REUTLINGEN. Um Kleidung geht es in der nächsten Ausstellung in der GEA-Redaktion, die am Mittwoch, 12. November, am Burgplatz Vernissage feiert. Aber auch um die eigene Identität und den Zwiespalt zwischen Gesellschaft und Individuum. 15 junge Modedesign-Studentinnen sind es, die bis zum 10. Januar hier ihre Arbeiten zeigen: Mode-Illustrationen, aber auch Beispiele für fertige Kollektionen.
»Fashion Forward – From Seam to Scene« haben die Studierenden mit ihrer Professorin Natalie Seng die Schau genannt. Auf Deutsch: »Mode vorwärts – von der Naht zur Szene«. Am Anfang der Entwicklung einer Kollektion stehen Entwurfsskizzen, auch Collagen – als eine Art persönliches Brainstorming. Dann geht es zur »Naht«, dem textilhandwerklichen Umsetzen. Am Ende steht ein Fotoshooting, in dem die fertige Mode ins rechte Licht gerückt wird – die »Szene«. Auch diese Shootings zu organisieren und passende Örtlichkeiten zu finden, gehört zum Studium.
Mit politischer Brisanz
Die Ausstellung im GEA fokussiert auf die Ideensammlung des Beginns, weil hier zeichnerische, malerische, collagierende Fertigkeiten gefragt sind, was viel Nähe zur Kunst hat. Entstanden sind die Arbeiten im Sommersemester. Professorin Natalie Seng hatte dazu das Motto »The Mood of Change« vorgegeben: »Die Stimmung der Veränderung«.
Die Studierenden haben das je auf ihre Weise aufgefasst, oft persönliche Erfahrungen einbezogen. Manches hat politische Brisanz. So hat sich Svea Eidam aus Stuttgart mit Femiziden beschäftigt, mit Morden an Frauen. Und in ihre Arbeit die Namen von Opfern integriert. Auf die Chancenungleichheit von Menschen im reichen Europa und in ärmeren Weltgegenden hebt Madita Vetter aus Herrenberg ab. Kleider aus lauter Taschen symbolisieren bei ihr das Potenzial auch mittelloser Menschen.
Zwangsjacke und Kinderträume
Lelaina Patts aus Schweinfurt ließ sich von einer Freundin inspirieren, die trotz traumatischer Kindheit ein positiver Mensch geworden ist. Sie zeigt das Düstere in einer Zwangsjacke und das Positive in Gestalt von Legosteinen, aus denen sich Neues bauen lässt. Kindheitsträumen geht Nina Adam aus Villingen-Schwenningen nach. Sie hat dazu Kinder auf einem Spielplatz eine lange Papierrolle bemalen lassen.
Oft geht es um die (Mode-)Zwänge der Gesellschaft, durch die man sein eigenes Selbst verliert. Pia Wellmann aus Stuttgart fasst das ins Bild des maskierten Clowns. der sich fürs Publikum verstellt. Während bei der Norwegerin Jana Myhra mit Figuren, die wie Artisten an Seilen hangeln, die Zirkus-Metapher nochmal einen anderen Dreh bekommt.
Entpuppung des Schmetterlings
Sude Onmaz aus Eningen lässt ihre Protagonisten wie Schmetterlinge aus dem gesellschaftlichen Kokon ausbrechen, bunt und exotisch. Marie Kar, die aus Niederbayern kommt, fasst die »Entkörperung« durch Schönheitsideale in den Blick, inspiriert vom Film »Queer«. Die Norwegerin Karianne Solevåg zeigt den Widerstreit zwischen Norm und Individualität, indem sie verschiedenste Typen in ein Einheitshemd steckt.
Perfektionserwartungen gerade an Frauen sind für die Metzingerin Nele Ernst das Thema. Ihr Fotoshooting hat sie ohne Posen gestaltet und in ihren Skizzen das Unperfekte betont. Auch die Tübingerin Larissa Schulz rebelliert in ihren Zeichnungen, teils mit Eyeliner und Mascara, gegen Modenormen, mit übertriebenen Stereotypen wie breiten Schultern und Wespentaille. Evelyn Gladkij plädiert hingegen mit hellen Gold- und Orangefarben dafür, dass es okay ist, sich auch mal in sich selbst zurückzuziehen, um Ordnung in sein inneres Chaos zu bringen. Was sie in das Bild der Papaya-Frucht packt, bei der man sich durch die harte, glatte Schale ins weiche Innere arbeiten muss.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »Fashion Forward – From Seam to Scene« feiert Vernissage am Mittwoch, 12. November, um 19 Uhr in der GEA-Redaktion am Reutlinger Burgplatz. Zugang ist durchs Service-Center in der Burgstraße (nicht barrierefrei). Zu sehen sind Arbeiten von Fashion-Design-Studierenden am Texoversum der Hochschule Reutlingen. Professorin Natalie Seng führt im Gespräch mit Studierenden ein, Musik macht die GEA-Band Headline. Weitere Öffnungsphasen sind an den Samstagen des 15. und 29. November, 13. Dezember und 10. Januar, jeweils von 10 bis 12 Uhr. (GEA)
www.gea.de/vorteilswelt
Manche eröffnen ganz eigene Welten – wie Selin Sensoy aus Pforzheim, die mit ihren Zeichnungen in einen dystopischen Wilden Westen führt, mit Fransenhemden, Cowboyhüten, Pferden, Colt. »Ich hatte beim Fotoshooting auf einer Ranch bei Karlsruhe sogar ein richtiges Pferd dabei!« Raja Kuschel aus Zürich zeigt anhand des physikalischen Doppelspalt-Experiments, dass jeder in seiner eigenen Blase lebt, seinen eigenen Blick auf die Realität hat. Was der Besucher an den unterschiedlichen Perspektiven der Künstlerinnen bestens nachvollziehen kann. (GEA)




