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Kinderbetreuung in Bad Urach: Es gibt keine Sonderregelung mehr

Weil es im kleinsten Teilort Seeburg keinen Kindergarten mehr gibt, mussten die Eltern seit über zwanzig Jahren keine Gebühren für ihre Kinder zahlen. Warum und wie das jetzt anders wird.

Gleiche Pflicht für alle: Künftig müssen auch Seeburger Eltern Kindergarten-Gebühren zahlen.
Gleiche Pflicht für alle: Künftig müssen auch Seeburger Eltern Kindergarten-Gebühren zahlen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Gleiche Pflicht für alle: Künftig müssen auch Seeburger Eltern Kindergarten-Gebühren zahlen.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

BAD URACH. Es ist zwar nur ein winzig kleines Dorf, es geht aber um eine Grundsatzfrage. Haben in einer Kommune mit mehreren Teilgemeinden - in Bad Urach: vier - alle Eltern in Sachen Kinderbetreuung die gleichen Rechte und Pflichten? In diesem Fall geht es um die Gebühren. Die sind für Eltern aus der Kernstadt von Bad Urach sowie für die aus Sirchingen, Wittlingen und Hengen gleich. Nur nicht für die aus Seeburg. Die Eltern des kleinsten Teilorts mit knapp 300 Einwohnern mussten bis jetzt nichts zahlen. Das wird nun anders.

»Auch andere Eltern müssen fahren«

Seit über zwanzig Jahren werden Kinder aus Seeburg in Kindertageseinrichtung der Stadt Bad Urach beitragsfrei betreut. Der Grund: Der Gemeinderat hatte am 9. April 2002 die Schließung des örtlichen Kindergartens beschlossen. Der Betrieb der Einrichtung mit damals durchschnittlich vier Kindern war wirtschaftlich betrachtet nicht mehr sinnvoll. Als Ausgleich wurde beschlossen, dass den Eltern der betroffenen Kinder aus Seeburg nicht nur eine freie Wahl eines Kindergartenplatzes anzubieten, sondern auch die Gebühren zu erlassen.

Inzwischen ist diese Regelung nicht mehr zeitgemäß, findet die Uracher Verwaltung. Mit der Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr im Jahr 2013 habe sich die Lage im Bereich der Kinderbetreuung »drastisch geändert«, wie es in der Sitzungsvorlage steht - Stichwort Platzmangel und Personalmangel. Inzwischen nehmen viele Eltern aus Bad Urach - sowohl aus der Kernstadt als auch den Stadtteilen - längere Wege zu Kindertageseinrichtung in Kauf, weil die gewünschten Plätze häufig belegt sind. Die Rechtsprechung sagt, dass eine Tageseinrichtung in vertretbarer Zeit erreichbar sein muss. Die Grenze der Zumutbarkeit wird bei 20 bis 30 Minuten Fahrtzeit gezogen. Was im Fall von Seeburg kein Problem wäre. Deshalb hat die Stadtverwaltung dem Gemeinderat empfohlen, die Regelung über die Gebührenfreiheit von Familien aus Seeburg zu streichen.

»Wir haben den Eltern zwanzig Jahre etwas Gutes getan«

»Der Ortschaftsrat ist einstimmig gegen diesen Vorschlag«, sagte der Seeburger Ortsvorsteher Roland Friedrich, »wir haben überhaupt keine Optionen zur Kinderbetreuung.« Was er zusätzlich ins Feld führte: 2023 hatten die Freien Wähler im Gemeinderat eine Waldkindergarten-Gruppe in Seeburg beantragt - was vom Gemeinderat mit knapper Mehrheit (13 gegen 12) abgelehnt wurde. »Das war kein gutes Signal«, blickte Roland Friedrich mit einem gewissen Vorwurf in der Stimme zurück. Der Verweis des Ortsvorstehers auf Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes, der die Benachteiligung oder Bevorzugung unter anderem wegen der Heimat regelt, sorgte im Rat für eine Mischung aus Kichern und Zischen. Unterstützung von seiner Vor-Vorgängerin Uthe Scheckel, die für die Freien Wähler im Gemeinderat sitzt: »Wer von Seeburg aus seine Kinder fährt, fährt sie ab dem ersten Lebensjahr.«

»Wir haben uns diesen Schritt auch nicht leicht gemacht«, sagte Bürgermeister Elmar Rebmann. Zum abgelehnten Waldkindergarten: »Wir brachten und brauchen keinen zweiten.« Ganz grundsätzlich zum kleinsten Uracher Ortsteil: »Wenn ich mich für Seeburg entscheide, weiß ich, was auf mich zukommt. Und wir haben den Eltern zwanzig Jahre etwas Gutes getan.« Teilweise Unterstützung von CDU-Fraktions-Chef Michael Schweizer: »Der Punkt ist in meiner Fraktion umstritten, wir sind aber mehrheitlich bei der Verwaltung: Auch andere Eltern müssen fahren.«

»Da müssten wir ja allen Eltern, die fahren müssen, die Gebühren erlassen«

»Ich will Seeburg nicht in den Rücken fallen«, sagte Gerhard Stooß. Der Ortsvorsteher vom Nachbardorf Hengen berichtete von einer Mutter, die nur 150 Meter vom Kindergarten entfernt wohnt, ihr Kind aber fahren muss, weil's dort gerade keinen Platz mehr gibt. »So was wird immer mal vorkommen, aus welchen Gründen auch immer«, so Stooß. Im Umkehrschluss: »Da müssten wir ja allen Eltern, die fahren müssen, die Gebühren erlassen. Und das wäre schlicht nicht finanzierbar.« Zumal, wie der Bürgermeister zuvor bemerkt hatte, der Deckungsbeitrag in diesem Bereich jetzt schon bei unter zwanzig Prozent liegt.

Martin Lorenz, der bei diesem Punkt für die SPD/AB-Fraktion grundsätzlich jede Erhöhung der Gebühren ablehnt, weil er der SPD-Linie für Bildungsfreiheit folgt, stimmt dieses Mal »wegen der Gleichbehandlung innerhalb des Stadtgebiets« für den Antrag der Verwaltung. Ein Argument, dem auch die Grünen folgten. Kleines Trostpflaster für die Seeburger Eltern: Die Änderung tritt auf Antrag der CDU nicht am 1. Januar, sondern erst am 1. September 2026 in Kraft. (GEA)