BAD URACH/REGION. 57 Tante-M-Läden haben offen - vier wieder geschlossen. Wie laufen die Shops, bei denen die Kunden nicht nur ihre Einkaufskörbe füllen, sondern die Ware auch scannen und im SB-Betrieb bezahlen? Wo hakt es noch? Nach fünf Jahren ist Zeit für eine Zwischenbilanz mit Tante-M-Erfinder Christian Maresch aus Pliezhausen. Die Nahversorgung in ländlichen Regionen zu sichern, war und ist sein Ziel und das seiner vielen Mitstreiter. Die GmbH, die den Tante-M-Ladenbetrieb verantwortet und überwiegend an Franchisenehmer vergibt, sitzt inzwischen in Bad Urach-Hengen.
- Wo gibt es in der Region Neckar-Alb überall Tante-M-Shops?
Auf der Alb in Pfronstetten, Mägerkingen, Gomadingen, Zainingen, Sirchingen, Wittlingen, Hengen und Grabenstetten. Im Ermstal in Glems. Zwischen Neckar und Reutlingen in Altenburg. Im Raum Nürtingen in Tischardt. Außerdem in einem von Tübingens ländlichsten Winkeln: Hagelloch.
- Wie sieht es mit Neueröffnungen aus und woher kommen Anfragen?
Zwei bis vier Läden pro Monat machen auf, informiert Christian Maresch. Hat er sein Konzept zunächst vor allem in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen verbreitet, kommen »Anfragen inzwischen aus nahezu allen Bundesländern«. Als nächstes sollen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland die ersten Tante-M-Shops eröffnen.
- Warum und nach welcher Zeit haben Tante-M-Läden wieder geschlossen?
Je einer bereits sechs Monate nach der Eröffnung (Maresch: »falscher Standort«), nach zwei Jahren (»zu viel Diebstahl«), nach drei Jahren (»keine neue Immobilie verfügbar«, gemeint ist der Ex-Laden im Rathaus von Kohlberg, wo größere Räume gebraucht worden wären) und nach viereinhalb Jahren, »da nicht mehr zukunftsfähig aufgrund neuer Wettbewerbssituation am Ort«. Damit ist die Situation im Grafenberger Ortskern beschrieben, wo der am 12. Juli 2019 eröffnete allererste Tante-M-Laden Ende 2023 geschlossen hat, nachdem wenige Meter entfernt ein kleiner Supermarkt eröffnet hatte. Pikanterweise betrieben von der Frau des Ex-Tante-M-Franchisenehmers aus Grafenberg und Glems, der dort gekündigt hatte.
- Wie funktioniert das Franchise-System?
Eine Person oder Firma betreibt als Franchisenehmerin einen oder mehrere Nahversorgungsläden auf wirtschaftlich eigenverantwortlicher Basis unter Lizenz von Tante-M und mit deren Konzept und Markenzeichen. Als Lizenzgebühren fallen drei Prozent des Umsatzes an. Mitbringen müssen die Franchisenehmer die Bereitschaft und Fähigkeit für eine selbstständige Tätigkeit. »Fachwissen ist dabei nicht vonnöten, aber natürlich immer von Vorteil«, sagt Maresch, der für den Tante-M-Betrieb ausdrücklich auch Quereinsteiger ins Gespräch bringt. Aktuell gibt es 28 Franchisenehmer. »Monatlich kommen neue hinzu.« Neun Läden führt die Tante-M-GmbH derzeit eigenverantwortlich.
- Wie viel Eigenverantwortung haben die Franchisenehmer und wie viel ist von Tante-M vorgegeben?
Viel Spielraum haben die Franchisenehmer vor allem beim Sortimentsbereich, der auch von lokalen Lieferanten bestückt wird. »Für die Frischeprodukte (vor allem Metzger, Bäcker, Obst und Gemüse) kann und muss der Franchisenehmer selbst sorgen«, erläutert der Tante-M-Chef. Für das Trocken-, Kühl- und Tiefkühlsortiment bestehen dagegen feste Lieferkanäle und Konditionen, innerhalb derer der Franchisenehmer selbst entscheiden kann. Tante-M gibt die Technik und das Erscheinungsbild der Läden vor.
- Wie viel muss in einen Tante-M-Laden vor Eröffnung investiert werden und wie viele Kunden braucht er, um rentabel zu sein?
Eine Filiale benötigt im Schnitt circa 50 Kunden am Tag, legt Christian Maresch offen. »Der Durchschnitt aller Tante-M-Filialen liegt aktuell bei 86.« Ein Kunde gibt im Schnitt für seinen Einkauf 7,28 Euro aus. Über 20.000 Kundenkarten wurden bereits ausgegeben. Diese sind per EC-Karte mit Guthaben nach freier Wahl aufladbar, anschließend kann man mit ihnen in den Shops bezahlen; mit EC- oder Kreditkarte und in wenigen Filialen auch bar in einen Tresor mit Schlitz geht's aber auch. Vor der Eröffnung eines Ladens müssen die (meist) Franchisenehmer rund 50.000 Euro investieren, inklusive aller Gebühren und einer Erstausstattung an Ware.
- Wie wird Werbung für die Läden gemacht?
Lokale Werbung liegt in der Verantwortung der Franchisenehmer. »Die Tante-M-Marketing-Abteilung hat dafür viele Tools im Angebot«, zeigt Maresch auf. Und macht selbst überregionale Werbung für das Konzept und die Standorte.
- Welche Probleme macht die Barzahlung, welche der Diebstahl? Muss man alles videoüberwachen?
Die Herausforderung für die Barzahlung sieht der Tante-M-Erfinder in der (nicht immer gegebenen) Ehrlichkeit der Kunden genauso wie in stark gestiegenen Bankgebühren für die Bargeldentsorgung und im Personalaufwand. »Elektronische Bezahlung per EC- oder Kreditkarte, Handy oder auch der Tante-M-Kundenkarte ist deutlich effizienter.«
Videoüberwachung plus weitere, versteckte Sicherheitstechnik »ist Standard und überall nötig«. Dennoch warnt Maresch davor, das Problem Ladendiebstahl zu dramatisieren. »Es existiert, wie überall, wird aber viel zu sehr thematisiert. Wir sollten unsere Aufmerksamkeit und Energie mehr auf die Chancen und nicht auf die Risiken richten - das typisch deutsche Problem ...«
- Wie gehen die Betreiber mit der Kritik an den Sonntagsöffnungszeiten der Tante-M-Läden um?
»Einkaufen an sieben Tagen pro Woche von 5 bis 23 Uhr, auch sonn- und feiertags«, werben die Tante-M-Betreiber für ihre Shops. Das hat Kritik der »Allianz« ausgelöst, einem bundesweiten Bündnis von kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen. Die Allianz hat es sich zur Aufgabe gemacht, die gesetzlich vorgeschriebene Sonntagsruhe zu wahren. Tante-M-Erfinder Christian Maresch kontert: »Die Sonn- und Feiertags-Öffnungszeiten sind ein existenziell wichtiger Bestandteil der Tante-M-Läden.«
Denn die Einkaufsgewohnheiten der Kundschaft hätten sich verändert. »Kaum einer hat noch Zeit, montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr einzukaufen. Der Kunde möchte kaufen, wann er will/Zeit hat, und nicht, wann es dem Laden am besten passt.« Um in einer Umgebung mit geringer Kaufkraft wirtschaftlich arbeiten zu können, zähle jeder Kunde. »Gut 30 Prozent der Kundschaft kommt spätabends oder an Sonn- und Feiertagen«, schlüsselt Maresch auf, »das sind oft die 30 Prozent, die darüber entscheiden, ob ein Laden existieren kann oder nicht.«
Sonn- und feiertags öffnen dürfen die Tante-M-Läden, weil kein Personal in ihnen steht. Mitarbeiter werden (zu unregelmäßigen Zeiten) nur dann gebraucht, wenn Ware aufzufüllen ist. Oft tun das die Franchisenehmer selbst. In einigen Läden bieten sie auch regelmäßige Sprechzeiten an, mehrere Stunden die Woche.
- Gibt es schon die Anfang 2024 geplante Variante Tante-M City und gegebenenfalls wie funktioniert sie?
Da Baumaßnahmen und IT-Entwicklungen länger dauern als geplant, wird der erste Tante-M-City-Shop wohl im Herbst in Backnang eröffnen. »Ob und wie es funktioniert, gilt es herauszufinden«, blickt Maresch voraus.
- Fünf Jahre Tante-M - wird gefeiert?
Ja, im Herbst. Eigentlich hatten die Tante-M-Verantwortlichen ihre Geschäftspartner und Kunden am Samstag, 13. Juli, zu einem Fest beim Laden in Zainingen eingeladen, mit Foodtruck, Currywurst-Taxi, Hüpfburg, Riesen-Darts und Livemusik. Dann wurde schlechtes Wetter angesagt und Christian Maresch hat die bunte Feier abgesagt. Wann sie nachgeholt wird, wird er rechtzeitig bekanntgeben. (GEA)



