eine Veröffentlichung zusammengetragen werden konnten. Dann sei’s erst recht losgegangen mit der intensiven Arbeitsphase von ihr und den Mitautoren Reinhold Schäffer, Günter Künkele und Gerhard Störmer. Gerne erinnert sich Dorothee Sahm-Stotz an die Zusammenarbeit mit den Seeburg-Kennern zurück, sie alle hätten eine enge Verbindung zum Ort und ein großes Wissen über ihn. Weitere zwei Jahre dauerte es dann bis zur Vollendung des Buchs »Dass nicht vergessen werde …« – am 9. November vor einem Jahr, dem Tag der Reichspogromnacht, vorgestellt wurde.

Zur Erforscherin der Heimatgeschichte kam Dorothee Sahm-Stotz eigentlich auf Umwegen über ihr vielfältiges politisches Engagement in verschiedenen Gruppen, dann wurde sie in den Ortschaftsrat gewählt. Der kümmerte sich 1997 um eine Internetpräsentation, für Dorothee Sahm-Stotz war’s die Initialzündung noch tiefer in die Geschichte Seeburgs einzutauchen: »Es hat mich fasziniert, was es in dem kleinen Ort für tolle Kulturschätze gibt.« Die Erforschung dieser reichen Geschichte wurde zu ihrem »Haupthobby«, 2002 gab sie das »Seeburger Heimatbuch« heraus an dem 25 Autoren mitgewirkt haben.

Größere und kleine Publikationen folgten, erst jüngst erschien mit »Die 15 Mühlenstandorte in Seeburg im Lauf der Jahrhunderte« ihr neustes Werk. Darüber hinaus hat sie eine beachtenswerte Sammlung an Bildern und Dokumentationen: »Ich habe einen Bewegungsmodus gefunden, an Informationen zu kommen und bin zu einer sehr guten Sucherin geworden«, erzählt Dorothee Sahm-Stotz »Wenn ich etwas beginne, dann muss ich es auch beenden.«

»Vieles bleibt unbekannt, dabei ist das Archiv selbst sehr lebendig«

Seit ihrer Pensionierung kann sich die ehemalige Krankenschwester inzwischen noch mehr Zeit für ihre Leidenschaft nehmen, manchmal verbeiße sie sich regelrecht in die Recherche: »Es gibt so viele faszinierende Dokumente.« Ihre Forschungsergebnisse schlagen inzwischen durchaus Wellen, viele Menschen würden sich auf der Suche nach ihren Wurzeln bei ihr melden. Das freue sie, denn Archivarbeit finde eigentlich im Verborgenen statt: »Vieles bleibt unbekannt, dabei ist das Archiv selbst sehr lebendig.« 22 Jahre führte Dorothee Sahm-Stotz das Seeburger Archiv ehrenamtlich, dessen Zuständigkeit nun auf das Bad Uracher Stadtarchiv übergeht.

Dorothee Sahm-Stotz möchte nun eine Pause einlegen und etwas durchatmen. Aber lange könne sie sich sowieso nicht zurückhalten mit der Arbeit, wie sie zugibt: »Die Projekte und Ideen gehen nicht aus.« So klein und überschaubar Seeburg auch sei, die Geschichte gebe viel her – sie denke da an die Aufarbeitung eines zeitgeschichtlichen Themas mit einem technischen Hintergrund. Dann kann es durchaus sein, dass sich Dorothee Sahm-Stotz dann wieder einmal mitten in der Nacht an den Schreibtisch setzt und recherchiert. Denn: »Man muss beständig dabei bleiben.« (GEA)