BAD URACH. Die Stadt Bad Urach hat am Dienstag an der Ecke Weinlandstraße/Ostendstraße ihren ersten inklusiven Spielplatz eröffnet. »Ein Ort, an dem alle Kinder gemeinsam spielen, lachen und Abenteuer erleben können - unabhängig von ihren Fähigkeiten«, steht auf der von Bürgermeister Elmar Rebmann unterzeichneten Einladung. Nicht alle sind davon so ganz überzeugt: Nach der feierlichen Eröffnung kam es zu Diskussionen mit Vertreterinnen des Vereins »Leben wie ich es will«, der sich für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen einsetzt.
»Ein wirklich toller Spielplatz«, sagt Natalie Henkel, »richtig inklusiv ist er aber nicht.« Sie ist die Inklusionsbeauftragte der Stadt Metzingen, zur Eröffnung des Spielplatzes war sie als aber als Mitglied des Vereins »Leben wie ich es will« gekommen. Den hat Ute Waidelich gegründet, die vor ihr acht Jahre lang die Inklusionsbeauftragte der Sieben-Keltern-Stadt war und sich jetzt selbstständig gemacht hat. Von dem neuen Spielplatz hat Henkel in der Bad-Urach-Gruppe von Facebook gehört. Von der Eröffnung und den durchaus kontroversen Diskussionen, die schon im Vorfeld aufgekommen waren.
»Soll das ein Spielplatz sein, wo die behinderten Kinder den anderen beim Spielen zuschauen dürfen?«
»Soll das ein Spielplatz sein, wo die behinderten Kinder den anderen beim Spielen zuschauen dürfen«, hatte »Nadine Pusteblume«, die Mutter eines behinderten Kindes, gefragt, »das haben wir schon genug. Es gibt Spielgeräte, die auch für Kinder im Rollstuhl geeinigt sind. Da hätten sich die Verantwortlichen mal ein bisschen informieren können.« Einen Spielplatz zu planen, ohne die Eltern von behinderten Kindern miteinzubeziehen und ihn dann als inklusiv zu bezeichnen: »Etikettenschwindel« in ihren Augen. Das hat Natalie Henkel und Ute Waidelich auf den Plan gerufen.
»Schon als ich Bilder von dem neuen Spielplatz gesehen habe, war mir klar, dass das ein wirklich ganz toller Spielplatz ist«, sagt Natalie Henkel, »er ist nur leider nicht wirklich inklusiv.« Das breite Eingangstor, durch das auch Rollstühle kommen, die gepflasterten Wege, der Spielzaun zum Tasten und Beschriften der Grabenstetter Künstlerin Sara Gütter: alles schön und gut. Aber eben mit (viel) Luft nach oben. Spätestens bei den Hackschnitzeln ist Ende Gelände für Rollstuhlfahrer. Oder Menschen, die auf einen Rollator angewiesen sind. Das kann auch die Oma sein, die ihre Enkel zum Spielplatz begleitet.
»Die Teilnahme, die hier angepriesen wird, ist in vielen Bereichen nicht möglich«
Eine Woche vor der Eröffnung hat Natalie Henkel, die selber im Rollstuhl sitzt, den neuen Spielplatz besichtigt. »Die Teilnahme, die hier angepriesen wird, ist in vielen Bereichen nicht möglich«, sagt sie. Und hat das Thema deshalb im Verein »Leben wie ich es will« angesprochen, bei dem sie im Vorstand sitzt. Und mit Ramona Mathes, der Behindertenbeauftragten des Landkreises Reutlingen, geredet. Die hat sich daraufhin mit Bürgermeister Elmar Rebmann in Verbindung gesetzt.
Bei aller Freude über den neuen Spielplatz, den Landschaftsarchitektin Michaela Breuer geplant hat, die bei der Stadt für die Grünanlagen verantwortlich ist, und der 80.000 Euro gekostet hat - die Hälfte davon wurde vom EU-Programm LEADER gefördert: Der Rathaus-Chef war nach der Eröffnung sichtlich geknickt. Oder zumindest überrascht über so viele kritische Stimmen. »Wir sind wirklich nicht gekommen, um irgendjemand so etwas wie Böswilligkeit zu unterstellen«, betont Natalie Henkel, »wir sind absolut auf keinen Skandal aus. Wir wollen aber auf ein paar Missstände hinweisen. Zumal weder wir noch die Kreisbehindertenbeauftragte in irgendeiner Form in die Planungen involviert waren.« Wenn sich aber ein Spielplatz mit dem Prädikat »inklusiv« schmückt, sollte er es schon irgendwie sein, betont sie.
""Ein wirklich toller Spielplatz, richtig inklusiv ist er aber nicht"
»Ich rechne es Bürgermeister Rebmann hoch an, dass er die Kritik angenommen und Nachbesserungen versprochen hat«, sagt Natalie Henkel. Als Expertin ist sie überzeugt, »dass man mit ein paar Maßnahmen ganz viel für mehr Inklusion hinkriegen kann«. Einen mit dem Rollstuhl unterfahrbaren Spieltisch hat der Uracher Bürgermeister gleich vor Ort angekündigt. »Ich bin für alle Verbesserungsmöglichkeiten offen«, beteuert Elmar Rebmann. »Es ist unmöglich, einen Spielplatz zu bauen, der allen Bedürfnissen gerecht wird, das ist klar«, sagt Natalie Henkel. Auf einer Fachtagung hat sie einen Satz aufgeschnappt, der als Leitlinie für den neuen Spielplatz in Bad Urach gelten könnte: »Nicht alles für alle, sondern ein bisschen was für jeden.« (GEA)

