STUTTGART. Angesichts der Corona-Auflagen greift das Stuttgarter Schauspiel zu einer ungewöhnlichen Alternative: In der neuen Premiere »Black Box« betreten keine Schauspieler die Bühne, um ihre Rollen zu spielen und Texte zu zitieren. Vielmehr übernimmt das vielstöckige Gebäudegewerk die Hauptrolle, die nackten Treppenhäuser und Lichtbühnen, die Lobby, der Zuschauerraum und die Werkstätten.
Über Kopfhörer werden die Zuschauer im 5-Minuten-Takt alleine und sekundengenau durch das Haus geleitet, während die Gedanken der Maskenbildnerin und der Dramaturgin, des Theaterarztes und des Malers sie begleiten. Hinter jeder schweren Türe bietet sich ihnen so ein neuer und überraschender Blick auf den Theaterbetrieb. Nach einem 90-minütigen intensiven Gang durch das Gebäudelabyrinth steht der Besucher schließlich im Zentrum des Theatergeschehens: im Scheinwerfer auf der Bühne.
»Das Stück ist unsere Liebeserklärung an das Theater in schwierigen Zeiten«, sagte Intendant Burkhard Kosminski am Dienstagabend nach der Premiere des »Phantomtheaters für 1 Person«. Der Abend zeige, was man in Zeiten der Pandemie organisieren könne.
Regisseur Stefan Kaegi vom Label Rimini Protokoll hat »Black Box« als Kamerafahrt für den Theaterbesucher inszeniert. »Mit seinen Augen als Kamera geht der Zuschauer durch die Räume und nimmt dabei mehr als nur Bilder auf«, sagte er nach dem ersten Durchgang. »Man filmt vielmehr mit allen Sinnen.«
Für das Schauspiel Stuttgart ist »Black Box« eine von noch zwei kleineren Premieren der coronaverkorksten Saison. Die Sparte hatte am vergangenen Freitag mitgeteilt, dass sie den vor kurzem erst wieder aufgenommenen Spielbetrieb drei Wochen früher als geplant einstellt. »Wir hoffen natürlich, «Black Box» ab September wieder regelmäßig auf dem Spielplan zu haben«, sagte Kosminski. (dpa)