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Familiendrama bei Metzinger Fledermäusen: Viele Jungtiere verhungert

Ein Drittel der Jungtiere der Kolonie in der Metzinger Martinskirche ist verhungert. Vermutlich ist das Wetter schuld

Wahrlich kein  schöner Anblick: Jungtiersterben in der Fledermaus-kolonie in der  Metzinger Martinskirche, dokumentiert von der
Wahrlich kein schöner Anblick: Jungtiersterben in der Fledermaus-kolonie in der Metzinger Martinskirche, dokumentiert von der Nabu-Ortsgruppe. FOTO. VEREIN Foto: Gea
Wahrlich kein schöner Anblick: Jungtiersterben in der Fledermaus-kolonie in der Metzinger Martinskirche, dokumentiert von der Nabu-Ortsgruppe. FOTO. VEREIN
Foto: Gea

METZINGEN. Der jüngste Kontrollgang der Nabu-Ortsgruppe Metzingen zu den Fledermäusen in der Martinskirche endete mit Schrecken und Trauer: Auf dem Dachboden lagen viele verhungerte, mumifizierte Tiere – gut ein Drittel der diesjährigen Jungtiere. Das Drama hängt nach Ansicht von Experten mit dem schlechten Wetter im Juni zusammen.

Jedes Jahr gibt es beim Nabu bereits im zeitigen Frühjahr Spannung pur: Sind die Mausohr-Fledermäuse in ihrem traditionellen Sommerquartier zur Jungenaufzucht im Dachfirst der Metzinger Martinskirche eingetroffen? Die Witterung, die Temperatur hat das ganze Jahr über großen Einfluss auf ihren gesamten Lebenszyklus. Selbst beim exakten Timing, wonach zwischen Paarung im September und Geburt ab Ende Mai eine Keimruhe eingeschoben wird. Ungünstige Witterung kann den Jagderfolg der Muttertiere und danach das Säugen des Einzelkinds entscheidend beeinflussen. Gleiches gilt für das Anfressen des nötigen Fettdepots für den Winterschlaf. Der Abflug ins entfernte Quartier verzögert sich zudem bei kalten Schlechtwetterperioden.

Unter dem Kirchendach, gerade auch am lichtarmen Hangplatz der geräumigen Metzinger Martinskirche, gibt es Temperaturschwankungen, da hilft auch das Gruppenkuscheln nur bedingt. Aber die weiblichen Mausohren mit ihrem Jungen (der Großteil gebärt im Jahr eines) ziehen clever um von Westen nach Osten und umgekehrt. Die Kotpellets auf dem Boden zeigen es deutlich. Auch an der Decke des untersten Bühnenbereichs, oberhalb des Kirchenschiffs, wird Quartier bezogen, haben sie sich zu einem Cluster versammelt. Abseits davon hat sich ein einzelner Flattermann an seinem Stammplatz, aber ganz in der Nähe von Weib und Kind, niedergelassen.

Empfindliche Nachtschwärmer

Der natürliche Tag- und Nachtrhythmus ist für die Nachtschwärmer ebenfalls lebenswichtig. Deshalb wird die nächtliche Kirchturm-Außenbeleuchtung während ihrer Aufenthaltsdauer abgeschaltet. Selbst ein benachbarter, beleuchteter Baukran würde sie stören. Die Weibchen würden in dem Fall nicht zur Nahrungsjagd in den Wald nach Laufkäfern ausfliegen. Keine Nahrung bedeutet keine Milch für die Jungen, sie verdursten und verhungern.

Letzteres ist offenbar passiert, wie sich beim Kontrollgang der Nabu-Gruppe Metzingen mit Günter Lerch, Dr. Ulrich Lorch, Karl Raißle und Albert Brodbeck sowie der Expertin Ingrid Kaipf ergab. Die Artenschützer fanden mindestens 85 mumifizierte, verhungerte Fledermäuse, ein bis zwei Wochen alt. Diese Zahl bedeutet gut ein Drittel der diesjährigen Jungtiere.

Was ist passiert? Vielleicht war’s der Marder: Doch vom gewandten Kletterer fand sich nur ein Häufchen seiner Losung. Vielleicht das Insektensterben? Parasitenbefall? Sie putzen sich doch täglich. Auch das aktuelle Sars-Coronavirus trägt die europäische Fledermaus nicht in sich. Die Expertin konnte all diese möglichen Gründe ausschließen. Bleibt nur das Wettergeschehen als Ursache übrig. Wahrscheinlich sorgte die extreme Schafskälte Anfang Juni für das erhöhte Jungtiersterben. Zudem wurden die kleinen Fledermäuse aufgrund des warmen Frühjahrs eine Woche früher als sonst (also Ende Mai) geboren. Die Fledermausmutter konnte wetterbedingt nicht zur Insektenjagd ausfliegen. Die Kälte und Nässe hatte die Jungtiere also in ihrer empfindlichsten Phase getroffen – mit fatalen Folgen. (eg).

 

www.nabu-metzingen.de