Logo
Aktuell Klassik

Streicherklänge: Das Eliot Quartett beim Tübinger Vielklangfestival

Das Eliot Quartett entführte das Publikum mit Werken von Webern, Schubert und Schostakowitsch in eine andere Welt.

Das Eliot Quartett gestaltete beim Vielklangfestival ein emotionales Konzert.
Das Eliot Quartett gestaltete beim Vielklangfestival ein emotionales Konzert. Foto: Verena Völker
Das Eliot Quartett gestaltete beim Vielklangfestival ein emotionales Konzert.
Foto: Verena Völker

TÜBINGEN. Das Eliot Quartett brachte im Rahmen des Tübinger Vielklangfestivals den Saal in der Westspitze zum Klingen. Passend zum Festival-Motto »Utopie« entführte das 2014 in Frankfurt am Main gegründete Streichquartett das Publikum mit drei Werken in faszinierende Klangwelten.

Den Auftakt bildete Anton Weberns Streichquartett Opus 28, das letzte Streichquartett, das Webern komponierte. Maryana Osipova und Alexander Sachs (Violinen), Dmitry Hahalin (Viola) und Michael Preuss (Cello) präsentierten die Komposition mit beeindruckender Eleganz. Das Stück, in der komplexen Zwölftontechnik verfasst, ließ die Musik nie zur Ruhe kommen. Immer wieder überraschten laute Melodiefetzen und zarte Pizzicato-Passagen die Zuhörer. Hahalin erklärte zu Beginn humorvoll, dass man bei Webern nichts verpassen dürfe: »Wenn Sie bei Bruckner oder Wagner zehn Minuten einschlafen, sind Sie danach immer noch in der Durchführung; bei Webern haben Sie alles verpasst.« Er erzählte, dass Webern und sein Lehrer Schönberg die Zwölftontechnik als die Zukunft der Musik sahen – eine Utopie, die sich nicht erfüllte. Für die Konzertbesucher war es dennoch ein Erlebnis, diese anspruchsvolle und herausfordernde Musik in solch lebendiger Interpretation zu hören.

Melancholische Grundstimmung

Es folgte Franz Schuberts Streichquartett a-Moll, D 804 (»Rosamunde«). Die melancholische Grundstimmung des Werks wurde von den Musikern mitfühlend und leidenschaftlich zum Ausdruck gebracht. Sehnsuchtsvolle Passagen luden zum Träumen ein, doch selbst die tanzähnlichen Abschnitte waren von einem unterschwelligen »Memento mori« durchzogen. Nach dem Verklingen des letzten Tons hielt das Quartett die Spannung, und es herrschte einige Sekunden lang Stille, bevor das Publikum applaudierte.

Nach der Pause stand Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 5 in B-Dur Opus 92 auf dem Programm. Hahalin erläuterte, dass dieses Werk entstand, nachdem Schostakowitsch seine Position am Konservatorium verloren hatte. Anstatt sich den Erwartungen anzupassen, komponierte er weiterhin nach seiner eigenen Vorstellung. Das Werk vereint hoffnungsvolle und traurige Momente dicht beieinander, und im letzten Satz scheint die Musik allmählich auszudünnen, bis schließlich nur noch eine klagende Melodie, gespielt von Osipova übrigbleibt, unterstützt von leisen, fast verstummenden Tönen der anderen Instrumente.

Abschluss mit Hoffnung

Das Publikum honorierte die Leistung der Musiker mit anhaltendem Applaus. Als Zugabe spielten die Musiker das »Scherzo for Strings« von Charles Ives. Dieses heitere und verspielte Stück bot einen kontrastreichen Abschluss des Abends und vermittelte die Hoffnung, dass trotz aller Melancholie und Traurigkeit das Spielerische nicht verloren geht – und dies bleibt hoffentlich keine Utopie. (GEA)