REUTLINGEN. Er liebt »deutsche Kultur, deutsches Essen und deutsche Fräuleins«: Der New Yorker Altsaxofonist Vincent Herring war am Mittwoch im Rahmen der Jazz & Klassik-Tage zu Gast im gut besuchten Pappelgarten und bot mit seinem international zusammengesetzten Soul Jazz Septet ein Feuerwerk an kraftstrotzenden Improvisationen.
Die Band um Herring präsentiert uramerikanischen Jazz, zuweilen knackige Hardbop- und Soul-Kracher, aber auch ohrwurmartige Jazzballaden. Aus der einfachen Verschiebung von Akkordverbindungen lassen der Art-Blakey-Schüler Herring, der österreichische Saxofonist Gregor Storf, der New Yorker Trompeter Joey Curreri, der britische Gitarrist John Arman, der österreichische Gitarrist Clemens Gigacher, der deutsche Pianist Urs Hager und der Ex-Art-Farmer-Drummer Joris Dudli aus der Schweiz explosive Jazzlinien erwachsen.
Eruptive Soli
Im Mittelpunkt stehen meist die drei Bläser, die einen unglaublichen Groove kreieren und die abgezirkelten Muster mit eruptiven Soli sprengen. Sax-Soli und lustvolle Hardbop-Collagen treiben da zuweilen melodiöse Kompositionen zu unvorhersehbaren Klanggebilden. Ein paar eigene Stücke von Joris Dudli und zahlreiche Standards fügen sich zu einer Abfolge aus individuellen Solobeiträgen und spritzigem Zusammenspiel. Der Erfahrungsreichtum der beiden Bandleader Dudli und Herring und die Anpassungsfähigkeit ihrer Mitspieler schaffen ein ausgewogenes Klangbild.
Da es sich nicht um ein festes Septett handelt, sondern um eine Kooperation gestandener und junger Jazzer, die sonst ihre eigenen Projekte verfolgen, dominiert an diesem Abend der Session-Charakter. Es geht den Musikern vor allem darum, dass das Ganze intensiv pulsiert und vor Kraft strotzt. Während der 60-jährige Herring mit seinen gestochen scharfen Saxofonsoli Standards wie »Feel Like Makin' Love«, »My One and Only Love« oder Monks »Round Midnight« möglichst werkgetreu interpretiert, sind Pianist Urs Hager und der junge Trompeter Joey Curreri dafür zuständig, Brücken zur freien Improvisation zu schlagen.
Bezüge zu Monk und Flack
Die Musik dieses Bandprojekts kommt nicht unbedingt revolutionär daher, ist aber frappierend komplex und gut gespielt. Hier ein wenig Thelonious Monk, dort ein bisschen Roberta Flack oder John Coltrane. Stets gelingt es den Musikern, die Grenzen zwischen Improvisation und Melodik aufzulösen. Sich an Unerhörtem zu reiben, ist weniger ihre Sache. So fehlt dem knapp 90-minütigen Konzert hier und da die gewisse Würze.
Gegen Ende finden die Musiker zu etwas ruhigerer Klangmalerei, um gleich darauf wieder loszulegen. Dabei verknüpft das Septet Intuition und Reflexion – und macht Lust auf weitere Konzerte der Jazz & Klassik Tage. (GEA)

